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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 7/06
Rechtsgebiete: StPO, StVO


Vorschriften:

StPO § 267
StVO § 3
Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehören neben der Angabe des Messverfahrens auch der berücksichtigte Toleranzwert, soweit die Überzeugung des Tatrichters von der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf mit anerkannten Geräten in weithin standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnissen beruht.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.A.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 29.08.2005 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 01. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zur Täterschaft (Fahrereigenschaft) des Betroffenen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen am 29.08.2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 125,00 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Gegen das seinem Verteidiger am 17.10.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.08.2005 bei dem Amtsgericht Essen eingegangene Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom selben Tage, die mit bei dem Amtsgericht Essen am 20.10.2005 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.10.2005 begründet worden ist.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und fristgemäß begründet worden.

1.

Das Urteil ist dem Verteidiger am 17.10.2005 wirksam zugestellt worden. Der Verteidiger hat zwar in diesem Verfahren keine Vollmacht zur Akte gereicht, ihm war vom Betroffenen aber zuvor rechtsgeschäftlich Zustellungsvollmacht in einem weiteren Bußgeldverfahren erteilt worden. Die zu den Akten 49 OWi 79 Js 1883/04 - 697/04 AG Essen - 3 Ss OWi 925/05 gereichte Vollmacht des Betroffenen, der von seinem Verteidiger in jenem und in dem vorliegenden Verfahren am 29.08.2005 vor dem Amtsgericht vertreten worden war, wurde nicht auf ein Mandatsverhältnis in einem bestimmten Verfahren beschränkt, sondern unter einem Zeichen des Verteidigers erteilt, das in beiden Verfahren gleichermaßen verwendet worden ist. Damit hat auch für das vorliegende Verfahren eine Zustellungsvollmacht vorgelegen.

2. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch - zumindest vorläufig - weitgehend Erfolg.

Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge im Schuldspruch mit Ausnahme der Feststellungen zur Täterschaft (Fahrereigenschaft) des Betroffenen sowie im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben. Die Feststellungen des Amtsgerichts zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung sind nämlich lückenhaft und bieten damit keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung.

Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehören neben der Angabe des Messverfahrens auch der berücksichtigte Toleranzwert, soweit die Überzeugung des Tatrichters von der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf mit anerkannten Geräten in weithin standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnissen beruht (zu vgl. Hentschel, StV, 37. Auflg., § 3 StVO, Rdn. 56 b m. w. N.). Demgegenüber teilt das angefochtene Urteil lediglich mit, dass der Betroffene die von ihm befahrene Strecke mit einer durch das Messgerät Traffipax speedophot gemessenen "Geschwindigkeit von 83 km/h abzüglich Toleranz" befahren habe. Feststellungen zur Höhe der "Toleranz" enthält es dagegen nicht.

Ohne die fehlenden Angaben zum Toleranzwert kann aber das Rechtsbeschwerdegericht nicht beurteilen, ob die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen zutreffend festgesetzt worden sind. Diese hängen nach Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog entscheidend vom Ausmaß der vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung ab, die sich wiederum nach der von dem jeweiligen Messverfahren abhängigen Höhe des jeweiligen Toleranzabzuges bemisst. Vorliegend hat die toleranzbereinigte Geschwindigkeit des Betroffenen nach den Feststellungen des Amtsgerichts 83 km/h und das Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung 33 km/h betragen. Bei der hier durchgeführten Radarmessung mit dem o.g., dem Senat gerichtsbekannten Messgerät, wäre ein Toleranzabzug von 3 km/h geboten gewesen. Ob er tatsächlich erfolgt ist oder ob rechtsfehlerhaft ein geringerer Toleranzwert abgezogen wurde, kann vom Senat nicht nachvollzogen werden. Die Angabe des Toleranzwertes und der Messmethode war vorliegend auch nicht aus anderen Gründen - wie etwa einem Geständnis des Betroffenen - entbehrlich.

Bestehen bleiben konnten dagegen die von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffenen und auch im übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Fahrereigenschaft und damit Täterschaft des Betroffenen. Insoweit ist anerkannt, dass Feststellungen, die von einem Rechtsfehler nicht betroffen sind, aufrechterhalten bleiben können, insbesondere auch Teile der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen (vgl. BGH NZV 2004, 479 f).

Ende der Entscheidung

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