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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 51/08
Rechtsgebiete: HwO, SchwarzArbG, StPO


Vorschriften:

HwO § 1 Abs. 1
HwO § 117 Abs. 1
SchwarzArbG § 8 Abs. 1
StPO § 267
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat die Betroffene mit den angefochtenen Urteil wegen vorsätzlicher Ausübung des Friseurhandwerks als stehendes Gewerbe ohne Eintrag in die Handwerksrolle zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen zur Sache getroffen:

"In der Zeit vom 01.01.1999 bis zu 29.01.2007 bot die Betroffene in dem Altenheim Haus V X-Straße in ####1 C zwei mal wöchentlich - montags und freitags - jeweils in der Zeit von 9.15 Uhr bis 12.00 Uhr Friseurdienstleistungen an und führte diese auch aus. Sie arbeitete selbstständig in Räumlichkeiten, die ihr von der Heimleitung zur Verfügung gestellt wurden.

Mit ihrer Tätigkeit erzielte die Betroffene folgende Gewinne (vor Steuern):

- 1999 5.031,23 Euro

- 2000 4.790,38 Euro

- 2001 3.811,25 Euro

- 2002 6.634,22 Euro

- 2003 6.340,83 Euro

- 2004 5.229,05 Euro

- 2005 5.115,15 Euro

- 2006 4.927,01 Euro

Im Januar 2007 machte die Betroffene noch Umsätze in Höhe von 666,- Euro.

Die mit ihrer Friseurtätigkeit erzielten Einkünfte hat die Betroffene ordnungsgemäß versteuert. Erst auf einen entsprechenden Hinweis der Verwaltungsbehörde meldete die Betroffene das Gewerbe am 10.12.2006 rückwirkend zum 31.01.1999 an.

Zu keiner Zeit war die Betroffene als Friseurmeisterin in die Handwerksrolle eingetragen."

Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt:

"Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO schuldig gemacht. Denn sie hat entgegen § 1 Abs.1 Satz 2 HandwO das Friseur-Handwerk als stehendes Gewerbe ausgeübt, obwohl sie wusste, dass sie nicht über den erforderlichen Meistertitel und den Eintrag in die Handwerksrolle verfügte."

Das Amtsgericht hat einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 e) SchwarzArbG mangels erheblichen Umfangs der erbrachten Dienstleistungen als nicht gegeben erachtet.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass die Betroffene des selbständigen Betreibens eines stehenden Gewerbes ohne gewerberechtliche Anzeige gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 d) SchwarzArbG schuldig ist, es im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthaft und im Übrigen zulässig. Sie führt auf die erhobene allgemeine Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Bielefeld.

1.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Betroffenen wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO nicht. Gemäß § 46 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen die Urteilsgründe auch bei Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht bereits nicht die Prüfung erlauben, dass die Betroffene den äußeren Tatbestand der genannten Ordnungswidrigkeit erfüllt hat.

Die Feststellungen enthalten nicht die insoweit erforderliche Darlegung, welche handwerklichen Arbeiten im Einzelnen die Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, und zwar für jeden Auftrag, nach Art, Umfang, Zeit und Ort (vgl. Senat, Beschluss vom 14.09.2006, 3 Ss 410/06 und Beschluss vom 10.03.2005, 3 Ss OWi 85/05; OLG Hamm, Beschluss vom 27.01.2006, 4 Ss OWi 887/05; OLG Schleswig, Beschluss vom 29.11.2004, 1 Ss OWi 147/04; OLG Hamm, Beschluss vom 08.02.2005, 2 Ss Owi 752/04; OLG Düsseldorf, GewArch 2000, 289 = NStZ-RR 2000, 340; OLG Düsseldorf, GewArch 2000, 346 f; OLG Hamm, Beschluss vom 18.04.2002 - 2 Ss OWi 7/02; GewArch 2002, 378). Dieser Darlegungen bedarf es zur Überprüfung, ob die Leistungen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden, und deshalb hierzu die Eintragung in die Handwerksrolle notwendig war. Arbeitsvorgänge, die beispielsweise auch aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes dieser Sparte als untergeordnet und damit vom Typ her gesehen als unwesentlich erscheinen, vermögen die Annahme eines handwerksfähigen Betriebes nicht zu begründen. Das betrifft Tätigkeiten, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades schon nach kurzer Anlernzeit ausgeführt werden können und die allein den Randbereich des jeweiligen Handwerks erfassen (BVerwG, NVwZ-RR 1992, 547, 548; OLG Celle, GewArch 2003, 80, 81), wobei im vorliegenden Fall auch wertend auf das in § 2 Friseur-MstrV (BGBl. 2001 I, S. 638) zum Ausdruck gebrachte Berufsbild zurückgegriffen werden kann (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 29.11.2004, 1 Ss OWi 147/04).

In dem angefochtenen Urteil wird lediglich pauschal festgestellt, dass die Betroffene Friseurdienstleistungen anbot und ausführte, eine genauere Darlegung der Tätigkeiten nach Art und Umfang mit einer Abgrenzung zwischen den für das Gewerbe wesentlichen und nebensächlichen Tätigkeiten fehlt dagegen.

2.

Die getroffenen Feststellungen erlauben keinen Schuldspruch wegen des selbständigen Betreibens eines stehenden Gewerbes ohne gewerberechtliche Anzeige gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 d) SchwarzArbG. Zwar erfüllen die Urteilsfeststellungen den äußeren Tatbestand dieser Ordnungswidrigkeit. Doch zum inneren Tatbestand belegen die Urteilsfeststellungen einen vorsätzlich begangenen Verstoß nicht. Nur ein solcher ist aber als Ordnungswidrigkeit verfolgbar, denn eine lediglich fahrlässige Begehung erfüllt den Tatbestand nicht, weil das Gesetz sie nicht ausdrücklich mit Geldbuße bedroht (§ 10 OWiG). Demgemäss kann nicht als Täter belangt werden, wer sich zur Tatzeit in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 11 Abs. 1 OWiG befindet, mag ihn bezüglich seiner unrichtigen Vorstellung auch der Vorwurf der Fahrlässigkeit treffen (Senat, Beschluss vom 10.03.2005. 3 Ss OWi 85/05).

3.

Im Hinblick auf die aufgezeigten Rechtsfehler kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war mit den zugrunde liegenden Feststellungen insgesamt aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung an eine andere Abteilung desselben Amtsgerichts war nicht angezeigt.

Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kam nicht in Betracht, weil weitere Feststellungen getroffen werden müssen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass in der neuen Hauptverhandlung Tatsachen festgestellt werden, die eine Verurteilung der Betroffenen rechtfertigen.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der erhebliche Umfang von Dienst- oder Werkleistungen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG nach objektiven Maßstäben zu beurteilen ist. Maßgeblich ist, ob die Arbeitskraft der Betroffenen für eine nicht zu kurze Zeit voll, überwiegend oder laufend in Anspruch genommen wird, sowie die Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Arbeitsleistung und der Grad der dafür erforderlichen Vorbildung. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob dem Betroffenen durch die Tätigkeit wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfang zugeflossen sind; er kann auch Verlust gemacht haben (vgl. Erbs/Kohlhaas-Ambs, SchwarzArbG, § 8, Rdnr. 21). Der Unrechtsgehalt einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 d) SchwarzArbG wird insbesondere nicht durch das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen (z.B. bei einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV) oder Steuern bestimmt (Erbs/Kohlhaas-Ambs, SchwarzArbG, § 1, Rdnr. 13).

IV.

Bei der erneuten Entscheidung wird das Amtsgericht auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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