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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.06.2005
Aktenzeichen: 3 Ss 213/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 242
StGB § 248a
Zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der "Geringwertigkeit" einer Sache.
Beschluss

Strafsache

wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall u.a..

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden vom 6. Januar 2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 06. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch und hinsichtlich der Tat vom 17. August 2004 im Schuldspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Minden hat den Angeklagten - und mehrere Mittäter - durch das angefochtene Urteil vom 6. Januar 2005 des gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall und des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Minden vom 4. August 2004 - Az.: 12 Ls 45 Js 163/04 (81/04) Hw jug. - eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt.

Zur Sache hat das Amtsgericht die folgenden Feststellungen getroffen:

" 1.)

Am 09.08.2004 begaben sich die Angeklagten D. und S.L. sowie K.S. gegen 22.40 Uhr zum Gelände des Getränkehandels H., um dort gemeinsam Leergut zu stehlen. Das gesamte Gelände des Getränkehandels ist von einem ca. 2,50 Meter hohen Zaun aus Metallverstrebungen umgeben. Während der Angeklagte D.L. den Zaun zum Leergutlager überkletterte, um dort 4 - 6 Kisten Leergut zu stehlen, warteten seine Mittäter draußen, um das Leergut entgegenzunehmen. Noch bevor es zur Entwendung der Kisten kam, fühlten sich die Angeklagten jedoch durch den Inhaber des Getränkehandels gestört und flüchteten ohne Beute vom Tatort.

2.)

Am 17.08.2004 begaben sich die Angeklagten D.L. und A.D. gegen 20.55 Uhr erneut zum Gelände des Getränkehandels Hanning im Wiehenweg 3 in Lübbecke, um dort gemeinsam Leergut zu stehlen. Diesmal kletterte der Angeklagte D. über den Zaun, während der Angeklagte D.L. draußen stehen blieb und die Kisten entgegennahm, die der Angeklagten Donaiski herausreichte. Die Kosten wurden vom Angeklagten D.L. dort zunächst gestapelte. Auf diese Art und Weise verbrachten die Angeklagten D.L. und A.D. 20 Leergutkisten mit den dazugehörigen Flaschen, wobei die Kisten teilweise nicht vollständig mit Flaschen gefüllt waren, von dem Gelände des Getränkehandels. Nunmehr kletterte der Angeklagte A.D. zurück und die beiden Angeklagten begann, die Kisten gemeinsam zu dem Wall an der Bohlenstraße zu bringen, um sie dort zum Abtransport bereit zu stellen. Hierbei wurden sie jedoch von der Polizei gestellt. Die entwendeten 20 Leergutkisten hatten einen Pfandwert von jedenfalls deutlich über 50,00 Euro.

Zugunsten des Angeklagten ist das Gericht davon ausgegangen, daß der Angeklagte D.L. durch vorangegangenen Alkoholkonsum bei beiden Taten nur eingeschränkt in der Lage war, das Unrecht der Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Insofern hat das Gericht die Voraussetzungen des § 21 StGB als gegeben unterstellt."

Diese Feststellungen zum Tathergang hat das Amtsgericht ausweislich der Urteilsgründe aufgrund der vollumfänglich geständigen Einlassung der Angeklagten getroffen.

Zur Beweiswürdigung heißt es weitergehend u.a.:

"Die Feststellungen zum Pfandwert der entwendeten Kisten am 17.08.2004 ergeben sich aus der Menge der entwendeten Kisten. Allein der Pfandwert der Kisten selbst dürfte die Geringwertigkeitsgrenze von 50,00 Euro überschreiten, jedenfalls aber mit den in den Kisten befindlichen Flaschen ist die Grenze mit Sicherheit überschritten, selbst wenn man davon ausgeht, daß einige Kisten nicht vollständig gefüllt waren."

Wegen der Beweiswürdigung im Übrigen, der rechtlichen Würdigung, den Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere auch zu der einbezogenen Verurteilung vom 4. August 2004 einschließlich des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie zur Strafzumessung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt und das Rechtsmittel ebenso form- und fristgerecht durch seinen Verteidiger begründet. Die Revision begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an ein anderes Jugendschöffengericht. Zur Begründung erhebt die Revision mit näheren Ausführungen die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und hinsichtlich der Tat vom 17.08.2004 auch im Schuldspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden. Hinsichtlich der Tat vom 09.08.2004 ist der Schuldspruch des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden.

Der auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmenden Nachprüfung des angefochtenen Urteils halten die Feststellungen zur Tat vom 17.08.2004 nicht Stand. Sie tragen die Verurteilung wegen eines gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB nicht, denn den Feststellungen kann nicht mit der gebotenen Sicherheit entnommen werden, dass das Diebesgut den Pfandwert von 50,- € überschritt.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Betrag von 50,- € nach einhelliger Auffassung der Strafsenate des erkennenden Oberlandesgerichts unter Berücksichtigung der Kosten- und Preissteigerung der letzten Jahre als angemessener Grenzwert für die Geringwertigkeit angesehen werden muss (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.2003 - 3 Ss 526/03 -; Beschluss vom 28.07.2003 - 2 Ss 427/03 = NStZ 2003, 3145 m.w.N.). Eine Bestrafung aus dem Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt daher nur in Betracht, wenn sich die vorgenannte Tat auf eine nicht geringwertige Sache bezog; § 243 Abs. 2 StGB.

Soweit den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, dass der Angeklagte und seine Mittäter "20 Leergutkisten mit den dazugehörigen Flaschen, wobei die Kisten nicht vollständig mit Flaschen gefüllt waren" von dem Gelände des Getränkehandels verbrachten, folgt hieraus nicht ohne weiteres, dass die entwendeten 20 Leergutkisten einen Pfandwert "von jedenfalls deutlich über 50,- €" hatten, wie das angefochtene Urteil ausführt. Dies ergibt sich auch nicht aus der insoweit angestellten Beweiswürdigung, nach der allein der Pfandwert der Kisten die Geringwertigkeitsgrenze von 50,- € überschreiten dürfte, jedenfalls aber mit den in den Kisten befindlichen Flaschen, selbst wenn einige Kisten nicht vollständig gefüllt gewesen sein sollen. Aufgrund des Umstandes, dass weder die Art noch die Größe der Leergutkisten (etwa 6er, 10er, 12er, 20er, 24er oder andere Kisten) und der Flaschen (Glas- oder Kunststoffflaschen von etwa 0,2 - 2,0 l Volumen) in den Urteilsgründen mitgeteilt werden, ist bereits nicht nachvollziehbar, dass die Geringwertigkeitsgrenze jedenfalls überschritten ist, denn die Pfandwerte für Kisten und Flaschen schwanken nach Art und Größe erheblich.

Soweit es sich etwa um gängige Bierkisten mit 20 Flaschen oder Sprudel- bzw. Wasserkisten mit je 12 Glasflaschen gehandelt haben sollte, ergäbe sich entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts bei einem regelmäßigen Pfandwert von 1,50 € pro Kiste ein Wert von lediglich 30,- € für die Kisten statt der veranschlagten 50,- €. Bei vollständiger Füllung der Kisten, die jedoch gerade nicht festgestellt wurde, ergäbe sich ein weiterer Pfandwert von: bei Bier: 20 x 1,60,- € (0,08 € x 20) = 32,- € = insgesamt 62,- € Pfandwert bzw. bei Sprudel-/Wasserkisten von 20 x 1,80,- € (0,15 x 12) = 36,- € = insgesamt 66,- €.

Da es jedoch an der Mitteilung einer auch nur annäherungsweise bestimmten Angabe zum "teilweisen" Füllungszustand der Kisten fehlt, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass ein erheblicher Anteil der entwendeten Kisten, wenn auch nicht alle, leer waren, so dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Geringwertigkeitsgrenze der §§ 243 Abs. 2, 248 a StGB überschritten ist. Dies gilt, zumal es durchaus auch möglich erscheint, dass Kisten und Flaschen mit einem geringeren als dem gewöhnlichen Pfandwert zur Beute gehörten.

Dieser Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im tenorierten Umfang.

Der Senat hält ergänzende Feststellungen im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung, die Klarheit zur Höhe des Beutewertes erbringen, für möglich. Im Übrigen kam ein Absehen von der Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 354 Abs. 1 a StPO angesichts des im Hinblick auf die gravierenderen einbezogenen Taten nicht überhöht wirkenden Strafmaßes nicht in Betracht, weil der gemäß § 248 a StGB erforderliche Strafantrag des Geschädigten für eine Verurteilung gemäß § 242 StGB nicht gestellt worden ist und die Staatsanwaltschaft auch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei dieser Tat bisher nicht bejaht hat. Die bloße Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft kann zwar regelmäßig das besondere öffentliche Interesse der Verfolgungsbehörde zum Ausdruck bringen; vorliegend gilt dies jedoch deshalb nicht, weil die Staatsanwaltschaft bislang von einer von Amts wegen verfolgbaren Tat ausgegangen ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., Rdnr. 4 zu § 230). Das angefochtene Urteil war mithin wegen der Jugendeinheitsstrafe im Rechtsfolgenausspruch insgesamt und wegen der Tat vom 17.08.2004 auch im Schuldspruch aufzuheben und das Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.

Ende der Entscheidung

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