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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.10.2001
Aktenzeichen: 3 Ss 652/01
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 17
Zur Verhängung von Jugendstrafe
Beschluss

Strafsache

gegen P.W.,

wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Hattingen vom 15. März 2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 10. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Hattingen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 25. Mai 2000 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einem Jahr Jugendstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Auf die gegen dieses Urteil gerichtete (Sprung-)Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 17.10.2000 (3 Ss 992/00) das amtsgerichtliche Urteil nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Hattingen zurückverwiesen. Nach erneuter Hauptverhandlung wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Hattingen vom 15. März 2001 wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Zur Sache hat das Jugendschöffengericht folgende Feststellungen getroffen:

"Schon längere Zeit vor dem hier zu beurteilenden Tatgeschehen gehörte es zu den Gewohnheiten des Angeklagten anlässlich des geselligen Zusammenseins mit anderen jungen Leuten Haschisch zu rauchen und auch Betäubungsmittelmittel wie Ecstasy einzunehmen oder anzubieten. Am frühen Abend des 03.11.1998 (richtig: 1999) also vier Tage vor seinem 21. Geburtstag, traf der Angeklagte mit dem anderweitig Verfolgten B.N. zusammen. Man verabredete eine Autofahrt in die Niederlande nach Venlo, um hier eine größere Menge Haschisch einzukaufen und heimzubringen. Der Angeklagte sollte an dem Geschäft zumindest insofern teilhaben, als er 50 Gramm Haschisch kostenfrei bekommen sollte. Die Fahrt sollte mit einem Auto unternommen werden, das von dem Zeugen L. zur Verfügung gestellt wurde. Dessen Beteiligung an dem Unternehmen ist im übrigen unaufgeklärt geblieben. Verabredungsgemäß lenkte der Angeklagte den Wagen, weil N. keine Fahrerlaubnis hatte. N. nahm auf der Rückbank Platz, weil der Vordersitz in dem ausgeliehenen Pkw ausgebaut war. In Venlo suchten beide einen Coffeeshop auf. Hier oder außerhalb rauchten die beiden jungen Leute von dem erworbenen Haschisch, der Angeklagte möglicherweise nur eine Kleinstmenge, dagegen N. so viel, dass er hinterher benommen wurde. In dem Laden wurde so viel Haschisch eingekauft, dass später bei der Rückfahrt 670,7 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 8,6 % Tetrahydrocannabinol sichergestellt werden konnten. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten führte N. das Erwerbsgeschäft im Laden allein aus, und zwar hinsichtlich aller für den Eigenverzehr und den Rücktransport im Betracht kommenden Mengen. Der Kaufpreis betrug mindestens 1 700,00 DM. Auf der Rückfahrt von Venlo war die Menge von 670,7 Gramm Haschisch in einem Rücksack des Zeugen N. auf dem Rücksitz neben dem Zeugen verstaut und mit einem Mantel des Angeklagten abgedeckt, in dem sich in der Manteltasche eine Schreckschusspistole mit einem Magazin von 5 Patronen befand. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten hatte N. das Haschisch verstaut und dem Angeklagten den vereinbarten Beuteanteil von 50 Gramm noch nicht abgetrennt und übergeben. Wie es zu der Schreckschusspistole mit Patronen im Fahrgastraum gekommen war, ist unaufgeklärt geblieben.

Von Venlo aus überquerte der Wagen wenige Minuten vor Mitternacht die Grenze nach Deutschland und wurde ungefähr um 00.10 Uhr am 04.11.1999 von Polizeibeamten auf der Autobahn 40 angehalten. Das Haschisch wurde sichergestellt, die Insassen wurden festgenommen. Der Angeklagte wurde am 19.11.1999 im Wege der Haftverschonung wieder aus der Untersuchungshaft entlassen."

Das Jugendschöffengericht hat den Angeklagten auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach §§ 1, 3, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten als Heranwachsenden eingestuft, der einem Jugendlichen gleichzustellen ist und daher gemäß § 105 JGG Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht.

Die verhängte Jugendstrafe von acht Monaten hat das Jugendschöffengericht gemäß § 117 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld für erforderlich gehalten. In der Tat des Angeklagten zutage getretenen schädlichen Neigungen hat das Jugendschöffengericht zwar auch bejaht. Es ist aber aufgrund der positiven weiteren Entwicklung des Angeklagten in der Folgezeit zu dem Ergebnis gelangt, dass sich derzeit schädliche Neigungen bei dem Angeklagten nicht mehr feststellen ließen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von dem Angeklagten im vorliegenden Verfahren erlittene zweiwöchige Untersuchungshaft habe den Angeklagten beeindruckt und bessernde Einsichten in sein Unrecht vermittelt. Er habe nach seinen Angaben seinen Drogenkonsum beendet und Kontakte zur Drogenszene abgebrochen. Er habe seine Lehre als Kraftfahrzeugschlosser erfolgreich abgeschlossen und sei in einer guten Stellung im erlernten Beruf tätig. Darüber hinaus bemühe er sich um den Aufbau eines neuen Lebens mit seiner Partnerin. Die Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld hat das Jugendschöffengericht wie folgt begründet:

"Die dem Angeklagten vorzuhaltende Tat ist nach den bei der rechtlichen Beurteilung erwähnten allgemeinen Strafbestimmungen in Verbindung mit § 4 JGG ein Verbrechen. Das Gericht verkennt allerdings nicht, dass diese strafrechtliche Einordnung mehr allgemeiner und formaler Art ist und nicht geeignet ist, die Tat in ihrer Schwere der Schuld von Taten minderer Schwere abzugrenzen.

Das ergibt sich schon im Zusammenhang damit, dass das Jugendschöffengericht hier von einem minder schweren Fall eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 BtMG ausgeht, und zwar nach Würdigung aller sich aus dem Vorleben, der Tat und der weiteren Lebensentwicklung des Angeklagten ergebenden, zu seinem Vorteil und Nachteil gereichenden Gesichtspunkte.

Vor allem die folgenden Gesichtspunkte konnten sich für die Annahme eines minder schweren Falls maßgeblich auswirken:

Gerade im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung seiner Eltern könnte die Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten starken Schaden genommen haben. Vor allem ein langer Aufenthalt in einer Einrichtung der Jugendpsychiatrie kann als starkes Indiz für eine nicht selbstverschuldete, auch charakterliche Fehlentwicklung gewertet werden. In den schulischen Mängeln können sowohl erzieherische als auch Mängel in der Entwicklung der Hirnleistung zum Ausdruck gekommen sein mit Auswirkungen auch auf die Lebensführung zur Tatzeit. Der auffällig bedenkenlose Umgang mit den hier festgestellten Betäubungsmitteln wird sich nicht nur in der bekanntermaßen diese Drogenarten verharmlosenden Gesprächsatmosphäre entwickelt haben und kann bei diesem Angeklagten nicht nur durch die Möglichkeit des straflosen Einkaufs von Haschisch in den Niederlanden und die übliche Beeinflussung durch Altersgenossen in Diskotheken und sonstigen Treffstätten ausgelöst worden sein, sondern auch insoweit durch die Entwicklungsstörungen während der Schulzeit. Die dadurch hervorgerufenen Schwierigkeiten und Fehlleistungen könnten Minderwertigkeitsängste hervorgerufen haben, die der Heranwachsende durch derartige Drogenkontakte vielleicht zu kompensieren versucht hat.

Der Angeklagte war auch noch unbestraft, wenngleich in Jugendstrafverfahren zweimal, allerdings auch nur wegen Vergehen auf anderem strafrechtlichem Gebiet, vorgewarnt.

Zur Tatbeteiligung könnte er allein durch den Mittäter verleitet worden sein, der die eigentliche organisierende und den Erwerb der Betäubungsmittel betreibende Kraft bei dem Unternehmen gewesen sein könnte, wenngleich auch der Tatbeitrag des Angeklagten erst das Gesamtunternehmen möglich gemacht hat.

Gegenstand der Tat waren Betäubungsmittel, die nicht die Schädlichkeit und Suchtgefährlichkeit für die Konsumenten wie die sogenannten "harten Drogen" wie zum Beispiel Heroin oder Kokain haben. Für den Angeklagten kann deshalb als Beweggrund für die Tatbeteiligung im Vordergrund gestanden haben, Drogenmaterial harmloserer Art für seinen eigenen Konsum und für den Konsum mit Bekannten und zur Abgabe in diese zu bekommen. Mit der Festnahme und Untersuchungshaft kann er die Schwere seiner Tat begreifen gelernt haben. Er hat die Lehre erfolgreich abgeschlossen, geht einer geregelten Arbeit im erlernten Beruf nach, ist auch sonst voll sozial eingebunden und lebt in dem Bestreben, für sein Leben eine Partnerschaft mit seiner derzeitigen Partnerin aufzubauen. Im Zusammenhang mit den zu Vorleben und Tat genannten Gesichtspunkten hat für das Jugendschöffengericht erst die günstige Nachentwicklung den Ausschlag dafür gegeben, einen minderschweren Fall eines Verbrechens anzunehmen - angesichts der noch zu erörternden Schwere der Tatbeteiligungsschuld.

Im Erwachsenenstrafrecht ergibt sich damit ein milderer Strafrahmen, der dem für ein Vergehen entspricht. Wenn auch nach § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG im Jugendstrafrecht die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten, muß dieser Gesichtspunkt des minderschweren Falles dennoch bei der Beurteilung der Schwere der Schuld zugunsten des Angeklagten Berücksichtigung finden. Er steht andererseits auch der Annahme schwerer Schuld nicht entscheidend entgegen.

Der Heranwachsende hat in geradezu selbstverständlicher Bereitwilligkeit trotz der möglichen Tatführung durch den Mittäter tatentscheidend mitgeholfen, eine Haschischmenge einzuführen, deren Drogenfeingehalt den Grenzwert der nicht geringen Menge nach höchstrichterlicher Rechtsprechung um das 6 1/2-fache dieses Grenzwertes übertraf und sich zum Weiterverkauf in Kleinmengen in einer bis zu vierstelligen Anzahl eignete. Nach eigenem glaubhaften Geständnis hatte der Heranwachsende auch vor der Fahrt ein Telefongespräch von N. mit anhören können, das sich über die Bestellung von Haschisch durch den anderen Gesprächsteilnehmer, vielleicht den in der Hauptverhandlung fehlenden Zeugen L., bei N. verhielt. Ob es sich so verhielt, ob N. im Auftrag oder für Rechnung eines Dritten handelte oder der Angeklagte selbst dies tat, kann dahinstehen. Nicht erst nach einem solchen Telefonat muß von dem Angeklagten von vornherein billigend in Kauf genommen worden sein, dass mit dem Erwerb und der Einfuhr der - nach glaubhaftem Geständnis des Angeklagten - sowohl im Kaufpreis als auch angestrebten oder erreichbaren Menge mindestens annähernd bekannten oder nach dem Umfang abzuschätzenden Haschischmenge nur der Weiterverkauf an Dritte oder auch direkt an Konsumenten und dann mit der Möglichkeit von bis zu mehr als tausendfachen Einzelverkäufen ermöglicht werden sollte.

Der Tatbeitrag erscheint auch nach der Version des Angeklagten nicht schon deshalb entscheidend geschmälert, weil danach der Angeklagte einen geringeren Beuteanteil von nur 50 Gramm erhalten sollte. Dieser Anteil war besonders vorteilhaft. Der Angeklagte brauchte diese Menge nämlich nicht zu bezahlen. Er sollte damit immerhin Haschisch in einem vierstelligen Marktwert bekommen. Außerdem muß sich der Angeklagte die Tatschuld des Mittäters voll zurechnen lassen, zumal die Tatbeteiligung des Angeklagten in allem tatentscheidend war. Zu diesem Tatbeitrag ließ sich der Angeklagte zunächst bereitwillig verleiten, weil er sich daran gewöhnt hatte, sich über die strafrechtlichen Betäubungsmittelverbote hinwegzusetzen, trotz seiner guten sozialen Einbindung und - wenn auch mehr indirekten - strafverfahrensrechtlichen - Vorwarnungen. An der schweren Schuld des Angeklagten hatte deshalb das Jugendschöffengericht auch in Ansehung aller schon bei der Begründung des minderschweren Falls angeführten Milderungsgesichtspunkte keinen Zweifel.

Es hält deshalb auch eine Jugendstrafe für unumgänglich.

Die schon beschriebene und in vielfacher Hinsicht und ausnahmslos günstige Nachentwicklung des Angeklagten, der mit Drogen "abgeschlossen" hat, könnte gegen diese Beurteilung sprechen. Doch, mag der Angeklagte noch so weit von dem Gedanken an Betäubungsmittel entfernt und allein um einen rechtschaffenen Lebensaufbau bestrebt sein, wie er selbst überzeugend geschildert hat, so hat er doch andererseits allzu lange vorher sich an dieses Leben mit Betäubungsmitteln und entsprechenden gesellschaftlichen Umgang gewöhnt gehabt und bei der hier zu beurteilenden Tat besonders bedenkenlos bereitwillig mitgemacht. Deshalb hält das Gericht den erst 21-jährigen Angeklagten für immer noch rückfallgefährdet. Der zeitliche Abstand zu dem früheren Drogenleben ist einfach noch zu kurz und die Gelegenheit zu erneuten zufälligen Drogenkontakten besonders in dieser Altersklasse einfach zu vielfältig, um eine Jugendstrafe nicht für erforderlich zu halten. Statt mit Jugendstrafe hier mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln auf den Angeklagten einzuwirken, würde zur Überzeugung des Jugendschöffengerichts sich wie eine Verschleierung des wahren Umfanges von Unrecht und Schuld auswirken. Betäubungsmittelverstöße an sich wurden nach einer solchen schwerwiegenden Tat gewissermaßen amtlich und von Gerichtswegen dem Angeklagten so verharmlost erscheinen, dass der junge Angeklagte selbst in seiner inzwischen nach Einleitung des Verfahrens gewonnenen und vorgelebten Einsicht dies gerade als Einladung dazu verstehen konnte, in Zukunft Betäubungsmittelkontakte wieder "lockerer zu nehmen"

Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, die er wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der er unter näheren Ausführungen eine Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zu einer Zurückverweisung der Sache im Umfang der Aufhebung.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Jugendschöffengericht hat die Verhängung der Jugendstrafe auf den Gesichtspunkte der "Schwere der Schuld" gestützt. "Schwere der Schuld" im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG ist vor allem zu bejahen, wenn der Jugendliche oder der ihm gleichgestellte Heranwachsende ein Kapitalverbrechen begeht. Daneben können zwar auch andere besonders schwere Taten allein wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe fordern. Dagegen kann ein Vergehen mit vergleichsweise geringem (zurechenbarem) Schaden, auch wenn es bedenkenlos begangen wird, die Schwere der Schuld nicht begründen, da das Gewicht der Tat zu gering ist (vgl. BGH StV 1998, 332 m.w.N.). Für die Beurteilung der Schuld kommt es maßgebend auf die charakterliche Haltung und das gesamte Persönlichkeitsbild des Jugendlichen an. Das äußere Tatgeschehen hat in nur insoweit Berücksichtigung zu finden, als es Schlüsse auf das Maß der persönlichen Schuld und die charakterliche Haltung des Täters zulässt (vgl. BGHSt 15, 224; StV 1982, 335; BGH bei Böhm, NStZ 1989, 522; Sonnen, a.a.O., § 17 Rndziff. 22; Brunner in Brunner/Dölling, JGG, 10. Aufl., § 17 Rndziff. 14). Darüber hinaus ist bei der Frage, ob Jugendstrafe zu verhängen ist, der im gesamten Jugendstrafrecht geltende Erziehungsgedanke gegenüber der Schwere der Schuld vorrangig zu beachten, (vgl. BGHSt 15, 224; StV 1982, 335; NStE, JGG, § 17 Nr. 6).

Den oben wiedergegebenen Anforderungen werden die Strafzumessungserwägungen des Jugendschöffengerichts im vorliegenden Fall nicht gerecht.

Das Jugendschöffengericht ist von einem minder schweren Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG ausgegangen. Eine Änderung des Deliktstypus tritt allerdings durch die Bewertung als minder schwerer Fall nicht ein, vielmehr bleibt die Tat ein Verbrechen, wie das Jugendschöffengericht zutreffend ausgeführt hat. Geahndet wird der minder schwere Fall einer Betäubungsmitteleinfuhr gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG aber nur wie ein Vergehen, nämlich mit einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, wobei gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 StGB auch die Verhängung einer Geldstrafe möglich ist. Dies hat der Tatrichter ebenfalls nicht verkannt. Er hätte sich allerdings auch mit der Frage befassen müssen, ob angesichts dessen die von dem Angeklagten begangene Tat objektiv noch ein ausreichendes Gewicht aufweist, um eine besondere Schuldschwere begründen zu können, insbesondere da das in die Bundesrepublik Deutschland transportierte Rauschgift nicht weitergegeben oder verkauft worden, sondern sofort nach der Einfuhr noch an der Grenze sichergestellt worden ist.

Auch die Erwägungen, auf die das Jugendschöffengericht seine Annahme der "Schwere der Schuld" gestützt hat, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zu Recht rügt die Revision, soweit das Jugendschöffengericht maßgebend darauf abgestellt habe, der Angeklagte habe sich an der Einfuhr einer Haschischmenge, die das 6 1/2-fache der nicht geringen Menge betragen und sich zum Weiterverkauf in Kleinmengen in bis zu 1000 Fällen geeignet habe, beteiligt, dass ein beabsichtigter Weiterverkauf der eingeführten Drogen an Einzelkonsumenten nicht festgestellt worden ist und sich auch nicht zwingend aus der eingekauften Menge von 670,7 g Haschisch ergibt. Es besteht vielmehr durchaus auch die -hinsichtlich ihres kriminellen Gehalts geringer zu bewertende - Möglichkeit, dass das Rauschgift für ein oder mehrere Auftraggeber für deren Eigenverbrauch bestimmt war, also nicht in der Rauschgiftszene verkauft werden sollte (vgl. BGH NJW 1983, 692).

Die Bewertung des Schöffengerichts, der Tatbeitrag des Angeklagten erscheine nicht schon deshalb entscheidend geschmälert, weil der Angeklagte einen Beuteanteil von nur 50 g Haschisch erhalten sollte; dieser Anteil sei nämlich besonders vorteilhaft gewesen, weil der Angeklagte dafür nichts habe zahlen müssen und immerhin Haschisch in einem "vierstelligen Marktwert" erhalten sollte, ist hinsichtlich der Begründung nicht nachvollziehbar und hält einer Überprüfung nicht stand.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 17.10.2000 bei der Erörterung der Frage des Vorliegens eines minder schweren Falls der Einfuhr ausgeführt, der Umstand, dass der Angeklagte das in Holland erworbene Haschisch nicht selbst habe verbrauchen oder in den Verkehr bringen wollen, sondern an der Einfuhr der Betäubungsmittel lediglich deshalb mitgewirkt habe, um von N. einen Anteil von 50 g zu erlangen, sei geeignet, der Tat ein milderes Gepräge zu geben. Für eine andere Bewertung dieses Umstandes im Rahmen der Prüfung der Schwere der Schuld besteht kein Grund. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die Tatsache, dass der Angeklagte für den für ihn bestimmten Anteil zwar keinen Geldbetrag zu zahlen, wohl aber Fahrdienste zu erbringen hatte, eine andere Beurteilung seiner Tatmotivation rechtfertigen soll. Soweit das Jugendschöffengericht auf den Wert des Anteils abgestellt hat, ist die Argumentation, der Angeklagte habe Haschisch "in einem vierstelligen Marktwert" erhalten sollen, nicht nachvollziehbar. Nach den Urteilsfeststellungen hatte N. für 1700,00 DM ca. 670,7 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 57,68 g THC gekauft. Danach ergibt sich für 50 g ein Kaufpreis von lediglich 126,73 DM. Dass der Angeklagte und N. einen Teil der angekauften Rauschgiftmenge sofort nach dem Ankauf konsumiert haben, die angekaufte Menge also etwas über 670,70 Gramm gelegen haben muss, kann, da die für einen durchschnittlichen Cannabisrausch erforderliche Wirkstoffmenge 15 mg THC beträgt (vgl. BGH NJW 1995, 794), unberücksichtigt bleiben.

Die weitere Argumentation des Schöffengerichts, der Angeklagte müsse sich außerdem die Tatschuld des Mittäters "voll zurechnen lassen", wird mit der Revision zu Recht als rechtsfehlerhaft gerügt. Mittäterschaft führt zwar bei arbeitsteiliger Tatbegehung zur Anrechnung der Tatanteile jeweils des anderen Mittäters, nicht aber zur Anrechnung von Schuld im Sinne von persönlicher Vorwerfbarkeit. Die Schuld eines jeden Mittäters ist vielmehr jeweils gesondert zu prüfen. Bei mehreren Tatbeteiligten ist jeder nach dem Maß seiner eigenen Schuld abzuurteilen (vgl. BGH NJW 1984, 2439, 2541).

Bedenken begegnet auch die durch das Schöffengericht für die besondere Schwere der Tatbeteiligungsschuld des Angeklagten angeführte Begründung, der Angeklagte habe mit "geradezu selbstverständlicher Bereitschaft tatenscheidend" bei der Einfuhr der nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln mitgewirkt.

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte den Entschluss zur Tatbeteiligung bei einem zufälligen Zusammentreffen mit dem Mittäter N. spontan gefasst, wobei die Initiative zur Tatbegehung von dem Mittäter ausging Es handelte es sich daher um eine Gelegenheitstat, die in der Regel milder zu beurteilen ist als eine Tat, die schon längere Zeit geplant und vorbereitet worden ist. Dies gilt insbesondere bei einem Jugendlichen oder bei einem ihm gleichzustellenden Heranwachsenden, bei denen spontane Tatentschlüsse häufig auf Unüberlegtheit und einen entwicklungsbedingten Mangel an Besonnenheit zurückzuführen sind. Diese Gesichtspunkte hätten von dem Jugendschöffengericht berücksichtigt werden müssen, da durch sie der durch das Schöffengericht angenommene und nach seiner Bewertung für eine Schuldschwere sprechende Umstand des besonders bedenkenlosen bereitwilligen Mitwirkens des Angeklagten bei der ihm vorgeworfenen Straftat erheblich relativiert wird.

Schließlich ist zu beanstanden, dass sich das angefochtene Urteil nicht hinreichend mit der Frage auseinandersetzt, warum gegen den Angeklagten die Verhängung einer Jugendstrafe aus Erziehungsgründen und damit zu seinem Wohl erforderlich sein soll. Der Angeklagte hat sich nach den Urteilsgründen in jeder Hinsicht positiv entwickelt. Er hat seinen Drogenkonsum und seine Kontakte zur Drogenszene beendet und lebt nach erfolgreichem Abschluss seiner Lehre sowohl beruflich als auch privat in geordneten Verhältnissen. Strafrechtlich ist er bisher trotz seines Drogenkonsums in der Vergangenheit lediglich geringfügig und zudem nicht einschlägig in Erscheinung. Hinzu kommt, dass er ausweislich der Urteilsgründe durch die im vorliegenden Verfahren verbüßte Untersuchungshaft ersichtlich beeindruckt worden ist. Angesichts dieser Umstände genügte der bloße Hinweis auf einen möglichen Rückfall des Angeklagten in sein "früheres Drogenleben", für den konkrete Anhaltspunkte nicht dargelegt worden sind, zur Darlegung der Notwendigkeit der Verhängung einer Jugendstrafe aus erzieherischen Gründen nicht.

Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht -Hattingen zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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