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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 46/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen.
Gegenstand

Rechtsbeschwerde

Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 13. Oktober 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 02. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG n.F. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Die Liste der angewendeten Vorschriften wird um §§ 41 Abs. 2 Ziffer 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO ergänzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Minden hat gegen den Betroffenen durch das angefochtene Urteil vom 13. Oktober 2004 wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße von 150,- € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Zum Schuldvorwurf hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 04.09.2003 gegen 09.22 Uhr befuhr der Betroffene den Schwichowwall in Richtung Justizzentrum. In Höhe des Ratsgymnasiums befindet sich ein deutlich erkennbar aufgestelltes 30 km/h-Schild, das durch keinerlei Bewuchs verdeckt ist. Ein Bäumchen ein paar Meter vor dem Schild stellt für einen den Schwichowwall Fahrenden keine Sichtbehinderung dar, es sei denn, er wäre rechts neben der Fahrbahn noch hinter dem Bürgersteig im Grünbereich gefahren.

Der Betroffene fuhr dann weiter in Richtung Justizzentrum und überquerte die Königstraße. Unmittelbar nach der Kreuzung befindet sich rechts ein deutlich erkennbar aufgestelltes weiteres 30 km/h-Schild, das nicht durch Bauplanen etc. verdeckt war. Auch hier sichert dieses Schild eine Schule und deren Schülerverkehr. Im Verlauf dieser 30 km/h-Begrenzung wurde der Betroffene mit dem Riegl-Laser Typ LR 90-235 P, geeicht bis zum 21.12.2003 gemessen. Der Meßwert betrug 68 km/h, was unter Abzug der Toleranz einen Wert von 65 km/h entspricht.

Die Messung erfolgte von dem an dem Gerät ausgebildeten und geübten Zeugen E.. Anhalteposten war der Zeugen W.."

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 24 Abs. 2 StVG, 3 Abs. 3, 49 StVO für schuldig befunden. Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht lediglich ausgeführt, dass der Betroffene ein geregeltes Einkommen habe und im Verkehrsregister fünf Eintragungen vorhanden sind, bei denen jeweils die Bußgeldbehörde, die Höhe der Geldbuße und die Art der Ordnungswidrigkeit genannt wird, allerdings jegliche Daten zu den Verkehrsvergehen und Entscheidungen fehlen.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Danach war wegen der Voreintragungen im Verkehrsregister unter Beachtung der Schulsituation eine Geldbuße von 150,- € und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen, da das Gericht von einem fahrlässigen Verstoß ausgeht."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und seinen Freispruch, hilfsweise die Einstellung des Verfahrens und äußerst hilfsweise die Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung verfolgt. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs - zumindest vorläufigen - Erfolg.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit soweit es an der Nennung des § 41 Abs. 2 Ziffer 7, 49 Abs. 3 Ziffer 4 fehlt, war die Liste der angewendeten Vorschriften zu ergänzen.

Die Feststellungen des Amtsgerichts sind, insbesondere zur Sichtbarkeit der Verkehrszeichen, ausreichend; die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen der bezeichneten Ordnungswidrigkeit zur äußeren und inneren Tatseite. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist in sich geschlossen und widerspruchsfrei; sie lässt Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemein-gültige Erfahrungssätze nicht erkennen.

Bei der Anwendung eines standardisierten Messverfahrens reicht es aus, dass die Messmethode und der Toleranzwert angegeben werden. Weitergehender Darlegungen zur Messung bedurfte es nicht, zumal der Betroffene ausweislich der Urteilsgründe einzelne Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung nicht vorgebracht hat (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., Rdnr. 56 zu § 3 StVO m.w.N.). Soweit der Betroffene geltend macht, dass die Entfernung von mindestens 200 m zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle gemäß Runderlass des Innenministeriums vom 22.05.1996 nicht eingehalten worden sei, geht diese Beanstandung bereits ins Leere, weil die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils sich hierzu nicht verhalten. Im Gegenteil ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Messungen im Bereich einer Schule erfolgt sind; diese stellt eine schutzwürdige Zone im Sinne des Runderlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 09.04.1997 (IV C 4 - 6210) dar, bei der die an sich vorgeschriebene Mindestentfernung von 200 m u.a. in angemessener Weise am Anfang und am Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung unterschritten werden kann.

Die weitergehenden Ausführungen der Rechtsbeschwerdebegründung erschöpfen sich in unzulässigen Angriffen auf die tatrichterlichen Feststellungen insbesondere zur Sichtbarkeit der geschwindigkeitsbegrenzenden Beschilderung.

Soweit der Betroffene die Verletzung formellen Rechts rügt, ist die Rüge nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Form ausgeführt worden und damit unzulässig.

2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt jedoch Rechtsfehler erkennen, die insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Die Ausführungen des Urteils zur Begründung des angeordneten Fahrverbots sind materiell-rechtlich unvollständig. Das Urteil enthält nämlich bis auf die Äußerung, der Betroffene habe ein geregeltes Einkommen und die grobe Nennung seiner Eintragungen im Verkehrsregister, keine ausreichenden Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere den beruflichen Verhältnissen. Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Verhängung eines Fahrverbotes etwa wegen besonderer Umstände in den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen eine unverhältnismäßige Reaktion auf die Tat darstellt. Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt auch nicht deshalb, weil der Regelfall gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV indiziert ist. Denn gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (vgl. Senatsbeschluss vom 26.11.2002 - 3 Ss OWi 647/02 -; OLG Hamm, Beschluss vom 09.11.1999 - 4 Ss OWi 1061/99 -, veröffentlicht in DAR 2000, 130 m.w.N.; OLG Hamm, NZV 2002, 413; OLG Hamm, Beschluss vom 28.09.2004 - 3 Ss OWi 583/04 -). Die Indizwirkung enthebt das Amtsgericht nicht von der Verpflichtung, die Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge besonders zu begründen, wenn Anhaltspunkte für ein Abweichen ersichtlich sind. Ob hier Anhaltspunkte für eine Abweichung vorhanden sind oder das Gericht einen Regelfall ohne Besonderheiten angenommen hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht in keiner Weise nachvollziehen. Das angefochtene Urteil unterliegt deshalb hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs der Aufhebung. Da weitere Feststellungen zu treffen sind, kam die angestrebte Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht in Betracht. Die Sache ist vielmehr an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückzuverweisen.

Soweit der Betroffene geltend gemacht hat, dass der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verkehrsverstoß inzwischen etwa ca. 17 Monate zurückliege, wird darauf hingewiesen, dass eine Zeitspanne von anderthalb bis ca. zwei Jahren zwischen Tat und Ahndung nach Auffassung des Senates noch nicht so erheblich ist, dass von einem gegen den Betroffenen anzuordnenden Fahrverbot keine weitergehende Warn- und Besinnungsfunktion mehr erwartet werden könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2005 - 3 Ss OWi 699/04 OLG Hamm; Senatsbeschluss vom 25.06.2002 - 3 Ss OWi 341/02).

Ende der Entscheidung

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