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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 658/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 274
StPO § 77 b
Zur Beachtlichkeit des Fehlens von Urteilsgründen auf die Sachrüge hin.

Zur Nachholung von Urteilsgründen.


Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgerichts Herford zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat - unter Gewährung der sog. "Vier-Monats-Frist" - verhängt. Der Tenor dieses Urteils ist in dem unterschriebenen Protokoll der Hauptverhandlung vom 29.05.2008 enthalten. Am Ende des Protokolls ist auch die formularmäßige Verfügung der Zustellung einer Urteilsausfertigung mit Rechtsmittelbelehrung ausgefüllt und unterschrieben.

Gegen das Urteil hat der Betroffene noch am gleiche Tage Rechtsbeschwerde eingelegt.

Eine erste Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 09.06.2008 zugestellt. Daraufhin hat er am 20.06.2008 die Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen Rechts begründet, weil das Urteil keine Urteilsbegründung enthält. Am 27.06.2008 wurde die Akte der Richterin vorgelegt, der vermerkte: "Welches Urteil wurde zugestellt. Ich habe noch keines unterzeichnet." Unter diesem Vermerk befindet sich ein weiterer Vermerk - offenbar der Geschäftsstelle, worin auf die formularmäßige Verfügung am Ende des Protokolls verwiesen wird. Am 07.07.2008 verfügte die Richterin erneut die Zustellung des Urteils, das nunmehr gesondert und unterschrieben zu den Akten gebracht wurde (Bl. 73 f.), welches aber ebenfalls keine Urteilsgründe enthält. Am 18.07.2008 hat der Betroffene durch seinen Verteidiger dagegen erneut die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben und mit dem Fehlen der Urteilsgründe begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil - wegen des Fehlens von Urteilsgründen - mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückzuverweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat auf die allein erhobene Sachrüge hin Erfolg.

1.

Nach einhelliger Meinung ist ein Urteil, das - wie hier - keine Urteilsgründe enthält, bereits auf die Sachrüge hin aufzuheben, da das Revisionsgericht bei ihrem Fehlen nicht nachprüfen kann, ob der Strafrichter das sachliche Recht zutreffend angewandt hat (vgl.: BGH bei Kusch NStZ 1993, 30; OLG Celle NJW 1959, 1647, 1648; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 52).

2.

a) Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, das Urteil "mit den zu Grunde liegenden Feststellungen" aufzuheben, stellt sich als offensichtliches Versehen dar. Die Generalstaatsanwaltschaft begehrt gerade die Aufhebung des Urteils deswegen, weil die Gründe fehlen, folglich auch keine Feststellungen getroffen wurde. Dementsprechend bedurfte es hier eine solches Zusatzes im Tenor nicht.

b) Einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford bedurfte es nicht. Die Vorgehensweise der Amtsrichterin stellt sich nicht als Rechtsverweigerung dar. Als die Zustellung eines Urteils ohne Gründe der Amtsrichterin bekannt wurde, war zwar die Frist nach § 274 Abs. 1 StPO noch nicht abgelaufen und damit eine Nachholung der Gründe noch möglich. Dennoch ist die Nichtnachholung der Urteilsgründe vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob der unter anderem von zahlreichen Obergerichten vertretenen Ansicht zu folgen ist, dass abgesehen von den Fällen des § 77b Abs. 2 OWiG eine Nachholung der Urteilsgründe (analog § 77b Abs. 2 OWiG) generell ausscheidet, wenn das Urteil bereits ohne Gründe zugestellt wurde (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 30.06.2003 - 2 Ss OWi 412/03) oder ob der Ansicht des Bundesgerichtshof, der grundsätzlich auch die Nachholung von Urteilsgründen über die Fälle des § 77b Abs. 2 OWiG hinaus für zulässig hält (BGHSt 43, 22 ff.). Denn auch die Befürworter der letztgenannten Ansicht verneinen die Möglichkeit der Nachholung von Urteilsgründen, wenn der Weg zur Verfahrensweise nach § 77b OWiG überhaupt eröffnet ist, was nicht der Fall ist, wenn ein Fahrverbot verhängt wurde (Senge in KK-OWiG 3. Aufl. § 77b Rdn. 13; vgl. auch OLG Jena VRS 105, 364 ff.).

Ende der Entscheidung

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