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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 180/08
Rechtsgebiete: OWiG, StGB


Vorschriften:

OWiG § 32 Abs. 2
OWiG § 74 Abs. 2
StGB § 78 b Abs. 3
Ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG hat auch nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 32 Abs. 2 OWiG verjährungshemmende Wirkung.
Tenor:

Der Antrag des Betroffenen vom 11. März 2008 auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

I.

Die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit - in M hat gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 402 Abs. 2 Nr. 20 SGB III mit Bußgeldbescheid vom 27.07.2005 eine Geldbuße von 1.500 Euro festgesetzt. Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene Einspruch erhoben. Diesen hat das Amtsgericht Herford mit dem angefochtenen Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Hauptverhandlungstermin ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben ist.

Das Urteil ist dem Betroffenen am 13.11.2007 zugestellt worden. Sein Wiedereinsetzungsgesuch blieb erfolglos.

Im nicht unterzeichneten Telefax-Schriftsatz des Verteidigers vom 19.11.2007 heißt es: "(...) wird kaft und namens Vollmacht des Betroffenen Y hiermit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rechtsbeschwerde erklärt und wiederholt unter Bezugnahme auf die bisherigen Eingaben auch laut nachfolgender Anlage und mit rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts mit Hinweis auf Aktenzeichen: 1 Ss OWi 247/07 OLG Hamm". Ein weitgehend gleichlautendes, unterzeichnetes Telefax übersandte der Verteidiger noch am gleichen Tage, das Original ging am 29.11.2007 bei Gericht ein.

Mit (nichtunterzeichnetem) Telefaxschreiben an das OLG Hamm vom 11.03.2008 hat der Betroffene die Beiordnung eines Plfichtverteidigers beantragt.

Mit Schreiben vom 20.01.2008 hat der Verteidiger weitere Ausführungen, u.a. zur Rechtsbeschwerde, gemacht.

Nachdem der Betroffene darauf hingewiesen hatte, dass sein Verteidiger (möglicherweise) zum Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft keine Anwaltszulassung mehr besaß, wurde ihm die Antragsschrift erneut - persönlich - zugestellt. Der Betroffene übersandte hierauf ein Telefax, das z.T. unleserlich ist, worin aber - darauf deuten die dem Telefax beigefügten Ausdrucke und Kopien - die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Zweifel gezogen wird.

II.

Der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers war abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 OWiG (Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, Schwere der Tat) liegen nicht vor.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 79 Abs. 3 OWiG und § 349 Abs. 2 StPO.

1.

Soweit die Verletzung formellen Rechts gerügt wird, genügt die Rechtsbeschwerde nicht den für eine Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG als Verfahrensrüge (vgl. Göhler, OWiG 13. Aufl. § 74 Rdn. 48b) zu erfüllenden Begründungsanforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

2.

Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Prüfung lässt Verfahrenshindernisse bzw. das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen nicht erkennen.

Insbesondere ist noch keine Verjährung eingetreten. Für die nach § 404 Abs. 3 SGB III mit einer Geldbuße bis zu 2000 Euro bußbewehrte Ordnungswidrigkeit gilt nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 OWiG eine Verjährungsfrist von einem Jahr. Die ab dem dem Betroffenen vorgeworfenen Verstoß im Juni 2005 laufende Verjährung wurde erstmals durch Erlass des Bußgeldbescheides am 27.07.2005, zugestellt am 30.07.2005 unterbrochen (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG). Die nächste Unterbrechung erfolgte mit Eingang der Akten beim Amtsgericht am 03.07.2006 (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG). Eine weitere Unterbrechung erfolgte durch Anberaumung eines Hauptverhandlungstemins am 07.06.2006 (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG).

Am 28.08.2006 verwarf das Amtsgericht Herford den Einspruch des Betroffenen durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG zum ersten Mal. Durch dieses Urteils wurde der Ablauf der Verjährung nach § 32 Abs. 2 OWiG gehemmt ist, obwohl das Amtsgericht dem Betroffenen gegen die Versäumung der Hauptverhandlung später Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat. Diese hat die Ablaufhemmung nicht nachträglich wieder entfallen lassen. Insoweit schließt sich der Senat der diesbezüglichen Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte an (vgl.: OLG Düsseldorf VRS 58, 42; OLG Köln VRS 54, 360; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.07.2002 - 1 Ss 74/02 - juris). Es sprechen letztendlich gewichtigere Gründe dafür, die verjährungshemmende Wirkung eines Urteils nach § 74 Abs. 2 OWiG auch nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bejahen.

Dafür, die Hemmung der Verjährungsfrist aufgrund der Gewährung von Wiedereinsetzung ex nunc oder ex tunc entfallen zu lassen, könnte zwar sprechen, dass durch die Wiedereinsetzungsentscheidung das Verfahren in den Zustand versetzt wird, der bestanden hätte, wenn die Säumnis nicht eingetreten wäre (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 44 Rdn. 25). Wenn der Betroffene sein Nichterscheinen rechtzeitig und ordnungsgemäß vor Erlass des Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG entschuldigt hätte, so hätte ein solches nicht ergehen dürfen. Ohne ein solches Urteil wäre dann aber auch die Wirkung des § 32 Abs. 2 OWiG nicht eingetreten.

Dennoch ist der Senat der Ansicht, dass hier Verjährung aufgrund fortbestehender Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist noch nicht eingetreten ist. Gegen einen Wegfall der Ablaufhemmung spricht nämlich, dass der Wortlaut des § 32 Abs. 2 OWiG (wie auch der gleichlautende § 78b Abs. 3 StGB) keine Einschränkung der Ablaufhemmung je nach Schicksal der erstinstanzlichen Entscheidung enthält. Vielmehr soll nach dem Wortlaut der Ablauf der Verjährung ganz allgemein bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens - und nicht etwa bloß bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf gegen das erstinstanzliche Urteil - gehemmt sein. Daraus ergibt sich, dass die Wirkungen der Ablaufhemmung nach § 32 Abs. 2 OWiG Vorrang haben, vor etwaigen Wirkungen von Entscheidungen über Rechtsmittel oder Rechtsbehelfen, wie z.B. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Deswegen ist anerkannt, dass z.B. eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsmittelgericht die Hemmungswirkung nicht entfallen lässt (obwohl auch hierdurch ja das erstinstanzliche Urteil beseitigt wird; vgl. OLG Köln VRS 54, 360; Göhler a.a.O. § 32 Rdn. 9; Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 78b Rdn. 12).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 OWiG, i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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