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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.06.2003
Aktenzeichen: 3 Ss 343/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 47
Zur Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe
Beschluss[Strafsache gegen H.B. wegen Diebstahls

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bielefeld vom 20. Dezember 2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen entwendete der Angeklagte am 28. Oktober 2002 in den Geschäftsräumen der Drogerie R. in Bielefeld, B.straße 43, verschiedene Kosmetikartikel im Gesamtwert von 120,21 €, die er in seiner Kleidung verbarg. Nachdem er ohne eine Bezahlung dieser Gegenstände die Kasse des Ladenlokals passiert hatte, wurde er von dem Ladendetektiv und Zeugen D., der den Angeklagten beobachtet hatte, angesprochen. Der Angeklagte ergriff daraufhin die Flucht, nachdem der Zeuge D. ihn zunächst festgehalten hatte, dem Angeklagten es aber gelungen war, sich loszureißen. Der Zeuge D. nahm die Verfolgung des Angeklagten auf. Auf der Flucht warf der Angeklagte nach und nach die von ihm entwendeten Gegenstände weg, soweit diese nicht bereits zuvor aus seiner Kleidung herausgefallen waren. Dem Zeugen D. gelang es schließlich, den Angeklagten zu stellen. Dabei kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der der Angeklagte versuchte, dem Zeugen D. sein Handy abzunehmen, um zu verhindern, dass dieser mit der Polizei telefonierte. Im Rahmen dieses tätlichen Angriffs wurde der Zeuge D. an der Hand verletzt.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten des Diebstahls gem. § 242 StGB sowie der Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gem. den §§ 223, 240 StGB für schuldig befunden und hat den Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet:

"Für den Angeklagten spricht, dass er sich vollumfänglich geständig eingelassen hat und bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Legen diese Erwägungen auch ein niedriges Strafmaß nahe, so darf nicht verkannt werden, dass der Angeklagte die Tat nicht aus einer Notlage heraus beging, so dass hier ausschließlich eine kriminelle Gesinnung zum Tragen kam. Unter Berücksichtigung dessen erachtet das Gericht folgende Einzelstrafen für ausreichend aber auch erforderlich:

Für den Diebstahl eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

Für die Nötigung und Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von vier Monaten.

Aus diesen Einzelstrafen hat das Gericht eine Gesamtstrafe von fünf Monaten gebildet.

Das Gericht verkennt nicht, dass nach § 47 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nur in Ausnahmefällen ausgesprochen werden sollen. Es hält aber vorliegende Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten für gegeben, die die Verhängung der genannten Strafen zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich machen.

Angesichts seiner Lebenssituation erschien es dem Gericht als sinnvollste Art strafrechtliche Einwirkung auf den Angeklagten. Nach seiner eigenen Aussage hat die Untersuchungshaft nachhaltigen Eindruck hinterlassen, so dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe hier sinnvoll und erforderlich war, eine weitere kriminelle Betätigung des Angeklagten zu verhindern. Das Gericht hat die Strafe nicht zuletzt wegen der Perspektiven im sozialen Bereich zur Bewährung ausgesetzt".

Gegen dieses Urteil richtet sich die wirksam aus den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten, mit der unter näheren Ausführungen eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch sowie im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld.

Soweit das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten darauf abgestellt hat, dieser habe nicht aus wirtschaftlicher Not gehandelt, ist dies entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. Denn es handelte sich ersichtlich lediglich um eine ungenaue Formulierung, die dahingehend zu verstehen ist, der Angeklagte habe in auskömmlichen wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt und es sei ihm zur Last zu legen, dass er die Straftat aus Motiven heraus begangen habe, für die in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse kein Verständnis aufgebracht werden könne (vgl. BGHSt 34, 345, 350). Diese Erwägung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht mit rechtsfehlerhaften Erwägungen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB für die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe bejaht hat.

Gem. § 47 Abs. 1, 1. Alt. StGB verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck "zur Einwirkung auf den Täter" durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grunde eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (OLG Hamm VRS 97, 410, 411; Senatsbeschluss vom 05.09.2002 - 3 Ss 706/02 -; BGHSt 24, 165). Nach der gesetzesgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen weitgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7 = NStZ 1996, 429; BGHStV 1994, 370 jeweils m. w. N.).

Anhand der oben wiedergegebenen Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, warum die verhängten kurzfristigen Freiheitsstrafen vorliegend als einziges Reaktionsmittel für das dem Angeklagten vorgeworfene Fehlverhalten in Betracht kommen. Die dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten sind nicht als derart schwerwiegend einzustufen, dass schon aus diesem Grunde die Verhängung einer Geldstrafe nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Soweit das Amtsgericht darauf verweist, dass in der Persönlichkeit des Angeklagten besondere Umstände vorliegen, die die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen zur Einwirkung auf den Angeklagten als unerlässlich erscheinen lassen, lässt das angefochtene Urteil Ausführungen dazu vermissen, um welche Umstände es sich vorliegend handeln sollte. Sie lassen sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der sonstigen Urteilsgründe entnehmen. Erforderlich wäre es daher gewesen, sich bei der Prüfung der Voraussetzung des § 47 Abs. 1 StGB mit der Person des Angeklagten auseinanderzusetzen. Dies gilt um so mehr, als es sich bei dem Angeklagten nach den Urteilsgründen um einen bislang noch nicht vorbestraften Täter handelt, der nach den vom ihm begangenen Taten offenbar erstmals Freiheitsentzug in Form von Untersuchungshaft erlitten hat. Denn bei einer solchen Fallgestaltung sind in der Regel erhöhte Anforderungen an die Begründung einer unter sechs Monate liegenden Freiheitsstrafe zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 05.09.2002 - 3 Ss 706/02 -; OLG Hamm, VRS 97, 411 m. w. N.; OLG Köln, NJW 2001, 3491).

Soweit das Amtsgericht ausführte, die Untersuchungshaft habe auf den Angeklagten nach seinen eigenen Angaben ein nachhaltigen Eindruck hinterlassen, so dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe hier sinnvoll und erforderlich sei, um eine weitere kriminelle Betätigung des Angeklagten zu verhindern, ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Denn hat sich ein geständiger und nicht vorbestrafter Angeklagter durch die erstmals erlittene U-Haft nachhaltig beeindrucken lassen, wird in der Regel aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe nicht unerlässlich sein. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass bereits die erstmals erlittene Freiheitsentziehung den Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten abhalten wird. Wenn der Tatrichter bei einer solchen Fallgestaltung dennoch die Verhängung von Geldstrafen nicht mehr als ausreichend erachtet, sondern die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen für unerlässlich hält, bedarf es einer sorgfältigen und tragfähigen Begründung, die das angefochtene Urteil aber vermissen lässt.

Ende der Entscheidung

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