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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 3 Ss 235/09
Rechtsgebiete: StVG, FeV


Vorschriften:

StVG § 17
StVG § 21
FeV § 28
Die während des Laufs einer von einem deutschen Gericht verhängten Sperrfrist in der Polnischen Republik erworbene Fahrerlaubnis berechtigt den Betroffenen auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

Allein das Bestehen einer unklaren Rechtslage begründet nicht die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums.

In Fällen, in denen zum Tatzeitpunkt eine widersprüchliche Rechtsprechung gleichrangiger Gerichte zur Unrechtsfrage vorliegt, hängt die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums davon ab, ob der Betroffene die - möglicherweise verbotene - Handlung unterlassen muss, bis die Rechtslage geklärt ist.


Tenor:

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bünde hat den Angeklagten am 15. Oktober 2008 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Zugleich hat es die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils siedelte der Angeklagte 1996 in die Bundesrepublik Deutschland über, begründete hier dauerhaft seinen Wohnsitz und erwarb im Jahr 1997 die deutsche Fahrerlaubnis. In der Folge absolvierte er eine Ausbildung zum Kraftfahrer und zum Baugeräteführer. Nachdem er in Deutschland am 1. April 1999 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und im Jahr 1998 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden war, legte er am 16. April 1999 in Polen die Führerscheinprüfung für die Erlaubnisklassen A, B, C, D, BE, CE und DE ab. In der Bundesrepublik Deutschland trat der Angeklagte anschließend wegen weiterer Straßenverkehrsdelikte in Erscheinung. Mit Urteil vom 24. Juni 2003 verhängte das Amtsgericht Rhaden gegen ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von 8 Monaten an. Im Jahr 2004 wurde er wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr erstmals zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt unter gleichzeitiger Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr sechs Monaten. Zuletzt sprach ihn das Amtsgericht Rhaden mit Urteil vom 13. September 2005 des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig und erkannte gegen ihn auf eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen. In diesem Urteil setzte das Amtsgericht für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erneut eine isolierte Sperre von einem Jahr sechs Monaten fest.

Seither hat der Angeklagte - wie die Berufungskammer festgestellt hat - in Deutschland keinen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gestellt. Statt dessen erwarb er wiederum in Polen mit Datum vom 23. Januar 2007 einen Führerschein der Klassen A, B, CE und DE, während in der Bundesrepublik zu dieser noch die Führerscheinsperre aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Rhaden vom 13. September 2005 lief. Da dies Voraussetzung für den Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis war, hatte der Angeklagte seinen Aufenthalt am 26. Oktober 2006 formal in Polen, Westpommerischer X, angemeldet. Tatsächlich hatte er seinen Wohnsitz weiterhin in Deutschland.

Nach Ablauf der Sperrfrist nahm der Angeklagte in Deutschland mit dem polnischen Führerschein regelmäßig am Straßenverkehr teil. Er legte diesen auch bei polizeilichen Kontrollen vor, ohne dass es zu Beanstandungen kam.

Am 18. Mai 2007 ereignete sich die der Verurteilung zugrunde liegenden Tat. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Angeklagte am Tattag gegen 22.50 Uhr mit dem PKW der Marke P, amtliches Kennzeichen ######, unter anderem die R Straße in L. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht zum Führen des Kraftfahrzeugs berechtigt, weil er die dafür erforderliche gültige Fahrerlaubnis nicht besaß.

Wie das Landgericht ausgeführt hat, machte der Angeklagte selbst nach der Tat von dem polnischen Führerscheindokument Gebrauch. Auch den Erhalt der Anklage vom 16. Oktober 2007 nahm er nicht zum Anlass, sich bei der deutschen Fahrerlaubnisbehörde oder bei einer anderen fachkundigen Stelle nach dessen Gültigkeit zu erkundigen. Vielmehr arbeitete er als Berufskraftfahrer und führte Lastkraftwagen im Straßenverkehr. Im Herbst 2008 erhielt er unter Vorlage des polnischen Führerscheindokuments von der deutschen Fahrerlaubnisbehörde den für LKW-Fahrer erforderlichen Führerschein mit Chip-Karte.

Auf der Grundlage dieser - auf der geständigen Einlassung des Angeklagten beruhenden - Feststellungen hat die Kammer den Angeklagten eines Vergehens des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG für schuldig befunden. Die Einlassung des Angeklagten, auf die Gültigkeit der zuletzt in Polen erworbenen Fahrerlaubnis vertraut zu haben, hat es als einen den Vorsatz unberührt lassenden Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB gewertet. Unter Hinweis auf die Vorgeschichte des Angeklagten, die gegen ihn verhängten Fahrerlaubnissperren und die gesamten Umstände des Führerscheinerwerbs in Polen hat die Kammer die Auffassung vertreten, dass der Angeklagte sich vor der Teilnahme am deutschen Straßenverkehr nach seiner Fahrberechtigung aufgrund des polnischen Führerscheins hätte erkundigen müssen und die Unvermeidbarkeit des Irrtums verneint.

Gegen dieses dem Verteidiger des Angeklagten am 6. April 2009 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit am 4. März 2009 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. März 2009 Revision eingelegt und sein Rechtsmittel mit weiterem am 30. April 2009 eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage mit der - in allgemeiner Form erhobenen - Sachrüge begründet.

II.

Die rechtzeitig eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision des Angeklagten ist zulässig, erweist sich in der Sache aber als unbegründet.

Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.

1)

Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch und bilden für die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine ausreichende Grundlage.

Das Landgericht hat nach dem festgestellten Sachverhalt zu Recht angenommen, dass der Angeklagte am 18. Mai 2007 ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, ohne im Besitz einer in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Fahrerlaubnis im Sinne von § 21 Abs. 1 StVG zu sein.

a)

Im Tatzeitpunkt war der Angeklagte zunächst weder aufgrund seiner 1997 in Deutschland erteilten Fahrerlaubnis noch aufgrund des im Jahr 1999 in Polen erworbenen Führerscheins berechtigt, ein erlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug im Bundesgebiet zu führen. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Rhaden vom 24. Juni 2003 war seine deutsche Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 3 StGB erloschen. Im Hinblick auf den am 16. April 1999 von der polnischen Republik ausgestellten Führerschein spricht bereits viel dafür, dass dieser in Deutschland von vornherein nicht anerkennungsfähig war, weil der Erteilungszeitpunkt aufgrund der am 28. August 1998 und - kurz zuvor - am 1. April 1999 erfolgten Verurteilungen des Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr bzw. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Lauf einer strafgerichtlichen Sperrfrist fiel. Insoweit werden allerdings gegen den Angeklagten verhängte Führerscheinsperren in dem angefochtenen Urteil nicht mitgeteilt. Die Frage nach der Gültigkeit des "ersten" polnischen Führerscheindokuments kann letztlich aber dahin stehen. Im Tatzeitpunkt durfte der Angeklagte von diesem im Bundesgebiet jedenfalls keinen Gebrauch mehr machen. Da bei ausländischen Fahrerlaubnissen der Erteilungsakt des Ausstellerstaates nicht beseitigt werden kann, erlischt bei ihnen bereits kraft Gesetzes und ohne gesonderte Anordnung nach § 69 b Abs. 1 S. 1 StGB das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Dies gilt auch für Inhaber von EU-Fahrerlaubnissen (zu vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR., 40. Aufl., § 46 FeV, Rn. 13). Dementsprechend hatte der rechtskräftige Fahrerlaubnisentzug für den polnischen Führerschein des Angeklagten die Aberkennung des Rechts zur Folge, mit dieser Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen.

Nach Ablauf der zuletzt gegen ihn mit Urteil des Amtsgerichts Rhaden vom 13. September 2005 verhängten Sperrfrist von einem Jahr sechs Monaten lebten die zuvor erteilte Fahrerlaubnisse auch nicht wieder auf (vgl. allg. zu den Rechtsfolgen der Entziehung der Fahrerlaubnis: Fischer, StGB, 56. Aufl., § 69 b, Rn. 5 ff.). Vielmehr hätte der Angeklagte zunächst gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StVG die Neuerteilung einer deutschen Fahrerlaubnis oder nach § 28 Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 4 FeV die Berechtigung beantragen müssen, von seinem in Polen erworbenen Führerschein im deutschen Kraftverkehr wieder Gebrauch machen zu dürfen (vgl. zum Erfordernis einer positiven Zuerkennungsentscheidung der Verwaltungsbehörde: Dauer, a.a.O., § 28 FeV, Rn. 12). Dies hat er nach den Urteilsfeststellungen aber gerade nicht getan.

b)

In zutreffender Bewertung der Sach- und Rechtslage ist die Berufungskammer auch davon ausgegangen, dass sich für den Angeklagten zur Tatzeit eine Fahrberechtigung insbesondere nicht aus dem am 23. Januar 2007 in Polen erworbenen Führerschein ergab.

Nach Art. 1 Abs. 2 der EG-Führerschein-Richtlinie (91/439/EWG v. 29. Juli 1991 - zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 - Abl. L 284 v. 31. Oktober 2003 und neu gefasst durch die Richtlinie 2006/126/EG v. 20. Dezember 2006) sind die EU-Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich zur vorbehaltlosen gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen verpflichtet. Dieses Anerkennungsprinzip hat der Europäische Gerichtshof mehrfach in Entscheidungen (zu vgl. EuGH Urteil v. 29. Februar 1996 - C-193/94 "Skanavi und Chryssanthakopoulus"; Urteil v. 29. Oktober 1998 - C-230/97 "Awoyemi"; Urteil v. 29. April 2004 - C-476/01 "Kapper"; Beschluss v. 6. April 2006 - C-227/05 "Halbritter") zu Gunsten der Freizügigkeit, eines effektiven Binnenmarktes sowie zur Schaffung harmonisierter Mindeststandards herausgestellt und dahinter die Befugnisse der jeweiligen Mitgliedstaaten zurücktreten lassen. Dabei hat der EuGH deutlich gemacht, dass die Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Mindestvorgaben (Art. 7 EU-FSch-RiLi) ausschließlich in die Kompetenz des den Führerschein ausstellenden Staates fällt (zu vgl. Rechtssachen "Kapper", "Halbritter" a.a.O.; Beschl. v. 28. September 2006 - C-340/05 "Kremer"). Deshalb ist es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis von der Einhaltung der in seinem Hoheitsgebiet geltenden Führerscheinvorschriften, z.B. von strengeren ärztlichen Untersuchungen, abhängig zu machen. In Konsequenz hätte auch die deutsche Fahrerlaubnisbehörde dem Angeklagten die Fahrberechtigung aufgrund des polnischen Führerscheins nicht mit der Begründung versagen dürfen, dass er sich nach dem vorangegangenen Führerscheinentzug wegen mehrerer Trunkenheitsfahrten zunächst einer medizinisch-psychologischen Untersuchung hätte unterziehen müssen.

Diese mit § 28 Abs. 1 S. 1 FeV in nationales Recht umgesetzte Anerkennungspflicht der deutschen Fahrerlaubnisbehörde gilt nach Abs. 4 dieser Vorschrift (Art. 8 Abs. 4 EU-FSch-RiLi) jedoch nur eingeschränkt. Danach besteht aufgrund einer im Ausland erworbenen EU-Fahrerlaubnis eine Fahrberechtigung unter anderem dann nicht, wenn der Führerscheininhaber im Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte, § 28 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 7 FeV. Der Angeklagte hat vorliegend nach seiner eigenen Einlassung die gesamte Zeit über in Deutschland gewohnt und damit den polnischen Führerschein unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erworben. Obgleich es den deutschen Behörden nach der oben dargelegten Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich verwehrt ist, die Beachtung der Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen, hat der EuGH mittlerweile zur Bekämpfung eines "Führerscheintourismus" die Befugnisse der Mitgliedstaaten gestärkt. So besteht keine Anerkennungspflicht, wenn sich aus Angaben in dem ausländischen Führerschein selbst oder aus anderen vom Ausstellerstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten worden ist (EuGH, Urteile v. 26. Juni 2008 - C-334/06; C-335/06; C-336/06 "Wiedemann", "Zerche", "Funke"). Vorliegend lässt sich dies allein anhand des Führerscheindokuments und der polnischen Meldebescheinigung vom 26. Oktober 2006 nicht nachhalten. Ob eine Fahrberechtigung auch dann verneint werden kann, wenn der Betroffene - wie vorliegend - die Nichteinhaltung des Wohnsitzprinzips selbst einräumt, ist bislang noch nicht entschieden (zu vgl. Dauer, a.a.O., Rn. 6). Diese Frage liegt dem EuGH derzeit aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des VG N vom 23. September 2008 vor. Die Anwendbarkeit von § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV bedarf letztlich keiner abschließenden Entscheidung, denn im vorliegenden Fall greift jedenfalls der Ausschlussgrund des Abs. 4 Nr. 4.

Nach § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV kommt eine Fahrberechtigung denjenigen Inhabern einer EU-Fahrerlaubnis nicht zu, denen aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Diese Vorschrift betrifft die Fälle der sog. isolierten Sperrfrist gemäß § 69 a Abs. 1 S. 3 StGB (zu vgl. Dauer, a.a.O.; OLG Celle, Beschl. v. 1. Dezember 2008 - 32 Ss 193/08). Auch wenn diese Bestimmung in dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich genannt wird, hat die Kammer zu Recht darauf verwiesen, dass der Angeklagte die "zweite" polnische Fahrerlaubnis erworben hat, obwohl ihm aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zu dieser Zeit keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden durfte. So war gegen ihn zuletzt mit Urteil des Amtsgerichts Rhaden vom 13. September 2005 eine Sperrfrist von einem Jahr sechs Monaten angeordnet worden. Unbeschadet des in den Urteilsgründen nicht mitgeteilten Rechtskraftdatums folgt aus dem zeitlichen Zusammenhang, dass die Fahrerlaubnissperre zur Zeit der Erlaubniserteilung am 23. Januar 2007 noch nicht abgelaufen war. Zu keiner anderen Bewertung führt, dass sich die Tat vom 18. Mai 2008 und damit zu einem Zeitpunkt ereignete, zu dem die strafgerichtlich verhängte Sperrfrist bereits abgelaufen war. Für die Anerkennung der Gültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland kommt es nicht auf den Zeitpunkt ihrer "Benutzung", sondern auf den der Ausstellung an (zu vgl. Dauer, a.a.O., Rn. 8; OLG Stuttgart, Urteil v. 15. Januar 2007 - 1 Ss 560/06). Maßgeblich ist allein der in der Erlaubniserteilung liegende rechtsbegründende Verwaltungsakt. Dieser kann nachträglich nicht durch den zeitlichen Wegfall der Gründe, die zu seiner Nichtigkeit geführt haben, Wirksamkeit erlangen (zu vgl. OLG Stuttgart a.a.O.).

Zur Tatzeit wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings kontrovers beurteilt worden, ob ausländische EU-Führerscheine im Interesse der Freizügigkeit auch dann anerkannt werden müssen, wenn ihre Ausstellung in den Lauf einer Sperrfrist fiel (zu vgl. Dauer, a.a.O., Rn. 7 ff.). Während diese Frage zum Teil verneint wurde (zu vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OVG Koblenz in ZfS 2006, 593), vertraten mehrere Oberlandesgerichte die Ansicht, dass während einer Sperrfrist im EU-Ausland ausgestellte Führerscheine jedenfalls nach Ablauf der Sperre zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigen (zu vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14. März 2006 - 1 Ss 146/05; OLG Nürnberg in NStZ-RR 2007, 269; OLG München in NJW 2007, 1152; OLG Bamberg in NStZ-RR 2008, 77). Die eine Anerkennungspflicht bejahende Auffassung ist nunmehr durch die Rechtsprechung des EuGH überholt. Mit dem von der Kammer in Bezug genommenen Beschluss vom 3. Juli 2008 (C-225/07 "Möginger") sowie mit den Urteilen vom 26. Juni 2008 (Rechtssachen "Wiedemann" und "Zerche", a.a.O.) hat der EuGH ausdrücklich entschieden, dass ausländische EU-Führerscheine - auch nach Ablauf der Sperrfrist - nicht anzuerkennen sind, wenn zum Zeitpunkt der Neuerteilung eine im Inland verhängte Sperrfrist noch nicht abgelaufen war. Anderenfalls würde die zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr den Mitgliedstaaten in Art. 8 Abs. 4 EU-FSch-RiLi eingeräumte Befugnis, von einer Anerkennung abzusehen, jeder Inhalt genommen (zu vgl. EuGH, a.a.O.). Laut Rechtsprechung des EuGH ist damit in einer solchen Fallkonstellation - wie der vorliegenden - die innerstaatliche Regelung des § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Demnach war der Angeklagte aufgrund des am 23. Januar 2007 in Polen ausgestellten Führerscheins zur Teilnahme am deutschen Kraftfahrzeugverkehr nicht gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 FeV berechtigt. Diese Rechtsfolge ergab sich direkt aus dem Gesetz, so dass es zuvor keines konstitutiv wirkenden Verwaltungsaktes der Fahrerlaubnisbehörde bedurfte (zu vgl. Dauer, a.a.O., Rn. 12). Zur Tatzeit verfügte er damit nicht über eine im Bundesgebiet gültige Fahrerlaubnis.

c)

Darüber hinaus lassen auch die Feststellungen des angefochtenen Urteils zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 StVG keinen revisiblen Mangel erkennen. Die Kammer hat mit zutreffenden Erwägungen ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten bejaht. Der Angeklagte wusste, dass er im Tatzeitpunkt keine gültige deutsche Fahrerlaubnis mehr besaß und dass er den polnischen Führerschein vom 23. Januar 2007 erworben hatte, während gegen ihn in der Bundesrepublik Deutschland eine Führerscheinsperre lief. Sofern er sich dahin eingelassen hat, gleichwohl auf die Wirksamkeit der polnischen Fahrerlaubnis vertraut zu haben, hat die Kammer zu seinen Gunsten einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB angenommen (vgl. zur Ablehnung eines Verbotsirrtums OLG O 2. Strafsenat, Beschluss v. 15. Mai 2007 - 2 St OLG Ss 50/07).

Die Unvermeidbarkeit des Irrtums hat die Kammer zu Recht verneint. Der Umstand, dass die polnische Fahrerlaubnis bei polizeilichen Kontrollen unbeanstandet geblieben ist, konnte bereits unter Berücksichtigung der geringen Zeitspanne zwischen dem denkbar frühesten Ablauf der Sperrfrist am 12. März 2007 und dem Tatzeitpunkt am 18. Mai 2007 keinen Vertrauenstatbestand schaffen; zumal den kontrollierenden Polizeibeamten der frühere Fahrerlaubnisentzug und die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten nicht zwangsläufig bekannt gewesen seien müssen. Ebenso kann sich der Angeklagte mit Erfolg weder auf die (erst) im Zuge des Strafverfahrens von ihm eingeholte Auskunft der polnischen Fahrschule und die von dieser bestätigte Gültigkeit der Fahrerlaubnis noch darauf berufen, dass die deutsche Fahrerlaubnisbehörde im Herbst 2008 auf der Grundlage seiner polnischen Fahrerlaubnis einen Führerschein mit Chipkarte ausgestellt habe. Beides ist für seine Unrechtseinsicht zur Tatzeit ohne Belang. Auch wenn die Kammer bei der Annahme einer Erkundigungspflicht des Angeklagten unberücksichtigt gelassen hat, dass zur Tatzeit - wie oben aufgezeigt - die obergerichtliche Rechtsprechung uneinheitlich und dementsprechend keine eindeutige Auskunft zur Frage der Gültigkeit einer während einer Sperrfrist ausgestellten ausländischen EU-Fahrerlaubnis zu erwarten war, führt dies bei der Vermeidbarkeitsbetrachtung zu keinem anderen Ergebnis. Allein das Bestehen einer unklaren Rechtslage kann hier nicht die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums begründen.

In Fällen, in denen zum Tatzeitpunkt eine widersprüchliche Rechtsprechung gleichrangiger Gerichte zur Unrechtsfrage vorliegt, ist es eine Frage der Zumutbarkeit, ob der Betroffene die - möglicherweise verbotene - Handlung unterlassen muss, bis die Rechtslage geklärt ist (zu vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 17, Rn. 21 m.w.N.; Vogel in LK, StGB, 12. Aufl., § 17, Rn. 68 m.w.N.; OLG Stuttgart in NJW 2008, 243; OLG Celle, a.a.O.). Bei der Frage der Zumutbarkeit des Zuwartens sind das Interesse des Einzelnen an der Vornahme der fraglichen Handlung und das Interesse der Allgemeinheit am Unterlassen dieser Handlung gegeneinander abzuwägen und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (zu vgl. Vogel in LK, a.a.O.; OLG Stuttgart u. OLG Celle, a.a.O.).

Diese Abwägung führt hier dazu, dass der Angeklagte zunächst auf das Führen von Kraftfahrzeugen hätte verzichten müssen. Insoweit mussten sich zu seinen Lasten maßgeblich seine "Führerschein-Vorgeschichte", die gegen ihn angeordneten Führerscheinsperren sowie die gesamten Umstände des Führerscheinerwerbs in Polen auswirken. Der Angeklagte ist - wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist - seit 1998 mehrfach wegen Trunkenheit im Straßenverkehr sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Aufgrund dessen hatte er seinen deutschen Führerschein verloren und unterlag in der Bundesrepublik wiederholt strafgerichtlichen Führerscheinsperren. Die polnische Fahrerlaubnis erwarb er am 23. Januar 2007 während des Laufs einer solchen Sperrfrist. Nach den getroffenen Urteilsfeststellungen umging er dabei gezielt das Wohnsitzerfordernis, indem er nur vorgeblich seinen Aufenthalt in Polen anmeldete, während sein Wohnsitz sich tatsächlich in Deutschland befand. Wie der Angeklagte eingeräumt hat, erfolgte die Aufenthaltsanmeldung nur zum Zwecke der Fahrerlaubniserteilung. Dies zeigt aber mehr als deutlich, dass der Erwerb des Führerscheins in Polen und dessen Verwendung in Deutschland nichts mit der durch Art. 1 Abs. 2 EU-FSch-RiLi gewährleisteten Freizügigkeit und der Wahrnehmung von Grundfreiheiten zu tun hatte. Der Angeklagte hat sich im Gegenteil - im Rahmen eines klassischen "Führerscheintourismus" - bewusst nach Polen begeben und dort unter Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Wohnsitzerfordernis und unter Umgehung der deutlich strengeren deutschen Ausstellungsvoraussetzungen eine Fahrerlaubnis erworben. Unter diesen Umständen durfte er aber nicht auf deren Gültigkeit vertrauen. Eine andere Interessengewichtung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Angeklagte als Berufskraftfahrer auf seinen Führerschein angewiesen ist. Er war in Deutschland seit dem Urteil des Amtsgerichts Rhaden vom 24. Juni 2003 bis zum 12. März 2007 nahezu durchgehend mit einer Sperrfrist belegt und kannte die Rechtswidrigkeit des Führerscheinerwerbs in Polen. Als weiteres entscheidendes Abwägungskriterium kommt hier vor allem das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs hinzu. Der Angeklagte wurde in der Vergangenheit allein drei Mal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr belangt. Unter Berücksichtigung seiner dadurch dokumentierten Alkoholauffälligkeit und Unzuverlässigkeit erscheint seine Eignung als Kraftfahrer gerade in dem gefahrenträchtigen Güterverkehr mehr als zweifelhaft. Die beruflichen Interessen des Angeklagten haben deshalb hinter dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit zurückzustehen. In der Gesamtschau war es ihm durchaus zumutbar, von dem Führen eines Kraftfahrzeugs abzusehen.

2)

Letztlich ist auch gegen den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils rechtlich nichts zu erinnern.

Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Kammer diese dem Normalstrafrahmen des § 21 StVG entnommen und mit Blick auf die Vorverurteilungen des Angeklagten und die gesamten Umstände des Fahrerlaubniserwerbs eine Milderung des Strafrahmens gemäß den §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat. Die Darlegungen der Kammer genügen den Begründungsanforderungen, die gemäß § 47 StGB an die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zu stellen sind und lassen auch bezüglich der herangezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die verhängte Bewährungsstrafe von fünf Monaten ist der Höhe nach angemessen. Unter Berücksichtigung der zum Teil einschlägigen Vorbelastungen des Angeklagten begegnet auch die nach den §§ 69 Abs. 1, 69 a StGB angeordnete Sperrfrist von noch 24 Monaten für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken.

III.

Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 lit. B i.V.m. Abs. 3 EGV sind nicht gegeben. Die vorliegend relevanten Rechtsfragen sind durch die oben zitierten Entscheidungen des EuGH bereits geklärt (Rechtssachen "Möginger", "Wiedemann" und "Zerche", a.a.O.).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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