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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 3 Ss 246/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 23 Abs. 2
StGB § 24
StGB § 46
StGB § 49 Abs. 1
Es ist rechtsfehlerhaft, die Strafrahmenverschiebung beim Versuch gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nur deswegen abzulehnen, weil die Nichtvollendung der Tat "nicht der Verdienst des Angeklagten" ist.
Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch wie folgt aufgehoben:

a) Im Einzelstrafausspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Herford hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Einzelstrafen betrugen 11 Monate Freiheitsstrafe für den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und 1 Jahr 9 Monate für die zweite Tat.

Der Verurteilung liegen folgende Taten zu Grunde: Nach einem Betäubungsmittelgeschäft des Angeklagten zusammen mit dem Geschädigten und einem weiteren Beteiligten, bei dem letztere nach Erwerb des Betäubungsmittel gefasst wurden und der Angeklagte so sein eingesetzes Geld verloren hatte, ohne in den Besitz des Betäubungsmittels zu gelangen, versuchte dieser am 06.08.2007 vom Geschädigten N unter Anwendung von Fausthieben, Fesselung und Drohungen "sein Geld" wieder zu erlangen. Dieser versprach ihm, noch am Abend des Tages zumindest 100 Euro zu übergeben, worauf der Angeklagte sich ein- und den Geschädigten freiließ. Zur Geldübergabe kam es nicht mehr, weil der Geschädigte den Angeklagten bei der Polizei anzeigte.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründeten Revision ausschließlich gegen den Einzelstrafausspruch wegen der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung sowie gegen den Gesamtstrafenausspruch.

II.

Das zulässigerweise beschränkte Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Die Revisionsbeschränkung ist nicht deswegen unwirksam, weil hinsichtlich der tateinheitlich zur versuchten räuberischen Erpressung abgeurteilten Körperverletzung ein Strafantrag nach § 230 StGB nicht gestellt wurde. Insoweit wurde jedenfalls konkludent durch die Anklageerhebung - auch wegen vorsätzlicher Körperverletzung - das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft bejaht (vgl. dazu Fischer, StGB 55. Aufl. § 230 Rdn. 4).

1.

Die Strafzumessungserwägungen hinsichtlich der Einzelstrafe für die versuchte räuberische Erpressung halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat dem Angeklagten die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB mit folgender Begründung verweigert:

"Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB ist nach Überzeugung des Gerichts hier ebenfalls nicht angezeigt. Die Tat ist im Versuchsstadium stecken geblieben. Es ist indessen nicht das Verdienst des Angeklagten, sondern allein auf die Strafanzeige des Zeugen N zrückzuführen, dass es zur Zahlung des geforderten Geldbetrages und damit zur Tatvollendung nicht gekommen ist."

Insoweit hat das Amtsgericht verkannt, dass wenn die Nichtvollendung der Tat ein Verdienst des Angeklagten gewesen wäre, er also freiwillig die Ausführung der Tat aufgegeben hätte, er aufgrund des dann gegebenen Rücktritts (§ 24 StGB) nicht wegen versuchter räuberischer Erpressung (sondern dann nur wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung) zu verurteilen gewesen wäre (vgl. näher: BGH StV 1985, 411).

Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft vermag der Senat aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils nicht hinreichend zu entnehmen, dass der Tatrichter durch die gewählte Formulierung nur auf die große Nähe zur Tatvollendung hinweisen wollte (was rechtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre) und für diesen - wie an anderer Stelle im Urteil ausgeführt - die "rücksichtslose Vorgehensweise von erheblicher krimineller Energie, die an rohe, demütigende Folter- und Hinrichtungsszenarien erinnert und sich offenbar an "Vorbilder" aus unter jungen Menschen hinlänglich verbreitenden Gewaltvideofilmen" anlehne, maßgeblich sei. Es kann dahinstehen, ob nicht die straferschwerende Berücksichtigung rücksichtslosen Vorgehens bei einer vorsätzlichen Körperverletzung für sich genommen schon rechtsfehlerhaft ist (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedenfalls stehen diese Ausführungen im Zusammenhang der konkreten Strafzumessung innerhalb des gewählten Strafrahmens und nicht im Zusammenhang mit seiner Bestimmung.

Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch. Es ist zwar hier durchaus naheliegend, bei der erforderlichen Gesamtschau der Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters, insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe zur Tatvollendung und der Gefährlichkeit des Versuchs (es wurden tateinheitlich zwei andere Straftatbestände verwirklicht) dem Täter die Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht zu gewähren. Zwingend ist dies aber nicht, so dass der Senat nicht ausschließen kann, dass das Amtsgericht bei rechtsfehlerfreier Bewertung der relevanten Umstände zu einer dem Angeklagten günstigeren Strafrahmenverschiebung gelangt wäre.

2.

Da eine Einzelstrafe (und zwar die Einsatzsstrafe) keinen Bestand hat, unterlag auch die Gesamtstrafe der Aufhebung.

3.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass moralisierende Strafzumessungserwägungen in den schriftlichen Urteilsgründen geeignet sein können, den Bestand eines Urteils zu gefährden (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 195) und jedenfalls dann unterbleiben sollten, wenn sie - wie hier bezüglich des "Vorbildes" von Gewaltvideofilmen - durch keinerlei Tatsachen belegt sind.

Ende der Entscheidung

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