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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 181/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen G.S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 15.12.2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 04. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 81 a Abs. 1 OWiG n.F. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat durch Urteil vom 15.12.2004 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 375,- € sowie ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Hinsichtlich des Fahrverbotes hat das Amtsgericht angeordnet, dass dieses erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 05.07.2003 um 22.54 Uhr mit dem von ihm geführten PKW der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX in Bielefeld die BAB 2 in Fahrtrichtung Hannover. In Höhe des Kilometersteines 329,1 überschritt er die dort durch Verkehrszeichen angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 61 km/h. Die mit einem Verkehrsradargerät des Typs Multanova MU VR 6 F gemessene Geschwindigkeit betrug 167 km/h. Zugunsten des Betroffenen erfolgte ein Toleranzabzug in Höhe von 6 km/h.

Zur durchgeführten Messung wird u.a. in den Urteilsgründen ausgeführt:

"Bei dem Radarmessverfahren mit dem Gerät Multanova MU VR 6 F handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Fehlmessung waren nicht gegeben. Vielmehr kam der Sachverständige Diplom-Ingenieur R. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Messung aus technischer Sicht nicht zu beanstanden war. Insbesondere konnte der Sachverständige ausschließen, dass durch das im Radarfoto am rechten Bildrand sichtbare Fahrzeug eine unrichtige Messung hervorgerufen wurde, da sich dieses nicht im Bereich der Radarstrahlen aufhielt. Gleiches gilt für den im hinteren rechten Bereich sichtbare Metallzaun. Die Ausführungen des Sachverständigen hierzu und auch insgesamt waren gut nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Die Sachkompetenz des Sachverständigen ist dem Gericht aus vielen Verfahren bekannt."

Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils konnte keinen Bestand haben, da die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht tragen. An die Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind zwar keine hohen Ansprüche zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob sowie ggf. aus welchen Gründen das Gericht dieser Einlassung folgt oder ob und inwieweit es seine Einlassung als widerlegt ansieht (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 42, 43 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 18.12.2003 - 3 Ss OWi 726/03 -).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Die Urteilsgründe enthalten nämlich keine Ausführungen dazu, worauf die Amtsrichterin ihre Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gestützt hat. Aus dem angefochtenen Urteil, das die Einlassung des Betroffenen zu der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit nicht mitteilt, sondern das im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung lediglich die Anmerkung enthält, dass die lange Verfahrensdauer auch auf das Prozessverhalten des Betroffenen zurückzuführen sei, welches die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Übersendung der Lebensakte des Gerätes sowie die zeitintensive Auseinandersetzung mit seinen schriftlichen Eingaben notwendig gemacht habe, lässt sich nicht entnehmen, dass der Betroffene das ihm vorgeworfene Fehlverhalten in vollem Umfang glaubhaft eingeräumt hat. Ebenso wenig ergibt sich aus den Urteilsgründen, aufgrund welcher Beweismittel die Amtsrichterin den Betroffenen als der ihm zur Last gelegten Tat überführt angesehen hat.

Darüber hinaus werden die Urteilsgründe auch nicht den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Sachverständigengutachten gerecht, wie mit der Rechtsbeschwerde zu Recht gerügt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen. Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (vgl. BGH NJW 2000, 1351; NJW 1993, 3081 = BGHSt 35, 291 (292 ff.)). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält nämlich keine geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung, warum die Messung aus technischer Sicht nicht zu beanstanden sei. Vielmehr wird im Wesentlichen nur das Ergebnis des Sachverständigengutachtens mitgeteilt. Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses kann allerdings ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat und von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081 (3083)). Als solche weithin standardisierte Verfahren sind etwa daktyloskopische Gutachten oder die Bestimmung von Blutgruppen sowie die Blutalkoholanalyse anzusehen. Aus den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass die Begutachtung des Sachverständigen Reuter auf der Grundlage eines weithin standardisierten Verfahrens erfolgt ist. Davon ist auch nicht auszugehen, da die Überprüfung einer durchgeführten Geschwindigkeitsmessung unter den unterschiedlichsten Aspekten erfolgen kann und je nach Lage des Einzelfalles unterschiedliche mögliche Fehlerquellen in Betracht zu ziehen und zu überprüfen sind.

Auch der Rechtsfolgenausspruch erweist sich als fehlerhaft. Insoweit hat die Amtsrichterin in dem angefochtenen Urteil bereits selbst darauf hingewiesen, dass sie bei Verhängung der Geldbuße von 375,- € und der Anordnung des dreimonatigen Fahrverbotes fälschlicherweise von Ziffer 11.1.10 der Bußgeldkatalogverordnung anstelle der tatsächlich hier heranzuziehenden Ziffer 11.3.9 der Bußgeldkatalogverordnung, wonach bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 61 - 70 km/h außerorts eine Regelgeldbuße von 275,- € sowie ein zweimonatiges Fahrverbot vorgesehen sind, ausgegangen ist.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass es bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung regelmäßig erforderlich ist, in den Urteilsgründen mitzuteilen, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaft begangen worden ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches zu ermöglichen.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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