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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 3 Ss 115/08
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 252
StPO § 267
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des Tatbestandsmerkmal des § 252 StGB "auf frischer Tat betroffen".
Beschluss

Strafsache

gegen A.S.

wegen räuberischen Diebstahls

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bielefeld vom 19. Oktober 2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 03. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat in seiner Antragsschrift vom 13.03.2008 u. a. wie folgt Stellung genommen:

"I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 19.10.2007 wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt (Bl. 74 ff. d.A.).

II.

Auf die form- und fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten ist das Urteil in vollem Umfang aufzuheben.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls nicht.

Das Amtsgericht hat zum Tathergang folgende Feststellungen getroffen:

"Am 16.08.2007 hatten die Zeugen H. und M. ihren Lieferwagen mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXX in unmittelbarer Nähe ihrer Arbeitsstelle unverschlossen abgestellt.

Während beide Zeugen damit beschäftigt waren, den Laderaum des Lieferwagens, welcher mit Steinzeug beladen war, leer zu räumen und teilweise dort Steinzeug zu schneiden, gelangte der Angeklagte unbemerkt in den Fahrerteil desselben. Hier entwendete er ein Portemonnaie mit 25,00 EUR in Geldscheinen sowie Kleingeld, Personalpapiere, eine Mappe mit Fahrzeugpapieren sowie ein Lasermessgerät im Wert von ca. 800,00 EUR.

Nachdem er sich zunächst unbemerkt mit dem Diebesgut entfernen konnte, bemerkte der Angeklagte sodann, dass er bei dem Diebstahl in dem Fahrzeug sein Handy, seine Sonnenbrille sowie sein "Fixer-Besteck" vergessen hatte und entschloss sich, zum Fahrzeug zurück zu kehren, um diese Gegenstände zu holen.

Hierbei beobachtete ihn der Zeuge H., der in der Hand des Angeklagten sein Lasermessgerät bemerkte und ihn hierauf ansprach.

Nachdem der Angeklagte dem Zeugen zunächst erwidert hatte, das Lasermessgerät sei ihm soeben von einem ihm unbekannten Dieb in die Hand gedrückt worden, der das Weite gesucht habe, legte der Angeklagte sodann das Lasermessgerät auf den Boden und entfernte sich im Laufschritt.

Nachdem der Zeuge M. gleichzeitig bemerkt hatte, dass der Angeklagte zusätzlich sein Portemonnaie entwendet hatte, nahm dieser die Verfolgung auf. Nachdem er den Angeklagten nach einiger Zeit in einem Gebüsch stellen konnte, drohte der Angeklagte diesem mit den Worten "verpiss dich, sonst steche ich dich ab", was der Zeuge M. auch ernst nahm. Tatsächlich war der Angeklagte, so wie immer, im Besitz eines Taschenmessers.

Da der Zeuge H. die Polizei über Handy verständigt hatte, konnte diese kurz darauf den Angeklagten festnehmen und überwältigen, wobei dieser das Portemonnaie sowie die Fahrzeugpapiere bei sich führte."

Nach diesen Feststellungen - deren Ergänzung in einer neuerlichen Hauptverhandlung jedoch möglich erscheint - lässt sich nicht beurteilen, ob das Tatbestandsmerkmal des § 252 StGB "auf frischer Tat betroffen" vorliegt. Auf frischer Tat betroffen ist der Täter, wenn er in Tatortnähe und spätestens alsbald nach der Tatausführung wahrgenommen wird (zu vgl. Fischer, StGB, 55. Auflg., § 252 Rdn. 5 m.w.N.). Zu der in dieser Definition enthaltenen zeitlichen Komponente treffen die Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenso wenig eine Aussage wie zu der Entfernung, die der Angeklagte bereits vom Tatort zurückgelegt hatte, bevor er dorthin zurückkehrte. Würde es jedoch an dem Tatbestandsmerkmal "auf frischer Tat betroffen" fehlen, käme auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen lediglich eine Verurteilung wegen Diebstahls und (versuchter) Nötigung in Betracht."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Ergänzend bemerkt der Senat:

a) Auch die nicht näher begründete Ablehnung der Voraussetzungen des § 20 StGB begegnet angesichts des Umstandes, dass der Verurteilte sich dahin eingelassen hatte, dass er an dem Tattag die "bei ihm vorgefundenen starken Neuroleptika" eingenommen habe und an die Vorfälle keinerlei Erinnerung mehr besitze, rechtlichen Bedenken. Die Medikamenteneinnahme konnte der Tatrichter nicht ausschließen und hat deswegen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht ausgeschlossen.

b) Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, sich mit der Frage der Besitzerhaltungsabsicht (§ 252 StGB) hinsichtlich der entwendeten Gegenstände näher auseinanderzusetzen.

Ende der Entscheidung

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