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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 3 Ss 823/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 316
StPO § 261
StPO § 267
Allein aus der erheblichen Alkoholaufnahme des Angeklagten kann nicht auf einen (bedingten) Vorsatz hinsichtlich einer Trunkenheit im Verkehr geschlossen werden.
Beschluss

Strafsache

gegen W.B.,

wegen Trunkenheit im Straßenverkehr.

Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 02.04.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 09. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt wird.

Der Angeklagte trägt die Kosten der Revision.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 30.08.2001 folgendes ausgeführt:

"Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden.

Die Verfahrensrüge ist nicht in der gebotenen Form ausgeführt worden.

Die erhobene Sachrüge deckt einen Rechtsfehler insoweit auf, als das Amtsgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt hat. Sie ist im Übrigen offensichtlich unbegründet.

Das Amtsgericht hat mangels Vorliegens einer Einlassung des Angeklagten u.a. zu den Umständen der Alkoholaufnahme allein aufgrund der Höhe der festgestellten Alkoholkonzentration (BAK Mittelwert von 1,84 o/oo zum Entnahmezeitpunkt) angenommen, dass er im Zeitpunkt des Antritts der Trunkenheitsfahrt zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass er - absolut - fahruntüchtig sei. Diese Ansicht ist rechtsfehlerhaft. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein aus der erheblichen Alkoholaufnahme des Angeklagten nicht auf einen (bedingten) Vorsatz in diesem Sinne geschlossen werden kann, da es keinen Erfahrungssatz dahingehend gibt, dass man ab einer bestimmten Blutalkoholkonzentration seine Fahruntüchtigkeit erkennt. Zugunsten eines Angeklagten ist daher von einer fahrlässigen Begehungsweise auszugehen, wenn das Tatgericht keinerlei weitergehende Feststellungen zur Alkoholaufnahme treffen konnte und solche auch nicht mehr zu erwarten sind (zu vgl. BGH DAR 1996, 175, OLG Hamm, Beschluss vom 05.12.1995 - 4 Ss 1290/95, OLG Hamm, Beschluss vom 04.02.1999, 4 Ss 7/99, Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 316 Rdnr. 9 b m.w.N.). Auch die Erwägungen, mit denen das Tatgericht den Vorsatz des Angeklagten auf die berechnete Menge der Aufnahme alkoholischer Getränke (Bier) stützt, sind nicht geeignet, die fehlenden weiteren Beweiszeichen zu ersetzen. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine alternative Darlegung des Umfangs des aufgenommenen Alkohols, Feststellungen zu der Art der von dem Angeklagten genossenen Getränke, die zulässige Schlussfolgerungen auf ein vorsätzliches Herbeiführen der Fahruntüchtigkeit ermöglichen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2000 - 4 Ss 936/99) werden dadurch hingegen nicht getroffen. Das Amtsgericht setzt sich im übrigen in diesem Zusammenhang nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinander, dass insbesondere bei einem hohen Alkoholisierungsgrad die Fähigkeit des Täters, den Wirkungsgrad des genossenen Alkohols einzuschätzen, eingeschränkt gewesen sein kann (zu vgl. OLG Hamm, NZV 1998, 471).

Da vor dem Hintergrund der - im Übrigen rechtsfehlerfrei - vorgenommenen Beweiswürdigung weitergehender Aufklärungsmöglichkeiten zu der inneren Tatseite ausgeschlossen werden können, ist aufgrund der im übrigen tragfähigen Urteilsfeststellungen von einem fahrlässigen Verhalten, welches einer Schuldspruchberichtigung im Revisionsverfahren zugänglich ist, auszugehen (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 354 Rdnr. 13 - 15).

Aufgrund der rechtsfehlerfrei vorgenommenen Strafzumessungserwägungen ist auch ausgeschlossen, dass aufgrund der nun geänderten Schuldform eine mildere als die von dem erstinstanzlichen Gericht festgesetzte Geldstrafe in Betracht kommt. Insbesondere aufgrund des dem Angeklagten im Fahrlässigkeitsbereich auch subjektiv zuzurechnenden erheblichen Grades der Fahruntüchtigkeit wäre eine Herabsetzung der Geldstrafe, die sich im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens bewegt, nicht tat- und schuldangemessen.

Auch kommt eine Herabsetzung der in dem angefochtenen Urteil verhängte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von noch drei Monaten auch nach der gem. § 69 a Abs. 4 S. 1, S. 6 StGB gebotenen Anrechnung der Zeit der Sicherstellung des Führerscheins des Angeklagten nicht in Betracht (§ 69 a Abs. 4 S. 2 StGB).

Gegen eine Schuldspruchberichtigung im Revisionsverfahren spricht auch nicht die Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO, dieser ist vielmehr entbehrlich, da jedenfalls ausgeschlossen werden kann, dass sich der Angeklagte bei Erteilung eines solchen Hinweises anders hätte verteidigen können.

Ein ausdrücklicher Ausspruch des Revisionsgerichts über die Erledigung der Sperre infolge Zeitablaufs gem. § 69 a Abs. 5 S. 2 StGB ist entbehrlich, da der Fristablauf eine zwingende gesetzliche Folge darstellt (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 69 a Rdnr. 13)."

Dem tritt der Senat bei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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