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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 3 Ss 250/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 200
StPO § 328
Hat der Amtsrichter das Verfahren zu Unrecht wegen eines Verfahrenshindernisses durch Urteil eingestellt, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Beschluss

Strafsache

hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 15.07.2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der II. kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold vom 15. April 2009 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 07. 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Detmold hat am 09.09.2008 Anklage gegen den Angeklagten erhoben. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, am 11.06.2008 in Bad Salzuflen mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben zu haben. In der Konkretisierung heißt es weiter: "Der Angeschuldigte konnte am Tattage durch ermittelnde Kriminalpolizei auf frischer Tat dabei angetroffen werden, als er vier Päckchen Kokain sowie zwei Mobiltelefone und 130 Euro Bargeld bei sich führte. Das Kokain war zum Weiterverkauf bestimmt, das sichergestellte Bargeld stammte aus Drogengeschäften. Die Handys wurden zur Abwicklung seiner Drogengeschäfte eingesetzt."

Mit Beschluss vom 23.10.2008 hat das Amtsgericht Lemgo die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit dem auf die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ergangenen Urteil vom 18.12.2008 hat es dann das Verfahren "gem. § 206a StPO eingestellt", weil die Anklageschrift den Anklagevorwurf nicht trage. Es sei nicht ersichtlich, wann, wo und an wen der Angeklagte Kokain verkauft habe, so dass ihm keine ordnungsgemäße Möglichkeit der Verteidigung gegeben sei.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung das amtsgerichtliche Einstellungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Lemgo zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision mit der er die Einstellung des Verfahrens "gem. § 206a StPO" beantragt.

II.

1. Der Senat legt die Revisionsbegründung als Rüge der Verletzung des § 260 Abs. 3 StPO (i.V.m. § 328 StPO) aus. Es wird zwar weder die Verletzung materiellen Rechts gerügt noch ausdrücklich eine Verfahrensrüge erhoben. Vielmehr wird allein die Einstellung des Verfahrens gem. § 206a StPO beantragt und dieser Antrag begründet. Aus dem Gesamtzusammenhang der Revisionsbegründung vermag der Senat aber noch die Rüge der Verletzung der o.g. Vorschriften zu erblicken. Der Sache nach beanstandet der Angeklagte, dass das Landgericht kein Verfahrenshindernis wegen zu unbestimmter zugelassener Anklage angenommen und es nicht bei der Einstellungsentscheidung des Amtsgerichts belassen hat. Letztere erfolgte allerdings nicht auf der Grundlage des § 206a StPO durch Beschluss, sondern auf der Grundlage des § 260 Abs. 3 StPO nach Hauptverhandlung durch Urteil.

2. Die Revision ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

a) Es kann dahinstehen, ob die o. g. Verfahrensrüge ordnungsgemäß i.S.v. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhoben wurde, da sich alle für die Beurteilung der gerügten Gesetzesverletzung notwendigen Umstände aus dem angefochtenen Urteil ergeben (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 17.02.2009 - 3 Ss 67/09 = BeckRS 2009, 09690).

b) Ein Verfahrenshindernis wegen durchgreifender Mängel der zugelassenen Anklageschrift besteht nicht. Ein solches Verfahrenshindernis wird angenommen, wenn die Anklageschrift nicht mehr die ihr zukommende Umgrenzungsfunktion erfüllt. Danach muss die Anklageschrift den zu Aburteilung gestellten Sachverhalt unverwechselbar umschreiben (vgl. Schneider in KK-StPO 6. Aufl. S 200 Rdn. 1, 30 ff. m.w.N.; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. S 200 Rdn. 2, 7). Eine Anklage, die lediglich die Informationsfunktion im weiteren Sinne, jenseits der unerlässlichen Deskription des Tatgeschehens, nicht erfüllt, ist nicht unwirksam (Schneider KK-StPO a.a.O. Rdn. 34 m.w.N.). Um ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche Tat gemeint ist. Sie muss sich von anderen gleichartig gelagerten strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden (BGH NSIZ 1995, 245; OLG Zweibrücken Beschl. v. 13.06.2008 - 1 Ss 70108 juris; vgl. auch OLG Düsseldorf Beschl. v. 21 .01.1998 - 5 SsOWi 372197 juris).

Diesen Anforderungen wird die Anklageschrift in vorliegendem Verfahren gerecht. Sie benennt den Täter sowie Tag und Ort der Tat. Sie enthält Angaben zur Art des Betäubungsmittels sowie Angaben zu dessen Verpackung und Stückelung sowie zu weiteren Tatmodalitäten. Damit wird ein unverwechselbarer historischer Vorgang zur gerichtlichen Aburteilung gestellt. Ob sich aus der Anklageschrift möglicherweise keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Handeltreiben i. S. v. § 29 Abs. 1l Nr. 1 BtMG ergeben, kann der Senat dahinstehen lassen, denn das führt nicht zur Unwirksamkeit der Anklage, was sich schon aus den §§ 204, 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO ergibt. Danach ist in solchen Fällen eine Einstellung nicht vorgesehen. Vielmehr müsste das Gericht im Zwischenverfahren die Eröffnung ablehnen, wenn es keinen hinreichenden Tatverdacht sieht, weil es das angeklagte Verhalten nicht für strafbar hält, oder es müsste im Eröffnungsbeschluss darlegen, wenn es das angeklagte Verhalten zwar für strafbar aber unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als in der Anklage aufgeführt hält. Entsprechendes gilt auch für die Hauptverhandlung, in der dann ein rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO zu erteilen wäre. Hier war es so, dass sich aus dem angeklagten Verhalten jedenfalls eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ergeben könnte. Die fehlende Angabe von Menge und Qualität des Betäubungsmittels beeinträchtigt die Wirksamkeit der Anklage nicht. Der Strafgrund, dass der Angeklagte überhaupt solche besessen haben soll, lässt sich der Konkretisierung entnehmen. Menge und Qualität sind für die Strafzumessung relevant, müssen also nicht zwingend - bei ansonsten genügenden die Tat individualisierenden Angaben - in der Konkretisierung stehen. Dies alles hat das Landgericht zutreffend erkannt und dementsprechend ein Verfahrenshindernis verneint.

c) Zutreffend hat das Landgericht auch das amtsgerichtliche Einstellungsurteil aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Lemgo zurückverwiesen. Zwar ist in § 328 StPO eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht nicht vorgesehen. Nach allgemeiner Ansicht kann jedoch in den Fällen, in denen das Amtsgericht - wie hier - keine Verhandlung zur Sache durchgeführt hat, dennoch eine Zurückverweisung erfolgen. Dies war bis zur Neufassung des § 328 StPO im Jahre 1987 unbestritten. Die Neufassung, in der die Zurückverweisungsmöglichkeit nicht mehr enthalten ist, beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass Verfahrensfehler der ersten Instanz bedeutungslos seien, was aber, wenn gerade keine Sachentscheidung getroffen wird - nicht zutrifft. Für die Notwendigkeit einer Zurückverweisung spricht zudem, dass dem Angeklagten in allen Verfahren, die vor das Amtsgericht gebracht werden, zwei Tatsacheninstanzen zu stehen. Dieser Instanzenzug würde durchbrochen, wenn das Berufungsgericht an einer Zurückverweisung in Fällen wie dem vorliegendem gehindert wäre und erstmals in der Sache entscheiden müsste (vgl. BGH Beschl. v. 14.03.1989 - 4 StR 558/88 - juris; BayObLG Beschl. v. 02.02.1999 - 1 StRR T t99 -juris; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 208; OLG Koblenz NStZ 1990, 296; OLG Stuttgart NStZ 1995, 301 ; Meyer-Goßner StPO 51 . Aufl. S 328 Rdn. 4).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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