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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.11.2001
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1049/01
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 37
Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß
Beschluss Bußgeldsache

gegen H.B.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 5. September 2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat die Betroffene "wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens" zu einer Geldbuße von 500,- DM verurteilt und ferner ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats mit der Maßgabe verhängt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr die Betroffene am 10. Dezember 2000 gegen 5.55 Uhr in Minden die Portastraße stadtauswärts mit ihrem PKW. In Höhe des Gesundheitsamts bog sie ohne anzuhalten in die zu diesem führende Stichstraße nach links ab. Die gesonderte Lichtzeichenanlage für Linksabbieger zeigte bereits seit mehr als einer Sekunde Rot an. Die Betroffene hatte dieses erkannt, bog jedoch gleichwohl ab, weil sie es eilig hatte und kein Querverkehr kam.

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht u.a. folgendes ausgeführt:

"Der Zeuge W. konnte beobachten, wie die Betroffene mit dem PKW trotz der Rotlicht zeigenden Ampel nach links abbog. Er hatte schon zuvor die Ampelanlage im Blick, weil er selbst als Fahrer hierauf achten musste. Er konnte daher bekunden, dass er schon aus einer Entfernung von ca. 150 m erkannte, dass die Ampel für Linksabbieger auf Rot geschaltet war, bevor die für den Zeugen maßgebliche Ampel für Geradeausfahrer Grün zeigte. Das Auto der vor ihm auf der linken Spur fahrenden Betroffenen ist ihm zuerst aufgefallen, als er bemerkte, dass trotz des Rotlichts kein Anhaltevorgang eingeleitet wurde. Aufgrund dieser letztlich zufälligen Beobachtung konnte der Zeuge keine exakten Zeitangaben machen. Aus der Aussage des Zeugen lässt sich aber für das Gericht herleiten, dass die Rotlichtphase bereits deutlich mehr als eine Sekunde andauerte, als die Betroffene die Haltelinie überquerte. Zwar ist die Betroffene dem Zeugen erst spät aufgefallen. Da die Ampel aber auch zuvor über einen geraumen Zeitraum Rotlicht zeigte - dies hat der Zeuge aufgrund seiner eigenen Fahrtätigkeit beobachtet - ist eine deutlich länger als eine Sekunde andauernde Rotlichtphase für den maßgeblichen Zeitpunkt gegeben. Der Zeuge selbst ist von mindestens drei Sekunden Rotlicht ausgegangen. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar. Die für die Betroffene maßgebliche Ampel zeigte für diese Rotlicht, auch als dem Zeugen ihr PKW noch nicht aufgefallen war. Dementsprechend war auch die geschilderte Verblüffung des Zeugen, als die Betroffene trotz des Rotlichts keinen Anhaltevorgang einleitete. Die Dauer des Rotlichts kann bei einer derartigen Beobachtung naturgemäß nicht exakt in Sekunden ausgedrückt werden. Das Gericht ist aber nach Aussage des Zeugen davon überzeugt, dass die dadurch gegebenen Unsicherheiten nicht in einem Bereich liegen, in dem eine Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde wegen des Grundsatzes "in dubio pro reo" verneint werden müsste."

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung der Sache an das Amtsgericht Minden beantragt.

Das zulässige Rechtsmittel der Betroffenen hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung der Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes nicht. Der von dem Amtsgericht angenommene qualifizierte Rotlichtverstoß erfordert die Feststellung, dass der Fahrzeugführer oder die Fahrzeugführerin das Rotlicht nach einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde missachtet hat. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Überprüfung zu ermöglichen, setzt dies nähere Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum Ablauf des Rotlichtverstoßes voraus. Insbesondere wenn die Feststellungen zum Zeitablauf nicht auf einer technischen Messung mittels eines geeichten Messgerätes beruhen, sind wegen der damit verbundenen zahlreichen Fehlermöglichkeiten klare und erschöpfende Feststellungen zum Zeitablauf sowie zu der Entfernung des Fahrzeugs zum Einmündungsbereich, zur Lichtzeichenanlage und zu einer ggf. vorhandenen Haltelinie zu treffen (vgl. OLG Hamm, Beschluss des 4. Senats für Bußgeldsachen vom 16. November 1995 - 4 Ss OWi 1281/95 -). Diesen Anforderungen werden die getroffenen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung nicht gerecht. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung in erster Linie aus den Aussagen des Zeugen W. gewonnen. Dieser hat die Dauer des Rotlichtverstoßes auf mindestens drei Sekunden geschätzt, ohne hierbei auf technische Messgeräte zurückgreifen zu können. Mitgeteilt wird in den Urteilsfeststellungen ferner, dass der Zeuge das Rotlicht aus einer Entfernung von etwa 150 m erkannt hat und dass sich die Betroffene zu diesem Zeitpunkt vor ihm befunden haben soll. Nicht festgestellt wird in den Entscheidungsgründen indes, in welcher Entfernung von der Lichtzeichenanlage die Betroffene sich zu diesem Zeitpunkt befunden hat und mit welcher Geschwindigkeit sie sich der Lichtzeichenanlage näherte Diese Angaben sind jedoch erforderlich, um die Dauer eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, die nicht mit geeichten Messgeräten gemessen wurde, zu berechnen und festzustellen (vgl. auch OLG Köln, NZV 1993, 119).

Da die angefochtene Entscheidung bereits aufgrund der Sachrüge hin aufzuheben ist, kann dahinstehen, ob die erhobenen Verfahrensrügen zulässig und begründet sind.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass allein aus dem Einräumen eines Rotlichtverstoßes noch nicht auf den Vorsatz geschlossen werden kann.

Ende der Entscheidung

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