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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 3 Ss 142/04
Rechtsgebiete: StGB, AuslG


Vorschriften:

StGB § 46
AuslG § 48
AuslG § 47
Zur Strafzumessung bei unerlaubter Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
Beschluss

In der Strafsache

gegen A.D.

wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 09.01.2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Hauptverhandlung vom 19. 05. 2004, an der teilgenommen haben:

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Schöffengericht Essen hat den Angeklagten "wegen unerlaubter Einreise ins Bundesgebiet und unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet" zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Berufung eingelegt und die Rechtsmittel jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Mit dem angefochtenen Berufungsurteil hat die Strafkammer unter Verwerfung der weitergehenden Berufung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit der Maßgabe abgeändert, dass die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und drei Monate erhöht wurde.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 12. Januar 2004 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt und diese nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 18.02.2004 mit am 04.03.2004 bei dem Landgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz des Verteidigers mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der allein erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Die Rüge, die Berücksichtigung der Vorstrafen, insbesondere aus den Jahren 1995 und 1996, verstoße gegen § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB sowie gegen § 51 Abs. 1 BZRG greift nicht durch. Erst bei einer Verwertung von länger als 10 Jahren zurückliegenden Vorverurteilungen (zu Freiheitsstrafen bzw. Jugendstrafen) zum Nachteil des Angeklagten sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in den Urteilsgründen genaue Angaben zu Rechtskraftdaten zu fordern, um die Frage der Tilgungsreife zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu überprüfen (vgl. BGH StV 98, S. 17). Vorliegend scheidet ein Verwertungsverbot wegen Tilgungsreife (§ 51 Abs. 1 BZRG) bei allen berücksichtigten Vorverurteilungen dagegen offenkundig aus, weil im Register Freiheitsstrafen eingetragen sind. Dieser Umstand steht dem Ablauf der regulären Tilgungsfrist von fünf Jahren bei Geldstrafen unter 90 Tagessätzen, die in den Jahren 1995 und 1996 verhängt wurden, gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG entgegen. Die von der Revision angeführten zwei Entscheidungen des 2. Strafsenats des OLG Hamm führen zu keiner anderen Beurteilung. In dem Verfahren 2 Ss 160/02 (Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Hamm vom 17.04.2002) ging es um die Berücksichtigung von Vorstrafen aus den Jahren 1992 und 1993, die bei der Entscheidung des Senates vom 17.04.2002 relevant waren, mithin an der 10-Jahres-Grenze lagen. Im Verfahren 2 Ss 641/03 (Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Hamm vom 11.12.2003) ging es um Vorverurteilungen aus den Jahren 1997 und 1998. In jenem Fall war die 5-Jahres-Grenze des § 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG relevant, da zwischenzeitlich offenbar keine weiteren Eintragungen erfolgt waren. Hier dagegen betrug die Tilgungsfrist aufgrund der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG sogar fünfzehn Jahre.

2. Die Rüge, § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB sei auch deshalb verletzt, weil die Vorstrafen wegen Diebstahls trotz ihrer Andersartigkeit gegenüber dem erhobenen Vorwurf der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet nach dem Ausländergesetz strafschärfend berücksichtigt worden seien, geht ebenfalls fehl. Trotz mangelnder Einschlägigkeit der Diebstahlsvorstrafen zeigen diese nämlich, dass der Verurteilte sich über strafgerichtliche Warnungen hinwegsetzt und insgesamt aufgrund der Fülle der Vorstrafen eine gesteigerte Notwendigkeit besteht, auf ihn einzuwirken. Die Berücksichtigung ist deshalb nicht zu beanstanden.

3. Das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB ist ebenfalls nicht verletzt. Der Gesichtspunkt, dass der Angeklagte erneut in das Bundesgebiet einreiste und sich hartnäckig über das Verbot und gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzte, knüpft nämlich erkennbar an die mehrfach erfolgten Abschiebungen an und begründet deshalb keine Doppelverwertung der Einreise bzw. des Aufenthalts als solcher zum Nachteil des Angeklagten.

4. Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - nicht zu beanstanden, dass das Urteil nicht erkennen lässt, ob überhaupt die grundsätzliche Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung erwogen wurde und keine Darlegungen zur gemäß § 56 Abs. 2 StGB anzustellenden Gesamtwürdigung der entscheidungserheblichen Umstände erfolgt sind. Die Nichtgewährung der Strafaussetzung ist gem. § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO nämlich nur dann zu begründen, wenn damit ein - wenn auch nur hilfsweise - gestellter Aussetzungsantrag abgelehnt worden ist, was vorliegend nicht der Fall war, darüber hinaus nur dann, wenn eine Strafausset-zung nahe liegt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Rdnr. 23 zu § 267 m.w.N.). Dies ist auf-grund der Vorbelastungen des Angeklagten hier eindeutig ebenfalls nicht der Fall.

5. Grundsätzliche Bedenken bezüglich der Strafbarkeit nach §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 a und b, 8 Abs. 2 S. 1 AuslG wegen des Umstandes, dass der Verurteilte möglicherweise nach albanischem Recht mit einer Deutschen verheiratet ist und deshalb ein Aufent-haltsrecht haben könnte, bestehen nicht. Die Abschiebung des Angeklagten war vielmehr auch bei Unterstellung der Wirksamkeit der Ehe mit Frau Kohnert recht-mäßig, weil in der Person des Angeklagten aufgrund seiner Vorstrafen insbesondere nach dem Betäubungsmittelgesetz Ausweisungstatbestände nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG vorliegen, denen der besondere Ausweisungsschutz des § 48 AuslG wegen § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG i.V.m. § 47 Abs. 1 AuslG nicht entgegensteht.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.



Ende der Entscheidung

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