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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 3 Ss 478/05
Rechtsgebiete: SGB III, SGB I, StGB


Vorschriften:

SGB III § 404
SGB I § 60
StGB § 263
Eine bestimmte Form hat der Leistungsberechtigte bei der Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nicht zu beachten.
Beschluss

Strafsache

gegen Ö.H.

wegen Betruges

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 26.08.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 02. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die gesamten Kosten des Strafverfahrens sowie die dem Angeklagten in diesem Strafverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Dem vorliegenden Verfahren liegt der Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.03.2005 zugrunde. Mit diesem Strafbefehl ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, sich am 01.08.2004 in Bielefeld des Betruges schuldig gemacht zu haben, indem er es pflichtwidrig vorsätzlich unterließ, dem Arbeitsamt seine Arbeitsaufnahme bei der Firma A. in S. anzuzeigen und er infolgedessen zu Unrecht während der Zeit vom 01.08.2004 bis zum 20.09.2004 Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 1.753,17 € bezogen haben soll. Gegen den Strafbefehl hat der Angeklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen grob fahrlässiger Nichtmitteilung von wesentlichen Umständen, die für den Leistungsbezug maßgeblich sind (Arbeitsaufnahme) zu einer Geldbuße von 500,- € verurteilt.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich als festgestellten Sachverhalt entnehmen, dass der Angeklagte im Jahre 2004 zunächst arbeitslos war und aus diesem Grunde Sozialleistungen über die Agentur für Arbeit in Gütersloh bezogen hatte, er aber sodann im August 2004 eine Arbeit aufgenommen hat. Dennoch erfolgten weitere Zahlungen durch die Agentur für Arbeit Anfang September und Anfang Oktober. Nach den weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil hat die Ehefrau des Angeklagten, der offensichtlich der deutschen Sprache nicht mächtig ist, "aufgrund der Arbeitsaufnahme und der dann erfolgten weiteren Zahlungseingänge trotz Arbeitsaufnahme Anfang September und Anfang Oktober" bei der Agentur für Arbeit in Gütersloh angerufen und "dies" (gemeint ist offensichtlich die erfolgte Arbeitsaufnahme sowie die weiteren Zahlungseingänge) dort mitgeteilt. Das Amtsgericht hat weiterhin festgestellt, dass telefonische Mitteilungen über Arbeitsaufnahmen gegenüber dem Kundenbüro der Agentur für Arbeit in Gütersloh nicht im Computer erfasst würden. Allerdings erfolge in diesen Fällen grundsätzlich der Hinweis, dass die Arbeitsaufnahme durch eine schriftliche Veränderungsmitteilung vorzunehmen sei. Eine solche schriftliche Mitteilung ist durch den Angeklagten nicht erfolgt.

Das Amtsgericht ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten der ihm mit dem Strafbefehl vom 03.03.2005 zur Last gelegte Betrug nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden könne.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten allerdings der Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26, Abs. 3 SGB III i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I für schuldig befunden und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte ist jedoch bereits bei Beantragung des Leistungsbezuges über seine Pflichten bei Veränderungen der persönlichen Verhältnisse hingewiesen worden. Unabhängig von den Telefonaten ist der Angeklagte zu einer schriftlichen Veränderungsmitteilung verpflichtet gewesen. Dies hat er mangels sicheren Nachweises eines Vorsatzes zumindest grob fahrlässig nicht beachtet. Umständen, die für den Leistungsbezug maßgeblich sind (Arbeitsaufnahme), vorzuwerfen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten.

Das Amtsgericht hat zu Recht die Begehung eines Betruges i.S.d. § 263 StGB durch den Angeklagten mit Rücksicht auf die von ihm festgestellten Telefonate der Ehefrau bei der Agentur für Arbeit in Gütersloh verneint. Denn bei Zugrundelegung dieses Sachverhaltes lässt sich eine bewusste Täuschung des Angeklagten über eine für den Leistungsbezug wesentliche Veränderung seiner Verhältnisse (Arbeitsaufnahme) nicht feststellen. Auch die Abhebung der Anfang September sowie Anfang Oktober 2004 zu Unrecht überwiesenen Unterstützungsleistungen beinhaltete keine konkludente Vortäuschung, dass die Voraussetzungen für die Unterstützung noch vorliegen bzw. vorgelegen haben. Vielmehr nutzt der Abhebende bei dieser Fallgestaltung lediglich den bei den Mitarbeitern des Arbeitsamtes bereits bestehenden Irrtum aus. Ein solches Verhalten wird nicht von § 263 StGB erfasst (OLG Köln, NJW 1984, 1979 m.w.N.; HansOLG, Beschluss vom 11.11.03 - II - 104/03 -).

Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen allerdings auch nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26, Abs. 3 SGB III i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I.

§ 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt. Eine bestimmte Form hat der Leistungsberechtigte bei der Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nicht zu beachten (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum SGB, § 60 SGB I Rdnr. 25). Die Änderungsmitteilung kann daher grundsätzlich in jeder Form, d.h. schriftlich, mündlich, fernmündlich usw. erfolgen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1264). Soweit in § 60 Abs. 2 SGB I bestimmt ist, dass, soweit für die in § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, diese benutzt werden sollen, handelt es sich hierbei lediglich um eine Sollvorschrift, die der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens dient (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 35). In § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III wird die unterbliebene Benutzung eines solches Vordruckes nicht erwähnt noch wird auf § 60 Abs. 2 SGB I Bezug genommen.

Der Angeklagte konnte daher seiner Verpflichtung zur Mitteilung der Arbeitsaufnahme - wie hier geschehen - auch fernmündlich nachkommen. Er war entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes gesetzlich nicht verpflichtet, diese in schriftlicher Form nachzureichen. Da nach den Feststellungen des Amtsgerichts die erste telefonische Mitteilung der Ehefrau des Angeklagten gegenüber der Agentur für Arbeit in Gütersloh "aufgrund der Arbeitsaufnahme" erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass diese in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang und damit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), erfolgt ist. Ob die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit in Gütersloh eine zusätzliche schriftliche Anzeige der Arbeitsaufnahme verlangen konnten, kann dahingestellt bleiben, da ein Verstoß hiergegen jedenfalls nach § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III nicht bußgeldbewehrt ist.

Es bedarf im vorliegenden Verfahren auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob und gegebenenfalls wie häufig der Leistungsempfänger die Mitteilung über eine Änderung seiner Verhältnisse gegenüber dem Leistungsträger wiederholen muss, wenn erkennbar fehlerhaft weiterhin Zahlungen erfolgen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1264 m.w.N.). Denn eine Verpflichtung zu einer wiederholten Änderungsanzeige kann nur in denjenigen Fällen bestehen, in denen die erste Anzeige nicht zu der bearbeitenden Stelle des Leistungsträgers gelangte und der Leistungsbezieher demzufolge seine Mitteilungspflicht noch nicht erfüllt hat. Liegt dagegen die Änderungsanzeige dem zu unterrichtenden Leistungsträger vor, wie es hier der Fall war, hat der Leistungsbezieher seiner ihm nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I obliegenden Verpflichtung genügt. Zieht der Leistungsträger aus dieser Änderungsanzeige hingegen nicht die gebotenen rechtlichen Konsequenzen, so begründet dies keine Wiederholungspflicht zur Änderungsanzeige. Der Leistungsempfänger ist nicht verpflichtet, den Leistungsträger allgemein auf fehlerhaftes oder unterlassenes Verwaltungshandeln hinzuweisen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1264; Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 404 SGB III Rdnr. 186; Seewald in Kasseler Kommentar zum SGB, § 60 SGB I, Rdnr. 27).

Da auszuschließen ist, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges oder wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III führen könnten und die Begehung einer anderen Straftat bzw. die Erfüllung eines anderen Ordnungswidrigkeitentatbestandes vorliegend nicht in Betracht kommt, war der Angeklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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