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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.11.2007
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 677/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen F.H.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Westf.) vom 02.07.2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 11. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Halle (Westf.) zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Halle (Westf.) vom 02.07.2007 wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit Atemalkoholkonzentration von 0,42 mg pro Liter zu einer Geldbuße von 250,00 € verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt und angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen zur Sache getroffen:

"Am 04.11.2006 befuhr der Betroffene als Fahrer des Pkw Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX in Steinhagen die Bielefelder Straße/Vossheide in Fahrtrichtung Harsewinkel. Dabei führte er das Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,24 mg pro Liter oder mehr. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,42 mg pro Liter, festgestellt mittels Draeger Alkoholtest (Ende des Eichgültigkeit 21.12.2006)."

Zu den persönlichen Verhältnissen hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene verheiratet ist und zwei Kinder hat und zurzeit arbeitssuchend ist.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Das Gericht hat gegen den Betroffenen wegen der Tat eine Geldbuße in Höhe von 250,00 € verhängt. Daneben hat es ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen. Im Verkehrszentralregister werden 4 Punkte eingetragen. Dies entspricht dem gesetzlichen Regelsatz. Obwohl gegen den Betroffenen innerhalb von zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit bereits ein Fahrverbot verhängt worden war, hat das Gericht hier nach § 25 Abs. 2 a StVG entgegen die Regel des § 25 Abs. 2 StVG bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Das Gericht hielt es hier für ausnahmsweise angemessen von der indizierten Regel abzuweichen, weil hier zu Gunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten insofern vorliegen als der Betroffene, der wie gesagt derzeit arbeitssuchend ist, grundsätzliche Tätigkeiten im Baugewerbe ausübt. Diese Tätigkeiten sind in der Regel Saisongeschäfte, die vor allem im Sommer ausgeübt werden. Für diese Tätigkeit würde er in jedem Fall einen Führerschein brauchen, da es nötig ist, von einer Baustelle zur anderen fahren oder auch auf der Baustelle Materialien mit dem Fahrzeug zu transportieren. In den Wintermonaten werden die Bauarbeiter, wie dem Gericht bekannt ist, regelmäßig freigesetzt, wenn keine oder nur wenige Bauaufträge durchzuführen sind. Insofern träfe es den Betroffenen hier besonders hart, wenn er nun in den Sommermonaten keinen Führerschein zur Verfügung hätte. Er würde dadurch quasi daran gehindert sich auf eine Tätigkeit, für die er qualifiziert ist zu bewerben, wohingegen er das Fahrverbot im Winter, wenn er ohnehin damit rechnet keine Tätigkeit mehr auf dem Bau zu finden, sehr viel leichter ertragen könnten. Das Gericht hält es unter diesen Umständen für gerechtfertigt dem Betroffenen, der in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich zu weiterem Wohlverhalten ermahnt wurde, noch einmal die 4 Monatsfrist zu gewähren, zumal nach Auffassung des Gerichts der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt nach dem Eindruck in der Hauptverhandlung auch bei einer zeitlich verzögerten Ableistung des Fahrverbotes erreicht werden kann."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die allgemeine Sache erhoben worden ist.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache zumindest vorläufig teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und in diesem Umfang zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Halle (Westf.).

1. Das Hauptverhandlungsprotokolls des Amtsgerichts Halle (Westf.) vom 02.07.2007 enthält auf der letzten Seite in der vorgedruckten Spalte "das Protokoll wurde fertiggestellt am" allerdings keinen Datumseintrag. Es befindet sich aber am Ende dieser Seite im Anschluss an die vorgedruckte Verfügung betreffend die Urteilszustellung das handschriftlich eingetragene Datum "02.07.07" und sodann folgen die Unterschriften sowohl der erkennenden Richterin als auch der an der Hauptverhandlung mitwirkenden Urkundbeamtin der Geschäftsstelle. Das Fehlen eines ausdrücklichen Fertigstellungsvermerks beweist aber nicht, dass das Protokoll tatsächlich nicht fertiggestellt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 271 Rdnr. 20). Vielmehr ist hier in Übereinstimmung mit der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft aufgrund der Unterschriften sowohl der Vorsitzenden als auch der Urkundsbeamtin am Ende des Protokolls davon auszugehen, dass dieses am 02.07.2007 fertiggestellt worden ist. Der Senat geht daher von einer wirksamen Zustellung des angefochtenen Urteils an den Verteidiger des Betroffenen aus, die ausweislich der Akten am 13.08.2007 erfolgt ist. Infolge dessen ist auch inzwischen die einmonatige Rechtsbeschwerdebegründungsfrist abgelaufen, so dass der Senat in der Sache entscheiden kann.

2. Der Bestand des angefochtenen Urteils wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieses eine Liste der angewendeten Vorschriften gem. § 260 Abs. 5 StPO vermissen lässt. Denn nach Heranziehung der Urteilsformel und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe bleibt hier nicht zweifelhaft, welchen Ordnungswidrigkeitentatbestand das Amtsgericht als erfüllt angesehen hat. Der Urteilstenor bezieht sich nämlich eindeutig auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 1 1. Alternative StVG, wobei dem Betroffenen ein fahrlässiges Handeln vorgeworfen wird. In den Urteilsgründen heißt es außerdem ausdrücklich, dass der Betroffene ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,24 mg pro Liter oder mehr geführt habe, sowie dass er wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,24 mg pro Liter (richtig jeweils: 0,25 mg pro Liter) schuldig zu sprechen sei, wobei ausdrücklich auf die Vorschrift des § 24 a Abs. 1 StVG verwiesen wird.

3. Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung Stand.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 10.10.2007 u. a. folgendes ausgeführt:

"Die Feststellungen tragen die Verurteilung.

Dies gilt insbesondere für die Feststellungen zur Atemalkoholkonzentration.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration mit Hilfe eines zugelassenen und geeichten Messgerätes um ein standardisiertes Messverfahren (zu vgl. BGH, NZV 2001, 267). In diesem Fall müssen, wenn keiner der Verfahrensbeteiligten die Richtigkeit der Messung in Zweifel zieht, keine näheren tatsächlichen Feststellungen zur Messmethode getroffen, sondern nur die Messmethode und der gemessene Atemalkoholwert mitgeteilt werden. Insbesondere ist es entbehrlich festzustellen, dass die Eichung des Messgerätes noch gültig ist und die Bedingungen für das Messverfahren wie Einhaltung der Kontrollzeit und Durchführung von zwei Einzelmessungen gewahrt worden sind. Mithin reicht es grundsätzlich aus, wenn in den Urteilsgründen die Messmethode und der Atemalkoholwert mitgeteilt werden (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 01.12.2003 - 3 Ss 658/03 -).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht, denn die Messmethode und der angemessene Wert sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen.

Hinzu kommt, dass der Betroffene das Führen des Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand eingeräumt hat."

4. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

Zwar hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen des ihm vorgeworfenen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 1 und Abs. 3 StVG die für einen solchen Verstoß nach der Bußgeldkatalogverordnung bzw. gem. § 25 Abs. 1 S. 2 StVG vorgesehenen Regelsanktionen, nämlich ein Bußgeld in Höhe von 250,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und zudem zugunsten des Betroffenen eine Anordnung gem. § 25 Abs. 2 a StVG getroffen, obwohl nach den Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hatten. Dennoch konnte die Bußgeldfestsetzung keinen Bestand haben. Denn das Amtsgericht hat sich nicht hinreichend mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen befasst. Die bloße Mitteilung, dass der Betroffene arbeitssuchend sei, reicht insoweit nicht aus. Denn es bleibt offen, ob der Betroffene überhaupt bzw. gegebenenfalls in welchem Umfang er über Einkünfte verfügt. Angesichts dessen hätte es bei der hier verhängten Geldbuße von 250,00 € weitere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen bedurft, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die verhängte Geldbuße unter Berücksichtigung der Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG hier noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ab welcher Bußgeldhöhe bei der Verhängung von Regelgeldbußen nach der Bußgeldkatalogverordnung in der Regel nicht mehr von einer geringwertigen Geldbuße auszugehen ist und deshalb eine nähere Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist. Sie sind jedenfalls dann zu prüfen und zu berücksichtigen, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass sie außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. König in Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 17 Rdnr. 29). Letzteres ist vorliegend der Fall, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene nur über sehr geringfügige Einkünfte verfügt.

Die erforderliche Überprüfung wird dem Rechtsbeschwerdegericht auch nicht durch die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur zukünftigen Berufstätigkeit des Betroffenen ermöglicht. Denn insoweit wird lediglich ausgeführt, dass der Betroffene in der Regel im Sommer Tätigkeiten in Form einer Saisonbeschäftigung im Baugewerbe ausübt. Welche Einkünfte er dabei zu erwarten hat, wird aber nicht dargelegt.

Wegen der Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot unterlag der gesamte Rechtsfolgenausspruch der Aufhebung.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bezüglich etwaiger Voreintragungen des Betroffenen die Angabe des Tages der Rechtskraft der jeweiligen Voreintragung erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung der Verwertbarkeit der Voreintragungen zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

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