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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 191/03
Rechtsgebiete: BKatVO, StPO


Vorschriften:

BKatVO
StPO § 267
Der Tatrichter muss sich mit der Frage, ob bei einem dem Betroffenen zur Last gelegten Verkehrsverstoß ggf. ein sog. Augenblicksversagen vorgelegen hat, nur dann näher beschäftigen, wenn sich der Betroffene auf ein solches berufen hat.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lübbecke vom 13. Januar 2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 04. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Betroffene ist durch Beschluss des Amtsgerichts Lübbecke vom 13. Januar 2003 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100,00 € verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn für die Dauer von einem Monat ein Fahrverbot verhängt und angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Beschlusses in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 12. November 2001 gegen 20.23 Uhr mit dem von ihm geführten Pkw die Landstraße 770 in Stemwede-Twiehausen in Fahrtrichtung Espelkamp. Auf der Höhe der Kreuzung mit der L 557 überschritt er die dort auf 70 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h. Die mit einem Messgerät des Typs Traffipax/Straffiphot-S durchgeführte Messung hatte ohne Berücksichtigung des Toleranzabzuges eine Geschwindigkeit von 122 km/h ergeben.

Zu den persönlichen Verhältnisses des Betroffenen hat das Amtsgericht ausgeführt, dieser zum Vorfallzeitpunkt 18 Jahre alt gewesen. Er sei als auszubildender Koch bei der Firma "Landhaus G." in L. beschäftigt und werde dort im Wesentlichen außer Haus für den Bereich Catering eingesetzt. Hierfür sei eine Fahrerlaubnis erforderlich. Im Falle eines Fahrverbotes würde der Service des Arbeitsgebers eingeschränkt, was sich auch für den Betroffenen auswirken könnte.

Das Amtsgericht hat weiterhin festgestellt, dass der Betroffene verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Der zur Zeit des Vorfalles gültige Bußgeldkatalog sieht für diese Geschwindigkeitsüberschreitung eine Regelbuße in Höhe von 200,00 DM sowie die Verhängung eines Fahrverbotes von einem Monat vor.

Nach Abwägung aller Umstände sieht das Gericht für die vorliegende Ordnungswidrigkeit diese Regelbuße als tat- und schuldangemessen an. Umstände, die zu einer Veränderung der Regelbuße führen könnten, waren für das Gericht nicht ersichtlich. Die Regelbuße ist auf den Durchschnittsfall einer fahrlässigen Begehungsweise eines nicht vorbelasteten Betroffenen anzuwenden. Hiervon geht das Gericht vorliegend aus.

Neben der Verhängung eines Bußgeldes hat das Gericht weiterhin entsprechend dem Bußgeldkatalog ein Fahrverbot gem. § 25 StVG von einem Monat verhängt. Das Gericht sieht nach nochmaliger Abwägung aller Gesichtspunkte nicht die Voraussetzungen, von der Verhängung des Regelfahrverbotes abzusehen. Eine Ausnahme hierzu liegt aufgrund der Feststellungen nicht vor. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass ein solches Fahrverbot für den Betroffenen als Auszubildenden berufliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Möglichkeit von Konsequenzen sind jedoch noch nicht ausreichend, in der Verhängung eines Fahrverbotes eine unzumutbare Härte zu sehen. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung liegt eine solche nur bei einer Existenzgefährdung des Betroffenen vor. Konkrete Folgen, die zu einer Existenzgefährdung des Betroffenen führen könnten, gehen aus der eingereichten Arbeitgeberbescheinigung nicht hervor. Der Verlust des Ausbildungsplatzes erscheint dem Gericht eher unwahrscheinlich, zumal dem Betroffenen gem. § 25 IIa StVG die 4-Monatsfrist einzuräumen war, so dass er über die Zeit des Fahrverbotes disponieren kann.

Auch die Tatsache, dass der Betroffene verkehrsrechtlich erstmals aufgefallen ist, kann zu keiner anderen Entscheidung führen, wobei das Gericht das Alter des Betroffenen berücksichtigt hat. Letztlich war auch die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung zu berücksichtigen. Selbst wenn an der Kreuzung die Geschwindigkeit nicht beschränkt gewesen wäre, hätte der Betroffene die allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Landstraßen überschritten."

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und sich mit näheren Ausführungen gegen die Verhängung des Fahrverbotes wendet.

Die bei zutreffender Auslegung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Verhängung der nach der Bußgeldkatalogverordnung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung in dem festgestellten Umfang vorgesehenen Regelsanktion lässt Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen nicht erkennen.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist nicht zu beanstanden, dass sich das Amtsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob dem Betroffenen möglicherweise nur ein Augenblicksversagen und damit leichte Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Denn bei der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbotes dürfen die Bußgeldstellen und die Gerichte grundsätzlich von dem Regelfall ausgehen, dass der Betroffene die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung wahrgenommen hat, mit der Folge, dass die qualifizierte Überschreitung den Vorwurf grober Pflichtverletzung begründet. Die Möglichkeit, dass der Betroffene das die Beschränkung anordnende Vorschriftszeichen übersehen hat, brauchen sie nur dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene dies im Verfahren einwendet. Dagegen muss nicht generell die abstrakte Möglichkeit eines Augenblicksversagens erörtert werden (vgl. BGH NJW 1997, 3252, 3254).

Aus dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass sich der Betroffene seinerseits auf ein Augenblicksversagen berufen hat. Entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss auch nicht, dass der Amtsrichter die konkrete Möglichkeit eines bloßen Augenblicksversagens des Betroffenen nicht hätte ausschließen können. Gegen diese Annahme spricht vielmehr, dass der Tatrichter dem Betroffenen ausdrücklich die Höhe der von ihm begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung bei seiner Entscheidung über die Anordnung des Fahrverbotes erschwerend zur Last legt.

Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbots hat der Betroffene regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern grundsätzlich nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z. B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2002 - 3 Ss OWi 1065/01 -; 06. Juni 2000 - 3 Ss OWi 237/00 -; 25. Mai 1999 - 3 Ss OWi 195/99 -; OLG Hamm VRS 90, 210; DAR 1996, 325; NZV 1995, 366).

Dass die Verhängung eines Fahrverbotes vorliegend mit derart schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen verbunden ist, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Nach den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss ergeben sich aus der von dem Betroffenen eingereichten Bescheinigung seines Arbeitgebers konkrete Folgen, die zu einer Existenzgefährdung des Betroffenen führen könnten, nicht.

Die von dem Rechtsbeschwerdeführer geltend gemachte Rüge, das Amtsgericht habe die von ihm vorgelegte Arbeitgeberbescheinigung unrichtig gewürdigt, greift nicht durch. Denn die Ankündigung negativer Auswirkungen auf den Arbeitsplatz für den Fall eines Fahrverbotes ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit der Androhung einer Kündigung des Arbeitsplatzes. Der Betroffene mag zwar den Zeitraum der Vollstreckung des Fahrverbotes nicht vollständig in seinen Jahresurlaub zu verlegen. Er hat aber auch nicht vorgetragen, dass er die Folgen eines gegen ihn angeordneten Fahrverbotes nicht zumindest teilweise durch die Inanspruchnahme von Jahresurlaub ausgleichen könnte. Hinzu kommt, dass der Betroffene bei der Firma "Landhaus Götker" als Auszubildender beschäftigt ist. Der Wegfall der Fahrerlaubnis für einige Wochen wird die weitere Ausbildung des Betroffenen zum Koch nicht hindern oder einschränken, sondern der Betroffene könnte lediglich vorübergehend in einem Teilbereich seiner Ausbildung, nämlich im Außendienst nicht eingesetzt werden. Angesichts dessen ist die Erwägung des Amtsgerichts, es sei eher unwahrscheinlich, dass der Betroffene im Falle der Anordnung eines Fahrverbotes seinen Ausbildungsplatz verlieren würde, nicht zu beanstanden.

Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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