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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 3 Ss 982/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 242
StGB § 259
Leitsatz

Zur wahlweisen Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei


Beschluss Strafsache gegen Z.B.,

wegen Diebstahls oder Hehlerei.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 24.05.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 14.10.1999 wegen Diebstahls oder Hehlerei in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagte hat das Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 24.05.2000 als unbegründet verworfen.

Die Strafkammer hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte hielt sich im Jahre 1998 zusammen mit dem anderweitig verfolgten A.R. häufiger in der Spielothek "Merkur" in der Zimmerstraße in Bielefeld auf. Die Filialleiterin der Spielothek, Frau B. und deren Mitarbeiterin, Frau N., hatten im Herbst 1998 vom Sicherheitsdienst der Spielothek Hinweise erhalten, dass in der Spielhalle möglicherweise Diebesgut umgesetzt werde. Frau B. hatte, unabhängig davon zu jener Zeit beobachtet, dass in der Spielothek prall gefüllte Tüten abgestellt und später abgeholt wurden. Sie hatte auch beobachtet, dass daran immer der Angeklagte und A.R. beteiligt waren. Frau B. war sicher, dass immer dann, wenn der Angeklagte und A.R. da waren, "etwas ablief". Wenn beide die Spielothek verlassen hatten, fand sie häufiger Kleiderbügel hinter einem weggerückten Spielgerät. Immer wenn der Angeklagte da war, musste sie aus einem der Flur leere Schuhkartons entfernen. Das Verhalten des Angeklagten und des A.R. war Veranlassung für Frau B. und Frau N., das Verhalten der beiden genauer zu beobachten.

Am Nachmittag des 08.10.1998 betrat der Angeklagte die Spielhalle 2 der Spielothek mit einer großen gefüllten Plastiktüte. Der Angeklagte begab sich zu dem in der Spielhalle 2 aufgestellten Cola-Automaten, versteckte die Tüte hinter dem Automaten und ging in die Spielhalle 3 weiter. Frau N. holte auf Bitten von Frau B. die Tüte hinter dem Cola-Automaten weg. Frau B. verständigte die Polizei. In der Folgezeit unterhielt sich der Angeklagte sichtlich nervös mit A.R.. Als kurze Zeit später uniformierte Polizeibeamte die Spielhalle betraten, verließ der Angeklagte fluchtartig die Spielhalle. In der Plastiktüte waren sieben neue Pullover im Verkaufspreis von jeweils 169,00 DM, die bei der Firma Multi-Store entwendet worden waren; an den Pullovern waren noch die Originaletiketten befestigt. Außerdem befanden sich in der Tüte zwei neue Uhren im Wert von jeweils 24,95 DM, die bei der Firma Brameier entwendet worden waren. Die entwendeten Gegenstände wurden den Firmen zurückgegeben.

Der Angeklagte hatte die Pullover und Uhren entweder in der Absicht weggenommen, diese sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen oder er hat sich diese Sachen, die ein anderer gestohlen hatte, verschafft, um sich oder einen Dritten zu bereichern."

Die Strafkammer ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe sich entweder eines Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB oder einer Hehlerei gem. § 259 Abs. 1 StGB schuldig. Der Angeklagte habe die Pullover und Uhren entweder selbst gestohlen, um sie sich zuzueignen oder er habe sich - wahlweise - die gestohlenen Sachen verschafft, um sich zu bereichern. Soweit der Angeklagte die Waren nicht selbst entwendet habe, sei aufgrund der festgestellten Tatumstände davon auszugehen, dass er sie in Kenntnis eines vorangegangenen Diebstahls übernommen habe und ihm bewußt gewesen sei, dass er dadurch die rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die Revision ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld.

Die wahlweise Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB oder Hehlerei gemäß § 259 StGB konnte keinen Bestand haben.

Eine wahlweise Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei ist grundsätzlich möglich (vgl. BGHSt 1, 303; 12,386). Sie setzt voraus, dass eindeutige Feststellungen nicht getroffen und dem Tatrichter auch nicht möglich sind.(vgl. Gribbohm in LK, StGB, 11. Aufl., § 1 Rdz. 133). Weiterhin darf die Ungewissheit, welchen von zwei oder mehr möglichen Tatbeständen der Angeklagte verwirklicht hat, nur darauf beruhen, dass jeweils die Verwirklichung der anderen Möglichkeiten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BGHSt 12, 386; Gribbohm, a.a.O.). Erforderlich ist bei einer wahlweisen Verurteilung immer eine ausreichende Darlegung, dass sich der Angeklagte nur entweder in der einen oder in der anderen Art und Weise betätigt haben kann (vgl. BGHSt 12, 386). Die Urteilsgründe müssen, wie auch sonst, die sicher erwiesenen Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden können. Soweit dies an nicht behebbaren Zweifeln scheitert, ist an deren Stelle der äußere und innere Sachverhalt der Verhaltensweisen zu schildern, die nach der Überzeugung des Gerichts allein in Betracht kommen; andere Möglichkeiten, insbesondere ein strafloses Verhalten müssen sicher ausgeschlossen sein. Es muss außerdem erkennbar sein, dass und warum unter Ausschöpfung aller Beweismittel keine eindeutigen Feststellungen möglich sind (vgl. Gollwitzer in L-R, StPO, § 261 Rdz. 170. m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht Annahme, der Angeklagte habe sich entweder als Dieb oder Hehler strafbar gemacht.

Soweit die Strafkammer dem Angeklagten vorwirft, wenn er nicht Hehler hinsichtlich der in der Spielothek vorgefundenen Gegenstände sei, müsse er diese gestohlen haben, fehlt eine hinreichende Darlegung, worauf diese Annahme beruht. In den Urteilsgründen wird lediglich mitgeteilt, dass die Gegenstände bei zwei verschiedenen Firmen entwendet worden seien. Eine Angabe der Tatzeiten, die hier schon zur Identifizierung der Taten notwendig sein dürfte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44 Aufl., § 267 Rdz. 5), sowie eine Konkretisierung der jeweiligen Tatausführung ist in den Urteilsgründen nicht erfolgt.

Für den Senat ist daher weder die Richtigkeit der Annahme der Strafkammer, die Gegenstände seien gestohlen worden, nachprüfbar, noch tragen die getroffenen Feststellungen den Schuldvorwurf einer möglichen Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der angenommenen Diebstahlstaten.

Soweit die Strafkammer zur Begründung, dass es sich bei den sieben Pullovern und zwei Uhren um Diebesgut handelt, ausführt, der Angeklagte habe selbst nicht behauptet, er oder ein anderer habe die Waren gekauft, ist diese Argumentation nicht schlüssig und daher fehlerhaft. Denn sie berücksichtigt nicht die Einlassung des Angeklagten, er habe mit der in der Spielothek vorgefundenen Plastiktüte nichts zu tun. Auf der Grundlage dieser Einlassung konnte er, ohne sich gleichzeitig selbst zu widersprechen, nicht behaupten, er oder ein Dritter habe die Gegenstände käuflich erworben.

Der Schuldausspruch konnte darüber hinaus auch deshalb keinen Bestand haben, weil die getroffenen Feststellungen die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe sich, wenn der die in der Spielothek abgestellten Gegenstände nicht gestohlen habe, jedenfalls der Hehlerei schuldig gemacht, nicht tragen. Es lassen sich vielmehr andere, für den Angeklagten günstigere Fallgestaltungen nicht ausschließen.

Die wahlweise Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei hat die Strafkammer damit begründet, falls der Angeklagte als Dieb ausscheide, habe er sie sich die Gegenstände als Hehler verschafft, indem er sie in Kenntnis eines vorangegangenen Diebstahls und in dem Bewußtsein, die dadurch geschaffene rechtswidrige Vermögenslage aufrechtzuerhalten, übernommen habe.

Eine Hehlerei gemäß § 259 StGB in der Tatbestandsalternative des "Sichverschaffens", wovon offensichtlich die Strafkammer ausgegangen ist, setzt voraus, dass dem Täter von einem Vortäter die Verfügungsbefugnis über die Sache zu eigenen Zwecken übertragen wird (vgl. BGHSt 33, 45).

Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angeklagte die Plastiktüte beim Betreten der Spielothek mit sich geführt und dort abgestellt hat. Eine von einem Vortäter abgeleitete Verfügungsgewalt des Angeklagten zu eigenen Zwecken über die Gegenstände lässt sich allein daraus, dass sich die Plastiktüte in seinem Besitz befand, nicht herleiten. Vielmehr bleibt die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte die Gegenstände nur verwahrt hat. Das bloße Verwahren einer verwendeten Sache erfüllt nicht die Voraussetzungen des "Sichverschaffens" im Sinne des § 259 StGB (vgl. BGH StV 1992, 65). Ein Verwahren gestohlener Sachen oder sonstige Unterstützungen, die dem Vortäter geleistet werden, können zwar die Tatbestandsvarianten des "Absetzens" und der "Absetzenhelfens" erfüllen. Je nach Lage des Einzelfalles kann es sich bei solchen Unterstützungshandlungen aber auch um bloße Hilfe bei der Vorbereitung künftigen Absatzes, die als solche straflos ist, oder um versuchte Absatzhilfe handeln. Damit der Begriff des "Absetzens" oder des "Absetzenhelfens" erfüllt ist, müssen zur bloßen Verwahrung oder Lagerung Begleitumstände in Gestalt einer Tätigkeit hinzutreten, die für den Dieb ein Beginn des Absetzens bedeuten. Das ist etwa der Fall, wenn der Verwahrer den Absatz bereits versucht, er das Diebesgut in Verkaufskommission übernimmt oder er es mit dem Ziel lagert, die Durchführung eines bereits feststehenden Absatzplanes zu ermöglichen. Die Lagerung oder Verwahrung als unselbständige, dem Vortäter geleistete Hilfetätigkeit erfüllt demnach für sich allein noch nicht den Hehlereitatbestand des "Absetzenhelfens", wenn es zu Absatzbemühungen überhaupt noch nicht gekommen ist (vgl. BGH NJW 1989, 1490).

Im vorliegenden Fall steht daher nicht fest, dass sich der Angeklagte, falls er die Gegenstände in der Plastiktüte nicht gestohlen haben sollte, als Hehler strafbar gemacht hat, wie es für eine wahlweise Verurteilung Voraussetzung wäre. Vielmehr kann sich das Verhalten des Angeklagten je nach Lage des Falles auch als straflose Vorbereitung einer Hehlerei oder als versuchte Hehlerei darstellen. Außerdem kommt auch Beihilfe zur versuchten oder vollendeten Hehlerei in Betracht. Dies wäre der Fall, wenn das Verhalten des Angeklagten als Unterstützungshandlung zu Gunsten eines im Interesse des Vortäters tätigen Absetzers oder Absatzhelfers oder als Hilfeleistung im Interesse eines Erwerbers der hier in Rede stehenden Gegenstände - vorausgesetzt es handelte sich um Diebesgut - anzusehen wäre (vgl. BGHSt 33, 44; StV 1984, 285). Offen bleibt auch die Möglichkeit, dass sich der Angeklagte einer Begünstigung nach § 257 StGB schuldig gemacht haben könnte.

Anzumerken ist schließlich, dass der Tatbestand der Hehlerei voraussetzt, dass der Täter in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern. Die Strafkammer hat dazu lediglich festgestellt, er habe sich - wahlweise - die gestohlenen Sachen verschafft, um sich zu bereichern. Diese Feststellungen reichen aber nicht aus, um eine Absicht des Angeklagten in dem oben ausgeführten Sinn festzustellen. Denn der bloße Besitz von Diebesgut stellt keinen Vermögensvorteil dar, wenn nicht der Täter mit der Besitzerlangung irgendeinen auf eine Verbesserung der Vermögenslage hinauslaufenden Zweck verfolgt (vgl. BGH NJW 1979, 2218). Ausführungen dazu lässt das angefochtene Urteil vermissen.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bielefeld zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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