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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 3 Ss 473/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Die Strafzumessungserwägungen können sich auf das Wesentliche beschränken, jedoch sind Vorstrafen zumindest in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitzuteilen, in welchem sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind.
Beschluss

Strafsache

gegen L.C.

wegen Körperverletzung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 16.02.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 01. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gem. § 349 Abs. 2 StPO sowie nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gladbeck zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 16. Februar 2005 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Bei der Strafzumessung war strafschärfend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte erheblich vorbestraft ist.

Unter Abwägung aller Umstände hält das Gericht eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten für schuldangemessen.

Eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe kam nicht mehr in Betracht. Der Angeklagte hat die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen. Er hat sich somit als Bewährungsversager erwiesen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er eine Verletzung sachlichen Rechts rügt.

II.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2005 u.a. Folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte hat - nachdem er form- und fristgerecht Berufung eingelegt hatte - innerhalb der Revisionsbegründungsfrist in zuässiger Weise den Wechsel zur Revision erklärt (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 335 Rdnr. 10 m.w.N.) und diese frist- und formgerecht begründet. Die auf die allein erhobene Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils deckt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten lediglich in dem vorbezeichneten Umfang auf.

Entgegen der Auffassung der Revision tragen die Urteilsgründe den Schuldspruch wegen (tätlicher) Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung. Die Urteilsgründe müssen sich nicht in allen Einzelheiten über sämtliche Feststellungen verhalten, sondern unter Darstellung der Einlassung des Angeklagten diejenigen Tatsachen, die bestimmte Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten nahe legen, wiedergeben und in ihrer Gesamtheit würdigen (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 267 Rdnr. 12). Die nach dem Willen des Gesetzgebers allein dem Tatrichter übertragene Aufgabe, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner freien Überzeugung nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob er seine Befugnis willkürlich ausgeübt, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens missachtet hat (BGHSt 10, 208 f; 29, 19 f). Nach diesem Maßstab lassen die knappen Ausführungen des Amtsgerichts einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Ersichtlich hat das Amtsgericht in seine Erwägungen einbezogen, dass weder hinsichtlich des Geschädigten Benthin ein Anlass für den behaupteten Angriff auf den Angeklagten, noch hinsichtlich des die Angaben des Zeugen Benthin in Teilbereichen bestätigenden Zeugen Koshab ein Motiv für eine vorsätzliche Falschbelastung des Angeklagten ersichtlich ist, wogegen einerseits der Angeklagte in der vermeintlich herabwürdigenden Behandlung seiner Mutter ein Motiv hatte und sich aufgrund der vorangegangenen negativen Bescheidung seines Anliegens durch die zuständige Sachbearbeiterin noch in einem Zustand emotionaler Aufwühlung befand, andererseits die Zeugin C. als Mutter des Angeklagten naturgemäß ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte. In Ansehung dieser Umstände ist die durch das Amtsgericht vorgenommene Wertung, der Einlassung des Angeklagten und der diese bestätigenden Aussage der Zeugin C. sei nicht zu folgen, zwar nicht zwingend, aber möglich, und somit durch das Revisionsgericht hinzunehmen.

Der Rechtsfolgenausspruch kann indes keinen Bestand haben, denn die Strafzumessungserwägungen genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Zwar sollen die schriftlichen Urteilsgründe sich auf das Wesentliche beschränken, jedoch sind Vorstrafen zumindest in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitzuteilen, in welchem sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Hierzu bedarf es in der Regel zumindest der Mitteilung der Zahl, Frequenz, Höhe, Einschlägigkeit und Verbüßung etwaiger Vorstrafen (Senatsbeschluss vom 06.08.1198 - 3 Ss 819/98 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen in den Urteilsgründen, die ausdrücklich an bestehende, jedoch nicht mitgeteilte Vorstrafen maßgeblich anknüpfen, bereits nicht. Entsprechend ist das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und an das Amtsgericht Gladbeck zu ergänzenden Feststellungen insbesondere zum Lebenslauf, dem sozialen Umfeld und dem kriminellen Vorleben des Angeklagten zurückzuverweisen."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.

Ergänzend merkt der Senat an, dass es hier angesichts der Feststellungen, die der Tatrichter zu dem Geschehen, das dem eigentlichen Tatgeschehen vorausgegangen ist, getroffen hat sowie unter Berücksichtigung der in dem angefochtenen Urteil erfolgten Würdigung der Aussagen der Zeugen Benthin, Koshab und Bergner auf der Hand liegt, dass der Amtsrichter aus den von der Generalstaatsanwaltschaft aufgeführten Erwägungen der Zeugin C. keinen Glauben geschenkt hat.

Das angefochtene Urteil war daher nur im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und im Umfang dieser Aufhebung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gladbeck zurückzuverweisen.

Im Übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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