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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 3 Ss 7/07
Rechtsgebiete: TierschutzG


Vorschriften:

TierschutzG § 17
Zur Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit und Vorsatz hinsichtlich des Tötens eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund (§ 17 Ziff. 1 Tierschutzgesetz).
Beschluss

Strafsache

gegen H.L.

wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 04. Oktober 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 02. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gem. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Essen vom 04.10.2006 wird mit den Feststellungen insoweit aufgehoben, als der Angeklagte wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres verurteilt worden ist. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil - unter Verwerfung der weitergehenden Revision als unbegründet - im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landgericht Essen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil ist auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 24.04.2006 dahin abgeändert worden, dass der Angeklagte wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres in Tateinheit mit vorsätzlicher Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden ist; ferner ist die durch das Amtsgericht angeordnete Maßregel entfallen und die weitergehende Berufung verworfen worden. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Gelsenkirchen hatte den Angeklagten zuvor durch Urteil vom 24.04.2006 wegen gemeinschaftlichen Tötens eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, verurteilt und ihm für die Dauer von fünf Jahren jeglichen berufsmäßigen Umgang mit Pferden untersagt.

Das Landgericht hat zum unmittelbaren Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

"Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begaben sich der Angeklagte und D. kurz vor Mitternacht in die Stallungen an der Gelsenkirchener Trabrennbahn. Der Angeklagte führte eine Tasche oder einen Rucksack mit sich, in dem sich u. a. ein Seil und ein Handtuch befanden. Sie ließen das Licht im Stall aus, um nicht entdeckt zu werden.

Der Angeklagte legte Rue Royal in der Pferdebox das Seil in Form einer selbstzuziehenden Schlinge um den Hals. Das Seil warf er über die 2,80 m hohe linksseitige Mauer, die die Pferdeboxen abtrennt. Um sichtbare Verletzungen am Fell von Rue Royal zu vermeiden, legte er unter das Seil ein Handtuch um den Hals des Tieres. Nunmehr zog D., der 106 kg wog, aus der Nachbarbox, in der sich kein Pferd befand, kräftig an dem Seil, wodurch sich die Schlinge um den Hals des Pferdes zuzog. Dem Angeklagten war, als erfahrenem Renntrainer, bewusst, dass das Pferd durch diese Behandlung zu Tode kommen könnte. Er setzte sich jedoch über alle Bedenken hinweg und nahm dieses Risiko billigend in Kauf. Es kam ihm jedoch nicht darauf an, das Pferd zu töten. Vielmehr hoffte und erwartete er, dass das Pferd aus der provozierten Bewusstlosigkeit nach der Injektion wieder erwachen und aufstehen werde.

Nachdem D. kräftig an dem Seil gezogen hatte, stieg das Pferd auf die Hinterbeine und wehrte sich vehement. Es trat gegen die Boxenwände und touchierte mit verschiedenen Körperteilen selbige, wodurch es sich zahlreiche Abschürfungen und Unterhautblutungen an unterschiedlichen Körperstellen zuzog.

D. zog weiter an dem Seil, wodurch er dem Pferd schließlich die Luft abschnürte. Nach erheblichem Kampf brach das Pferd bewusstlos zusammen. Der Angeklagte entfernte Schlinge und Handtuch und setzte dem Pferd zwei Einstichstellen in die Drosselvene, wobei nicht aufklärbar war, was der Angeklagte dem Pferd injizierte. Angesichts der zwei Einstichstellen war nicht auszuschließen, dass er die zweite Injektion setzte, um das Leben des Pferdes zu retten.

Entgegen der Hoffnung und Erwartung des Angeklagten hatte das Pferd jedoch infolge des Hochziehens tödliche Verletzungen in Form eines orthostatischen Schocks (akutes Kreislaufversagen) in Verbindung mit einem hypostatischen Schock (Ersticken) erlitten und verendete, kurz nachdem der Angeklagte die zweite Injektion gesetzt hatte.

Der Angeklagte und D. wurden noch im nach wie vor dunklen Stall von den Zeugen H. und K. angetroffen. Nachdem K. das tote Pferd in der Box entdeckt hatte, informierte er die Polizei. Ob der Angeklagte angesichts des Todes seines Pferdes eine Versicherungssumme erhielt, war nicht aufklärbar."

In der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht u. a. folgendes ausgeführt:

"Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte einerseits des vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund gem. § 17 Nr. 1 Tierschutzgesetz schuldig gemacht. Er hat nämlich D. instruiert, derart kräftig an der selbst zuziehenden Schlinge am Hals des Tieres zu ziehen, dass dieses letztendlich infolge Luftmangels ohnmächtig werden sollte. Der Angeklagte selbst legte dem Pferd Handtuch und Schlinge um den Hals. D. zog entsprechend seiner Anweisung. Das Pferd kam hierdurch zu Tode.

Die Tat des Angeklagten war auch rechtswidrig. Etwaige Gesichtspunkte, die ein Töten des Pferdes gerechtfertigt hätten, sind nicht erkennbar und daher auszuschließen.

Dem Angeklagten war dabei als gelerntem Pferdewirt aufgrund seiner 30-jährigen Erfahrung im Umgang mit Pferden bewusst, dass eine derartige "Behandlung" des Pferdes auch dessen Tod verursachen konnte. Sowohl der Veterinärpathologe Prof. Dr. G. als auch der Veterinärmediziner Prof. K. haben gegenüber der Kammer noch einmal betont, dass eine derartige Umgangsweise mit dem Pferd für das Tier extrem gefährlich sei, wenngleich sie sich außer Stande sahen, ein exaktes Mortalitätsrisiko zu beziffern, da selbiges aufgrund der "Abartigkeit" der Vorgehensweise in der Literatur nicht beschrieben sei. Da der Angeklagte diese Gefahr kannte, sie gleichwohl billigend in Kauf nahm, handelte er mit Tötungsvorsatz, wenngleich er darauf hoffte, dass das Pferd nach kurzer Bewusstlosigkeit und Vornahme der Injektion wieder aufstehen werde."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand; die Revision ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Tötens eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund verurteilt worden ist; insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Im Übrigen hält der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen vorsätzlichen gemeinsamen Tötens eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund (§ 17 Ziff. 1 Tierschutzgesetz) nicht, weil die Ausführungen des Landgerichts bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht den Anforderungen genügen, die an die Darlegung und Begründung des Tatvorsatzes zu stellen sind. Lediglich die vorsätzliche Verwirklichung der Tathandlung ist strafbar (vgl. Dr. Metzger in Erbs/Kohlhaas, strafrechtliche Nebengesetze 2006 Rdnr. 6 zu § 17 Tierschutzgesetz). Die Merkmale der inneren Tatseite ergeben sich bei der gebotenen Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit nicht bereits aus den Feststellungen der Kammer; diese stehen der Würdigung als Vorsatztat vielmehr geradezu entgegen. Beide Schuldformen unterscheiden sich nach der vom BGH angewandten Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und dolos eventualis nicht im kognitiven Element, jedoch im voluntativen Element. Der bewusst fahrlässig Handelnde ist mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden und vertraut ihren Nichteintritt, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintritt des Erfolges in dem Sinne einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl, Rdnr. 9 a zu § 15 m. zahlr. w. N.; BGH NStZ 87, 362). Da die Grenzen dieser beiden Schuldformen eng beieinander liegen, müssen die Merkmale der inneren Tatseite besonders sorgfältig durch tatsächliche Feststellungen belegt und dabei insbesondere die Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihre tatsächlichen Bestandteile aufgelöst werden (vgl. BGH a.a.O.). Das Landgericht hat diesem Erfordernis nicht hinreichend Rechnung getragen; soweit es feststellt, dass der Angeklagte sich angesichts der Gefährlichkeit seines Handelns über alle Bedenken hinweggesetzt und das Risiko, dass das Pferd durch seine Behandlung zu Tode kommen könnte, billigend in Kauf genommen habe, kann hieraus gerade nicht auf dolos eventualis geschlossen werden, da allein die billigende Inkaufnahme des Risikos nicht ausreichend ist. Erforderlich ist vielmehr die billigende Inkaufnahme des Todes. Insoweit führt das Landgericht jedoch aus, dass es dem Angeklagten nicht darauf angekommen sei, das Pferd zu töten. Vielmehr habe er gehofft und erwartet, dass das Pferd aus der provozierten Bewusstlosigkeit nach der Injektion wieder erwachen und aufstehen werde. Die Ausführungen zum volutantiven Element der inneren Tatseite sprechen damit eher gegen das Vorliegen des bedingten Vorsatzes als dafür. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht angesichts der zwei Einstichstellen am Hals des Pferdes ausführt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte die zweite Injektion setzte, um das Leben des Pferdes zu retten. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte die Behandlung seinem eigenen Pferd beibrachte und der Angeklagte selbst in eher bescheidenen Verhältnissen lebte, ist es nach Auffassung des Senates im übrigen eher fernliegend, dass er sein Eigentum selbst zerstören wollte. Die Kammer hat insoweit ausgeführt, dass es an einem Motiv für die festgestellte Vorgehensweise des Angeklagten fehle und ein solches nicht aufklärbar sei. Insbesondere ist auch unklar geblieben, ob der Angeklagte angesichts des Todes seines Pferdes eine Versicherungssumme erhielt, mithin möglicherweise Absichten im Hintergrund bestanden, einen Versicherungs-betrug zu begehen.

Angesichts dieser Umstände ist der von der Kammer aus der von dem Angeklagten erkannten Gefährlichkeit offenbar gezogene Schluss vom Wissensmoment auf das Willensmoment des bedingten Vorsatzes keinesfalls ausreichend um die Verurteilung wegen vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres zu rechtfertigen. Der Senat geht andererseits davon aus, dass weitere Feststellungen hinsichtlich der inzwischen gut dreieinhalb Jahre zurückliegenden Tat und der seitens des Landgerichts umfassend durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr möglich sein werden. Da der Angeklagte tateinheitlich wegen Tierquälerei gem. § 17 Abs. 2 a Tierschutzgesetz verurteilt worden ist, bedurfte es eines (Teil-)Freispruchs durch das Revisionsgericht insoweit nicht.

b) Hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Tierquälerei ist die Revision unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit verweist der Senat - mit der Maßgabe, dass der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres wie oben dargetan der Aufhebung unterliegt - auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 08.01.2007 zum Schuldspruch im Übrigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die vorgenannten Ausführungen Bezug, die er zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

c) Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs kann das angefochtene Urteil aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs wegen des vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres keinen Bestand haben. Das Landgericht lastet dem Angeklagten nämlich entsprechend der Verurteilung erschwerend an, auch den Tod des Pferdes vorsätzlich herbeigeführt zu haben. Nachdem die Verurteilung wegen vorsätzlichen Tötens eines Wirbeltieres aber entfällt ist nicht auszuschließen, sondern liegt vielmehr nahe, dass das Landgericht im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu einer geringeren Strafe gelangen wird.

Das angefochtene Urteil war daher wie tenoriert teilweise aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Essen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, zurückzuverweisen.

Eine Entscheidung des Senats über den zugleich mit der Revisionsbegründungsschrift gestellten Antrag des Angeklagten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für die Revisionsinstanz war nicht veranlasst; die durch Beschluss des Vorsitzenden der X. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 02. August 2006 erfolgte tatrichterliche Bestellung von Rechtsanwalt A. als Pflichtverteidiger des Angeklagten wirkt bis zur Urteilsrechtskraft fort, erstreckt sich daher auch auf Einlegung und Begründung der Revision (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., Rdnr. 7 u. 8 zu § 140).

Ende der Entscheidung

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