Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.01.2009
Aktenzeichen: 3 Ss 554/08
Rechtsgebiete: BtMG, StGB


Vorschriften:

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 40
StGB § 54
Auch bei Serientaten ist im Rahmen der Gesamtstrafenbildung eine Erhöhung der Einsatzstrafe um ein mehrfaches grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf eine solche starke Erhöhung näherer Begründung. Die bloße "nochmalige Abwägung" der Einzelstrafzumessungsgesichtspunkte reicht in der Regel nicht.
Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird

a. in den Fällen 1- 7 im Schuld- und Einzelstrafenausspruch,

b. im Fall 8 im Einzelstrafenausspruch,

c. im Gesamtstrafenausspruch, mit den jeweils zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schöffengericht zuständige Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Detmold hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 8 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte, der seit seinem ##. Lebensjahr Marihuana raucht, verkaufte auch gelegentlich an Freunde und Bekannte Marihuana.

1.-5.:

Im ##### verkaufte er [der Angeklagte] in fünf Fällen jeweils mindestens ein Gramm Marihuana an den am ####### geborenen L zum Kaufpreis von 10 Euro pro Gramm.

6.-7.:

Im selben Zeitraum verkaufte er zweimal jeweils mindestens ein bis zwei Gramm Marihuana an den am ####### geborenen X.

8.:

Am ######## verwahrte der Angeklagte zehn Gramm Marihuana in seiner Wohnung um dieses Rauschgift u.a. an die gesondert verfolgten Zeugen H, M und N mit Gewinn zu veräußern. Die Zeugen bezahlten die Drogen jedoch nicht, sondern entwendeten sie aus der Wohnung des Angeklagten."

Für die Taten 1-7 hat das Amtsgericht jeweils auf Einzelgeldstrafen von 30 Tagessätzen erkannt, ohne allerdings eine Tagessatzhöhe festzusetzen. Für die Tat 8 hat es auf eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten erkannt.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat weitgehend Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache in dem im Tenor genannten Umfang.

1.

In den Fällen 1-7 kann das Urteil bereits im Schuldspruch keinen Bestand haben. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in diesen Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach ständiger Rechtsprechung umfasst Handeltreiben jede eigennützige auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird (BGH NStZ 2006, 578; Tag in MK-StGB 2007 § 29 BtMG Rdn. 18). Dass der Angeklagte in diesem Sinne eigennützig handelte, ist im Urteil zu den Fällen 1- 7 nicht festgestellt. Es ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Allein der Umstand, dass er das Marihuana jeweils zum Grammpreis von 10 Euro verkaufte, reicht hierfür nicht. Denn insoweit kommt auch - insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Abnehmern um "Freunde und Bekannte" handelte - in Betracht, dass der Angeklagte das Betäubungsmittel zum Selbstkostenpreis veräußerte, was dann mangels Eigennutz kein Handeltreiben wäre (vgl.: Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 435 m.w.N.). Auch der hohe Grammpreis lässt keinen eindeutigen Schluss auf ein Gewinnstreben zu, da es durchaus sein kann, dass wenn der Angeklagte seinerseits Abnehmer für diesen Preis findet, auch er das Betäubungsmittel zu diesem Preis gekauft haben kann.

2.

Sämtliche Einzelstrafaussprüche sowie der Gesamtstrafenausspruch konnten ebenfalls keinen Bestand haben. In den Fällen 1-7 beruht dies schon darauf, dass insoweit der Schuldspruch keinen Bestand hatte.

a) In allen Fällen (auch in Fall 8) fehlt es zudem an jeglichen Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels bzw. es fehlen Angaben, von welcher Qualität des Betäubungsmittels das Amtsgerichts ausgegangen ist. Der Wirkstoffgehalt ist jedoch ein für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlicher Umstand (BGH StV 2006, 184; ThürOLG Beschl. v. 29.08.2005 - 1 Ss 156/05 - juris).

Des weiteren wurde bei allen Einzelgeldstrafen (Fälle 1-7) verabsäumt, die Tagessatzhöhe festzusetzen. Dies ist auch dann notwendig, wenn die Einzelgeldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 40 Rdn. 6; BGHSt 30, 93 ff.). Hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafe von 3 Monaten im Fall 8 fehlt eine Erörterung des § 47 StGB. Auch dies ist für jede Einzelstrafe gesondert zu prüfen (Fischer a.a.O. § 47 Rdn. 4).

b) Im Hinblick auf die o. g. Rechtsfehler konnte auch die Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Der Senat weist zudem darauf hin, dass zwar bei Serientaten die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB) um ein mehrfaches derselben (im Rahmen des § 54 Abs. 2 StGB) grundsätzlich möglich ist. Allerdings bedarf eine solche Erhöhung näherer Begründung (BGH StV 2000, 254). Die bloße "nochmalige Abwägung" der ohnehin dürftigen Zumessungsgesichtspunkte der Einzelstrafen, die das Amtsgericht sämtlich zu Gunsten des Angeklagten angeführt hat, reicht für eine derartige Erhöhung nicht.

3.

Die weitergehende Revision (Schuldspruch zu Fall 8) ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück