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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 3 Ss 328/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 69
Zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Verurteilung wegen gewerbsmäßgen Diebstahls.
Beschluss

Strafsache

gegen A.B.

wegen gewerbsmäßigen Diebstahls

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21.05.2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 08. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht teilweise auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der weitergehenden Revision im Ausspruch über die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ferner hat es den Führerschein des Angeklagten eingezogen, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte zunächst mit am 25.05.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Urteilszustellung am 08.06.2004 mit am 15.06.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz des Verteidigers als Revision bezeichnet und das Rechtsmittel gleichzeitig auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen war sie unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im Übrigen hat nämlich keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis konnte dagegen keinen Bestand haben. Dabei kann offen bleiben, ob für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB wegen einer Straftat aus dem Bereich der sogenannten allgemeinen Kriminalität ein verkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang ausdrücklich festgestellt werden muss (so BGH - 4. Strafsenat - Beschluss vom 05.11.2002, NStZ-RR 2003, 74; OLG Hamm - 2. Strafsenat - Beschluss vom 22.05.2003 - 2 Ss 272/03 OLG Hamm; anderer Auffassung dagegen BGH - 1. Strafsenat - Beschluss vom 14.05.2003, NStZ 2003, 658). Erforderlich für die Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei Nicht-Katalogtaten i.S.v. § 69 Abs. 1 StGB ist nämlich in jedem Fall eine auf die Beurteilung der Eignung zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung abstellende Gesamtwürdigung, die sich insbesondere auch damit zu befassen hat, ob bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung weitere Umstände hinzutreten, die die Indizwirkung der Tat zu entkräften oder gar zu widerlegen vermögen (BGH, NStZ 2003, 658, 660; BGH NStZ-RR 2003, 74, 75). Dies hat das Amtsgericht an sich auch nicht verkannt und zur Begründung der Maßregel ausgeführt, dass der Umstand, dass zwischen den Taten und der jetzigen Entscheidung ein längerer Zeitraum liegt, der Maßregel nicht entgegenstehe, da die Straftaten der Drogensucht des Angeklagten entsprungen seien, die nach wie vor anhalte. Insoweit sei davon auszugehen, dass der Angeklagte auch weiterhin charakterlich zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Zu beanstanden ist aber Folgendes:

Die letzte Tat, an der der Angeklagte beteiligt war, datierte vom 07.06.2003 und lag damit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts fast ein Jahr zurück.

Bei seiner Argumentation hat das Amtsgericht vor diesem Hintergrund nicht genügend berücksichtigt, dass Anlass für die Annahme der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten i.S.v. § 69 Abs. 1 StGB nicht seine Drogensucht, sondern der Umstand war, dass er sein Fahrzeug und seine Fahrerlaubnis gezielt dazu verwandt hatte, über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von gewerbsmäßigen Diebstahlstaten zu begehen, deren große Menge nach den Feststellungen des Amtsgerichts nur dadurch möglich war, dass der Angeklagte seine Partnerin, die Mitangeklagte K., die dann die eigentlichen Diebstahlstaten in Krankenhäusern ausführte, mit dem PKW zu den verschiedenen Krankenhäusern fuhr. Die Drogensucht des Angeklagten bildete vielmehr nur den Anlass für die Begehung der Straftaten, da es ihm und seiner Mittäterin darum ging, sich Geld für Drogenkäufe zu verschaffen. Dann hätte das Amtsgericht aber darauf abstellen müssen, auf welche Weise der Angeklagte heute seine Drogensucht finanziert, ob er also weiterhin Straftaten zur Finanzierung der Drogenkäufe begeht oder nicht. Hiervon ging das Amtsgericht nach den Urteilsgründen aber selbst nicht aus. Im Rahmen der Begründung der Strafaussetzung zur Bewährung hat es ausgeführt, dass der Angeklagte einen sehr bestimmten und zielorientierten Eindruck hinterließ, so dass ihm eine günstige Sozialprognose gestellt werden könne. Geht das Amtsgericht aber selbst davon aus, dass der Angeklagte trotz seiner Drogensucht künftig keine Straftaten mehr begehen wird, insbesondere auch nicht unter Benutzung seines Fahrzeugs und unter Ausnutzung seiner Fahrerlaubnis, so könnte auch die charakterliche Ungeeignetheit i.S.v. § 69 Abs. 1 StGB bei ihm in der Zeit zwischen Begehung der letzten Tat und der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter möglicherweise entfallen sein. Dies hat das Amtsgericht nicht hinreichend bedacht. Mit diesem Gesichtspunkt wird es daher in der erneuten Hauptverhandlung auseinanderzusetzen haben. Insoweit dürfte eine entscheidende Rolle spielen, ob der Angeklagte sich tatsächlich in der Zwischenzeit straffrei geführt hat oder ob er doch weitere Straftaten insbesondere zur Finanzierung von Drogenkäufen begangen hat.

Ende der Entscheidung

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