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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.07.2008
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 364/08
Rechtsgebiete: StPO, OWiG


Vorschriften:

StPO § 345
StPO § 346
StPO § 44
StPO § 45
OWiG § 80 Abs. 3
1. Wird einem Betroffenen, der eine Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen möchte, gerichtlicherseits mitgeteilt, er könne dies auch schriftlich tun, wird deswegen eine Protokollierung nicht vorgenommen und wird später sein Rechtsmittel nach § 346 Abs. 1 StPO als nicht formgerecht verworfen, so ist der Betroffene aus Gründen der fairen Verfahrensgestaltung über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu belehren (Anschluss an BVerfG Beschl. v. 27.09.2005 - 2 BvR 172/04).

2. Die Wirkung einer zunächst richtig erteilten Rechtsmittelbelehrung kann durch nachfolgende falsche gerichtlichen Auskünfte entwertet werden.


Tenor:

1. Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

2. Dem Betroffenen wird folgende Rechtsmittelbelehrung erteilt:

Die Frist zur Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde beginnt mit Zustellung dieses Beschlusses. Die Frist beträgt eine Woche. Innerhalb dieser Frist ist der Antrag bei dem Amtsgericht Herford zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung - hier also die Begründung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde durch eine vom einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Herford - beim Amtsgericht Herford nachzuholen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Herford hat den Betroffenen mit Urteil vom 16.01.2008 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht zur Anlegung eines Sicherheitsgurtes zu einer Geldbuße von 30 Euro verurteilt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurde ihm mündlich eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und ein Merkblatt mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung ausgehändigt.

Gegen das Urteil hat der Betroffene am 22.01.2008 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt und diese mit Schreiben vom 23.01.2008 - eingegangen am 24.01.2008 - selbst begründet.

Eine weitere Begründung nach Zustellung des Urteils am 11.02.2008 erfolgte nicht.

Das Amtsgericht hat daraufhin den Antrag mit Beschluss vom 17.03.2008 als unzulässig gem. §§ 346, 345 StPO, 80 OWiG verworfen. Der Beschluss ist dem Betroffenen am 28.03.2008 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 03.04.2008, gerichtet an das Oberlandesgericht und dort eingegangen am 04.04.2008 und am 14.04.2008 bei dem AG Herford eingetroffen, hat der Betroffene erneut die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Er wendet sich darin gegen die Beschlussbegründung des Amtsgerichts vom 17.03.2008, wonach er nicht die erforderliche Form für eine Rechtsbeschwerdebegründung eingehalten habe und beruft sich darauf, dass ihm vom Amtsgericht bei Protokollierung der Einlegung des Rechtsmittels mitgeteilt worden sei, dass er eine schriftliche Begründung nachreichen könne, was der "korrekte Weg" sei.

II.

Dem Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 44, 45 StPO, 80 Abs. 3 OWiG in Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

1.

An sich wäre der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts (nachdem dem Betroffenen wegen einer unvollständigen Rechtsmittelbelehrung in diesem Beschluss - es fehlt die Bezeichnung des Gerichts, bei dem der Antrag anzubringen war - Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren gewesen wäre) unbegründet, da dieser Antrag - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht der Form des § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 OWiG genügte.

2.

Grundsätzlich würde auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ausscheiden, weil der Betroffene die verabsäumte Verfahrenshandlung nicht fristgerecht binnen einer Woche nach Zustellung des amtsgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses nachgeholt hat (§ 45 Abs. 2 StPO). Er hatte zwar schon eine Rechtsbeschwerdebegründung schriftlich früher eingereicht. Dabei ist jedoch nicht die Form des § 345 Abs. 2 StPO (Einlegung durch einen Verteidiger, Anwalt oder zu Protokoll der Geschäftsstelle) gewahrt worden. Diese hat der Betroffene - auch nachdem er durch den Verwerfungsbeschluss des Amtsgericht ausdrücklich darüber informiert wurde, dass die privatschriftlliche Begründung nicht ausreicht - nicht formgerecht nachgeholt. Die Nachholung der versäumten Prozesshandlung muss aber in der gesetzlich geforderten Form erfolgen (vgl. BGH NJW 1997, 1516; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 45 Rdn. 11).

3.

Indes verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass jedenfalls dann, wenn der Wiedereinsetzungsgrund in einem den Gerichten zuzurechnenden Fehler liegt, der Grundsatz fairer Verfahrensführung eine ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung gebietet (BVerfG Beschl. v. 27.09.2005 - 2 BvR 172/04 - juris - m.w.N.).

So liegt der Fall hier:

Der Betroffene war ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, da ihm gerichtlicherseits eine falsche Auskunft erteilt worden ist. Als der Betroffene am 22.01.2008 seinen Zulassungsantrag zu Protokoll der Geschäftsstelle beurkunden ließ, wollte er gleichzeitig auch eine Begründung protokollieren lassen. Dort wurde ihm seitens der Rechtspflegerin mitgeteilt, dass er die Begründung, da sich abzeichnete, dass sich diese nach den Ausführungen des Betroffenen sehr umfangreich gestalten würde und es bereits später Nachmittag war, schriftlich nachholen könne. Eine Protokollierung erfolgte daraufhin nicht. Dies ergibt sich aus dem Vortrag des Betroffenen und der dienstlichen Stellungnahme der Rechtspflegerin vom 26.06.2008. Dass dem Betroffenen am Ende der Hauptverhandlung eine schriftliche Rechtmittelbelehrung (Formblatt OWi 18) ausgehändigt wurde und sich aus diesem Formblatt zutreffend ergibt, dass der Betroffene einen Monat ab Zustellung des schriftlichen Urteils Zeit hat, seine Rechtsbeschwerde zu begründen und auch die geforderte Form dort benannt ist, ändert an der Bewertung nichts. Zwar wird teilweise vertreten, dass bei einer der schriftlichen Belehrung widersprechenden unrichtigen mündlichen Belehrung des Betroffenen nicht einfach von der mündlichen Belehrung ausgegangen werden dürfe (OLG Dresden NStZ-RR 2002, 171; Meyer-Goßner a.a.O. § 44 Rdn. 13). Es ist jedoch bereits höchstrichterlich entschieden, dass wenn die aufklärende Wirkung der erteilten (zutreffenden) Rechtsmittelbelehrung durch nachfolgende unrichtige Zuschriften des Gerichts wieder aufgehoben wird, die Rechtsmittelbelehrung insgesamt als unrichtig anzusehen und damit ein Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen ist (BGH NStZ 1994, 194 f.). Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn eine ursprünglich zutreffende Rechtsmittelbelehrung durch nachfolgende mündliche Auskünfte des Gerichts verunklart wird. Der Betroffene, ein juristischer Laie, konnte darauf vertrauen, dass die jeweils zuletzt erteilte Auskunft gilt und hatte daher keinen Anlass, die Angaben der Rechtspflegerin im Hinblick auf das mehrere Wochen zuvor ausgehändigte Merkblatt zu hinterfragen.

Im Hinblick darauf war dem Betroffenen nunmehr von Amts wegen Wiedereinsetzung in dem aus dem Tenor zu Ziff. 1) genannten Umfang zu gewähren und er gem. Ziff. 2) des Tenors dieses Beschlusses ausdrücklich über die Wiedereinsetzungsmöglichkeit zu belehren.

III.

Mit der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist ist der amtsgerichtliche Verwerfungsbeschluss gegenstandslos geworden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 7 StPO.

Ende der Entscheidung

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