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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 3 Ss 34/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 246
StGB § 263
StPO § 267
Zur Bindungswirkung bei Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß, wenn der Angeklagte wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist und zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei der Verurteilung wegen Betruges.
Beschluss

Strafsache

gegen B.H.

wegen Unterschlagung u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 27.10.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 04. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 18.07.2005 wegen Unterschlagung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten (Einzelfreiheitsstrafen: jeweils acht Monate) verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er auf das Strafmaß beschränkt hat. Das Landgericht Bielefeld hat mit dem angefochtenen Urteil vom 27.10.2005 die Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wird.

Die Strafkammer hat die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch als wirksam angesehen und ist von folgenden, durch das Amtsgericht Bielefeld getroffenen Feststellungen ausgegangen:

"Ende 2002 - vermutlich im November - lieh der Zeuge P. dem Angeklagten einen Mofaroller Malaguti F 12 (soweit in der Anklageschrift von einem Roller der Marke Peugeot die Rede ist, handelt es sich um einen Schreibfehler), den dieser in den folgenden Monaten benutzte. Am 23. Juni 2003 meldete der Angeklagte den Mofaroller bei der Polizei als gestohlen, wobei er angab, daß das Fahrzeug zwischen dem 22. Juni 2003 - 22.30 Uhr - und dem 23. Juni 2003 - 10.00 Uhr - im Stadtteil Bethel entwendet worden sei. Einige Tage später meldete er sich erneut bei der Polizei und behauptete, der Mofaroller sei nicht in Bethel, sondern auf dem Gelände einer Shell-Tankstelle entwendet worden. Weil Zweifel sowohl an dem Wahrheitsgehalt der einen wie an der anderen Schilderung bestand, kam es zu einem Strafverfahren (36 Cs 12 Js 907/03 - AG Bielefeld) gegen den Angeklagten, in dem ihm das Vortäuschen einer Straftat vorgeworfen wurde. In der Hauptverhandlung vom 5. Februar 2004 wurde das Verfahren nach § 153 a vorläufig eingestellt. Weil der Angeklagte den ihm auferlegten Geldbetrag nicht zahlte, kam es am 17. Mai 2004 zu einer erneuten Hauptverhandlung, an deren Ende das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wurde.

Inzwischen steht fest, daß der Mofaroller überhaupt nicht entwendet wurde. Vielmehr besorgte sich der Angeklagte eine neue Betriebserlaubnis - das Original hatte der Zeuge P. noch in Besitz - und tauschte das Fahrzeug bei dem Zeugen U. gegen ein neues Fahrrad. Dabei täuschte der Angeklagte den Zeugen U. über die wahren Eigentumsverhältnisse und gab vor, selbst Eigentümer des Mofarollers zu sein. Der Zeuge U. verkaufte den Mofaroller später gutgläubig an einen Herrn Z."

Das Amtsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass der Angeklagte dem Zeugen P. wahrheitswidrig erklärt habe, dass dessen Fahrzeug gestohlen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte die Absicht gehabt, das Fahrzeug nicht an den Eigentümer zurückzugeben, sondern für sich zu verwenden.

Die Strafkammer hat folgende ergänzende Feststellungen getroffen:

"Als der Angeklagte am 23.06.2003 den Mofaroller des Zeugen P. bei der Polizei als gestohlen gemeldet hatte, wandte er sich auch an den Zeugen P. und teilte ihm bewusst wahrheitswidrig mit, dass der Roller auf dem Gelände einer Shell-Tankstelle entwendet worden sei. Er handelte dabei in der Absicht, das Fahrzeug nicht an den Eigentümer, den Zeugen P., zurückzugeben, sondern für sich zu verwenden. Er wollte sich den ausgeliehenen Roller, der ihm anvertraut war, rechtswidrig zueignen.

Als er Ende Juni 2003 bei dem Zeugen U. den Mofaroller gegen ein neues Fahrrad eintauschte, erhielt er von dem Zeugen U. daneben noch 250,- €. Der Zeuge U. seinerseits, der gutgläubig war, veräußerte den Mofaroller Ende Juni 2003 für 870,- € an den Zeugen Z.. Ein gutes Jahr später verunfallte der Schwiegervater des Zeugen Z. mit dem Roller.

Inzwischen hat sich der Angeklagte um Schadenswiedergutmachung bemüht. An den Zeugen P. hat er wegen der veruntreuenden Unterschlagung des Mofarollers 800,- € gezahlt. Auch hat er den geschädigten Roller instand gesetzt. Er hat eine neue Haube und neue Wasserschläuche eingebaut sowie einen platten Reifen repariert."

Die Strafkammer ist bei der Strafzumessung zunächst von dem Strafrahmen des § 246 Abs. 2 StGB und dem des § 263 Abs. 1 StGB ausgegangen, die beide Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsehen. Mit Rücksicht auf die Schadenswiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten hat die Strafkammer von der fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit gemäß §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht und hat für die zu verhängenden Strafen die nach diesen Vorschriften gemilderten Strafrahmen der §§ 246 Abs. 2, 263 Abs. 1 StGB (jeweils Freiheitsstrafen von einem Monat bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe) zugrunde gelegt. Sie hat für die von ihr angenommene veruntreuende Unterschlagung eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten und für den dem Angeklagten vorgeworfenen Betrug eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt und aus diesen Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten gebildet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts im Rahmen der Strafzumessung gerügt wird.

II.

Die Revision ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bielefeld.

1. Soweit der Angeklagte durch das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 18.07.2005 wegen Unterschlagung verurteilt worden ist, ist die Strafkammer zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Denn das amtsgerichtliche Urteil enthält insoweit ausreichende Tatsachenfeststellungen, die eine zuverlässige Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden. Aus den Ausführungen des Amtsgerichts, die beiden dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten der Unterschlagung und des Betruges seien tatmehrheitlich begangen worden, da die zur Unterschlagung gehörende rechtswidrige Zuordnung nicht erst durch den Tausch, sondern bereits durch die wahrheitswidrige Angabe des Angeklagten, dass der Mofaroller entwendet worden sei, begangen worden sei, lässt sich insbesondere auch noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die inhaltlich unrichtige Erklärung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen P., dass sein Fahrzeug gestohlen worden sei, zeitlich vor dem Tauschgeschäft mit dem Zeugen U. erfolgt ist. Die wirksame Berufungsbeschränkung hatte zur Folge, dass die Verurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung in Rechtskraft erwachsen und die diesem Schuldausspruch zugrunde liegenden Feststellungen für die Strafkammer bindend waren. Dies hat auch die Strafkammer nicht verkannt, die in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auf die vorgenannten Rechtsfolgen einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß verweist. Das Landgericht hat aber die sich aus der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ergebende Bindungswirkung insoweit nicht beachtet, als es von einer veruntreuenden Unterschlagung des Angeklagten gemäß § 246 Abs. 2 StGB ausgegangen ist. Das Amtsgericht hat den Angeklagten jedoch wegen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StPO, wie sich aus der Liste der angewendeten Vorschriften im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils entnehmen lässt, verurteilt. Von diesem Schuldspruch durfte die Strafkammer nicht abweichen. Zwar hat die Strafkammer eine ausdrückliche Schuldspruchabänderung nicht vorgenommen. Sie ist aber im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen von der Verwirklichung des § 246 Abs. 2 StGB ausgegangen und hat bei der Festsetzung der von ihr verhängten Freiheitsstrafe den für den Qualifikationstatbestand der veruntreuenden Unterschlagung geltenden strengeren Strafrahmen zugrunde gelegt und damit im Ergebnis eine verkappte Schuldspruchänderung vorgenommen. Hierdurch wird der Angeklagte auch beschwert. Zwar hat die Strafkammer trotz der von ihr angenommene veruntreuenden Unterschlagung für diese Tat des Angeklagten eine geringere Einzelfreiheitsstrafe (vier Monate) als das Amtsgericht Bielefeld (acht Monate) festgesetzt. Dies beruht aber darauf, dass die Strafkammer von der Strafmilderungsmöglichkeit gemäß §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hat. Bei Anwendung dieser Strafmilderung auf den Strafrahmen des § 246 Abs. 1 StGB, wonach die Unterschlagung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, hätte gemäß §§ 46 a, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Strafrahmen zur Verfügung gestanden, der die Verhängung einer (im Höchstmaß reduzierten) Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und drei Monaten vorsieht. Der von der Strafkammer bei ihrer Strafzumessung zugrunde gelegte Strafrahmen beträgt dagegen im Höchstmaß drei Jahre und neun Monate. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer eine geringere Einzelstrafe für die von dem Angeklagten für die von dem Angeklagten begangene Unterschlagung verhängt hätte, wenn sie die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Schuldausspruches vollumfänglich beachtet hätte.

2. Auch im Übrigen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Entgegen der Ansicht der Strafkammer ist die Berufung, soweit der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 18.07.2005 wegen Betruges zu einer Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden ist, nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.

Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch setzt die Tragfähigkeit des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils voraus. Die Straffrage muss losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung rechtlich und tatsächlich beschränkt werden können. Daran fehlt es, wenn das Urteil an offensichtlichen sachlichen Mängeln leidet, etwa wenn die tatsächlichen Feststellungen so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- oder Schuldgehalt nicht mehr ausreichend erkennen lassen und damit keine hinreichende Grundlage für die Prüfung und Entscheidung über die Rechtsfolge sein können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 318 Rdnr. 16 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2006 - 3 Ss 30/06 -).

Im vorliegenden Fall sind die durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen in Bezug auf die dem Angeklagten vorgeworfene Betrugsstraftat derart lückenhaft, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung darstellen.

Der Tatbestand des Betruges gemäß § 263 StGB setzt als Erfolg der Tathandlung den Eintritt eines Vermögensschadens voraus. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen bleibt jedoch unklar, ob dem Zeugen U. durch den Ankauf des von dem Angeklagten angebotenen Mofarollers bzw. durch den Tausch dieses Rollers gegen ein Fahrrad ein Vermögensschaden entstanden ist. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen ist der Mofaroller durch den Angeklagten unterschlagen worden. Da es sich bei unterschlagenen Sachen nicht um abhanden gekommene Sachen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB handelt, ist an einer unterschlagenen Sache ein gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten gemäß § 932 Abs. 1 BGB möglich. Nach den amtsgerichtlichen Urteilsfeststellungen hat der Zeuge U. den Mofaroller später gutgläubig an ein Herrn Z. verkauft und war der Zeuge bei Abschluss des Kauf- bzw. Tauschvertrages mit dem Angeklagten in dem Glauben, das Geschäft sei "rechtens". Auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen ist daher davon auszugehen, dass der Zeuge U. gutgläubig Eigentum an dem Mofaroller erworben hat. Ein rechtlich nicht möglicher Erwerb des Eigentums an dem Mofaroller durch den Zeugen U. scheidet daher als Betrugsschaden nach den amtsgerichtlichen Urteilsfeststellungen aus. Derjenige, der über den wahren Eigentümer einer beweglichen Sache getäuscht worden ist, kann allerdings auch dann im Sinne des Betrugstatbestandes in seinem Vermögen geschädigt sein, wenn er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts infolge seines guten Glaubens das Eigentum oder ein Pfandrecht an dieser Sache erworben hat. In solchen Fällen hängt die Beantwortung der Frage, ob eine schadensgleiche Vermögensgefährdung eingetreten ist, davon ab, ob der Erwerber nach den Umständen des Einzelfalles mit der Geltendmachung eines Herausgabeanspruches oder mit sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hatte. Die bloße Tatsache, dass die Sache vom Täter auf strafbare Weise erlangt wurde und insofern mit einem "sittlichen Makel" behaftet ist, reicht hierbei nicht aus (vgl. BGH JR 1990, 517 m.w.N.; Beschluss vom 15.01.2003 - 5 StR 525/02 -, veröffentlicht in www.jurisweb.de sowie StV 2003, 447).

Feststellungen, die den Rückschluss zuließen, dass der Zeuge U. sich trotz seines gutgläubigen Erwerbs eines wenigstens nicht aussichtslosen Angriffes auf seine Rechtsposition ausgesetzt sehen musste, enthält das amtsgerichtliche Urteil nicht.

Angesichts der lückenhaften Feststellungen des Amtsgerichts durfte das Landgericht nicht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgehen, sondern hätte das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges insgesamt überprüfen und auch eigene Feststellungen zu der dem Angeklagten vorgeworfenen Betrugsstraftat treffen müssen.

Das angefochtene Urteil war daher insgesamt aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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