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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 3 Ss 267/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 244
StPO § 344
Wird die Einholung einer amtlichen Auskunft beantragt, handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, da die Einholung einer amtlichen Auskunft kein Strengbeweismittel im Sinne der StPO darstellt.
Beschluss

Strafsache

gegen H.D.

wegen Beleidigung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 10.02.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 11. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

1. Soweit mit der Revision gerügt wird, in der Berufungshauptverhandlung sei der Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 02.12.2004 nicht vollständig umgesetzt worden, die auf Antrag beschlossene Beweiserhebung sei nur insoweit ausgeführt worden, als der benannte Zeuge B. vernommen worden sei, dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Einholung einer schriftlichen Auskunft der Polizei und der Feuerwehr in Essen sei aber nicht nachgekommen worden, ist die erhobene Verfahrensrüge einer fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 StPO gebotenen Form ausgeführt worden. Denn es wird der Inhalt des die Beweiswürdigung anordnenden Beschlusses nicht mitgeteilt. Ohne diese Mitteilung vermag der Senat aber nicht zu überprüfen, ob der ergangene Beweisbeschluss - wie behauptet - nicht vollständig ausgeführt worden ist und ob er sich insbesondere auch auf die beantragte Auskunft bezogen hat. Will der Rechtsmittelführer eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen, so muss er die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH NJW 1995, 2047).

Im Übrigen handelte es sich bei dem Antrag des Angeklagten, eine schriftliche Auskunft darüber einzuholen, "ob die Zeugin A." nach der Tat die Polizei oder die Feuerwehr in Essen angerufen habe", nicht um einen Beweisantrag, sondern um einen Beweisermittlungsantrag, da, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme bereits zutreffend ausgeführt hat, keine bestimmte Beweistatsache behauptet wird. Darüber hinaus handelte es sich auch deshalb nicht um einen Beweisantrag, weil die Einholung einer amtlichen Auskunft kein Strengbeweismittel im Sinne der StPO darstellt. Die Einholung amtlicher Auskünfte ist vielmehr ein Mittel des Freibeweises (vgl. BVerwG, NVwZ 1986, 35); Senatsbeschluss vom 22.09.2005 - 3 Ss 384/05). Die unterbliebene Einholung der beantragten Auskunft kann daher nur mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO beanstandet werden. Diese Rüge ist aber nicht in der gebotenen Form begründet worden. Es wird nämlich nicht ausgeführt, warum sich das Gericht nach der erfolgten Vernehmung des Zeugen Bauerndick, deren Inhalt nicht mitgeteilt wird, noch zu weiteren Ermittlungen in Bezug auf die Frage, ob die Zeugin A. nach dem hier in Rede stehenden Geschehen einen Notruf bei der Polizei oder Feuerwehr getätigt hat, hätte gedrängt sehen sollen, zumal der Verteidiger des Angeklagten weder nach der Vernehmung des vorgenannten Zeugen noch in dem darauf folgenden weiteren Hauptverhandlungstermin - trotz bisher nicht erfolgter Einholung der beantragten Auskunft - einen entsprechenden Beweisermittlungsantrag erneut gestellt hatte.

Bloße Beweisanregungen und Beweisermittlungsanträge müssen entgegen der Ansicht der Revision auch nicht durch einen Gerichtsbeschluss förmlich entschieden werden (vgl. BGH NStZ 1982, 296; 477).

2. Soweit mit der weiteren Aufklärungsrüge die unterbliebene Vernehmung des Verteidigers des Angeklagten als Zeuge zu dem späteren Vorfall vom 21.12.2004 zwischen dem Angeklagten und der Zeugin A. vor deren Friseursalon beanstandet wird, bestehen bereits deshalb Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, weil nicht nachvollziehbar ist, warum sich das Landgericht zu dieser Vernehmung hätte gedrängt sehen müssen, obwohl ein entsprechender Beweisantrag weder durch den Angeklagten noch durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellt worden ist. Das weitere Vorbringen der Revision, die Vernehmung des Verteidigers, der bestätigen werde, dass die Zeugin A. bei dem vorgenannten späteren Vorfall den Angeklagten beleidigt habe, sei zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin A., die eine solche Beleidigung durch sie in Abrede gestellt habe, erforderlich gewesen, vermag der Rüge ebenfalls nicht zu einem Erfolg zu verhelfen, da dieser Vortrag nur mittels einer - in der Revisionsinstanz unzulässigen - Rekonstruktion der Beweisaufnahme überprüft werden könnte.

Jedenfalls ist der Rüge aber deshalb kein Erfolg beschieden, weil das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Vernehmung des Verteidigers des Angeklagten nicht beruht.

Die Strafkammer hat sich in den Urteilsgründen eingehend mit der Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. auseinandergesetzt und hat ihre Überzeugung von der Richtigkeit der Aussage der Zeugin maßgebend darauf gestützt, dass diese den Angeklagten vor dem Vorfall nicht gekannt habe und dass es außerhalb der Lebenserfahrung liege, dass sich die Zeugin, obwohl nichts passiert sei, die Mühe mache, in den frühen Morgenstunden zur Polizei zu gehen und gegenüber einem unbekannten Mann eine Strafanzeige zu erstatten. Dieser überzeugende und gewichtige Gesichtspunkt verliert seine Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin in Bezug auf das hier in Rede stehende Tatgeschehen ersichtlich nicht dadurch, dass die Zeugin möglicherweise hinsichtlich ihres Verhaltens bei einem späteren Vorfall unzutreffende Angaben gemacht hat, zumal es sich bei dem späteren Geschehen um einen völlig anders gelagerten Sachverhalt gehandelt hat. Davon ist auch die Strafkammer ausgegangen, die durchaus die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass die Zeugin bei dem Geschehen am 21.12.2004 ihrerseits den Angeklagten beleidigt haben könnte. Ein solches Verhalten wäre aber nach der Auffassung der Strafkammer auf eine verständliche und nachvollziehbare Erregung der Zeugin nach einer vorangegangenen Provokation durch den Angeklagten durch die Erstellung der Fotoaufnahmen zurückzuführen und ließe daher nicht den Rückschluss darauf zu, dass die Zeugin in Bezug auf das hier in Rede stehende Tatgeschehen die Unwahrheit gesagt haben könnte. Angesichts dessen schließt es der Senat aus, dass die Strafkammer zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn sie nach einer erfolgten Vernehmung des Verteidigers des Angeklagten sowie der Zeugin A. zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die Zeugin in Bezug auf ihr eigenes Verhalten bei diesem Geschehen nicht die volle Wahrheit gesagt habe.

3. Die Rüge einer Verletzung des § 395 Abs. 1 Nr. 1 b StPO durch die Zulassung der Zeugin A. als Nebenklägerin ist unbegründet. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen unter II. (S. 3 und 4) in seinem Beschluss vom 16.03.2005, mit dem die Beschwerde des Angeklagten gegen die Zulassung der Nebenklage als unbegründet verworfen worden ist.

4. Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des § 397 a Abs. 1 StPO kann es dahingestellt bleiben, ob diese Rüge in zulässiger Form erhoben worden ist. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Denn es kann ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil auf der beanstandeten Beiordnung von Rechtsanwalt W. als Nebenklägervertreter beruht. Rechtsanwalt W. hat lediglich an einer Hauptverhandlung teilgenommen, in der er keine Anträge gestellt hat. Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht entnehmen, dass sich die Strafkammer das Vorbringen des Bevollmächtigten der Nebenklägerin in seinem Schriftsatz vom 28.01.2005, der Angeklagte habe sich "hartnäckig und unbelehrbar" gezeigt, und ein "Paparazziverhalten" an den Tag gelegt, zu eigen gemacht hat. Vielmehr beruhen die Feststellungen der Strafkammer, dass sich die Zeugin A. aufgrund der Fotoaufnahmen, die der Angeklagte vor ihrem Friseursalon gemacht habe, in erheblicher Erregung befunden habe, auf den Bekundungen der Zeugin A. sowie auf der Einlassung des Angeklagten, der nach den Urteilsgründen selbst angegeben hat, dass er Fotoaufnahmen in den Friseursalon der Zeugin hinein gemacht habe, wodurch diese in Wut geraten sei.

Der Beweisantrag auf Ladung der Zeugin U. aus dem Schriftsatz vom 28.01.2005 ist in der Hauptverhandlung nicht gestellt worden. Dem schriftlichen Antrag ist die Strafkammer nicht nachgekommen.

5. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht hat Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen werden.

Die Revision war daher entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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