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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 82/05
Rechtsgebiete: SchwArbG, OWiG


Vorschriften:

SchwArbG § 1
OWiG § 9
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen, wenn dem Betroffenen ein Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zur Last gelegt wird.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen P.J.

wegen Verfallbeteiligte

wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Auf die Rechtsbeschwerden des Betroffenen und der Verfallbeteiligten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 19. Oktober 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 03. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3, 80a Abs. 2 OWiG, 349 Abs. 4 beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen selbstständigen Betreibens eines Handwerks als stehendes Gewerbe ohne erforderlichen Eintrag in die Handwerksrolle eine Geldbuße von 5.000,- € - unter Gewährung von Ratenzahlungen - verhängt. Gegen die Verfallsbeteiligte Firma J. GmbH hat das Amtsgericht den Verfall in Höhe von 46.000,- € angeordnet.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Zum 01.05.1999 meldete der Betroffene als ehemaliger Geschäftsführer der Firma J. GmbH das Gewerbe "Bodenleger und Einbau von Baufertigteilen" an. Am 30.06.1999 wurde die J. GmbH unter HRB XXXXXX im Handelsregister eingetragen.

Obwohl der Betroffene wußte, daß er bzw. die GmbH dazu mangels eines erforderlichen Eintrags in die Handwerksrolle nicht berechtigt war, führte die J. GmbH, die durchschnittlich etwa 10 Mitarbeiter beschäftigte, in der Zeit vom 01.05.1999 bis zum 15.05.2003 an zahlreichen nachfolgend näher bezeichneten Bauvorhaben Maurer-, Betonbauer-, Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten durch."

Weiter folgt eine vierseitige Tabelle, in der ein Name (offenbar der Name des Bauherrn des Bauvorhabens), ein Aussagedatum der jeweiligen Person, eine Spalte, in der "Arbeiten laut Zeugenaussage", eine Spalte: "Arbeiten laut Rechnung", eine weitere Spalte "Handwerk" sowie zwei weitere Spalten, in denen Rechnungsdatum, Rechnungsbetrag in DM und Rechnungsbetrag in Euro aufgeführt sind. Die Aufstellung enthält handschriftliche Einfügungen von Beträgen unter Bezugnahme auf Blattzahlen der Gerichtsakte sowie Streichungen einzelner Tabellenpositionen. Der Gesamtbetrag der Rechnungen ist mit 170.790,77 € angegeben. Wegen der Einzelheiten der tabellarischen Aufstellung wird auf Bl. 4 bis 7 des angefochtenen Urteils (S. 1557 - 1559 d.A.) verwiesen.

Weiter enthält das Urteil folgende Feststellungen zur Sache:

"Das Gesamtvolumen der Aufträge beträgt ca. 900.000,00 Euro.

Am 15.05.2003 wurde die J. GmbH mit dem Maurer- und Betonbauerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen, nachdem mit der Einstellung des X.Y. als Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung vorlagen."

Das Amtsgericht hat es nach den Feststellungen, die der Betroffene letztendlich vollumfänglich eingeräumt habe, als erwiesen angesehen, dass sich der Betroffene als Geschäftsführer der J. GmbH einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG schuldig gemacht habe. Wegen der weiteren Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Betroffene und die Verfallsbeteiligte haben gegen dieses Urteil jeweils Rechtsbeschwerde eingelegt und mit näheren Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 OWiG statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerden haben in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führen auf die erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Bielefeld.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs. 1 SchwArbG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nicht. Gemäß § 46 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen die Urteilsgründe auch bei einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht bereits nicht die Prüfung erlauben, dass der Betroffene den äußeren Tatbestand der genannten Ordnungswidrigkeit erfüllt hat.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gegen die Bekämpfung der Schwarzarbeit in der für die Tatzeit geltenden Fassung handelt ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringt, obwohl er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils enthalten nicht die insoweit erforderliche Darlegung der handwerklichen Arbeiten im Einzelnen, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen seines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, und zwar für jeden Auftrag, nach Art, Umfang, Zeit und Ort (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2000 - 2 a Ss (OWi) 54/00 - (OWi) 28/00 II, GewArch 2000, 289; OLG Düsseldorf, B. v. 09.04.2001 - 2 a Ss (OWi) 27/01 - (OWi) 17/01 II; GewArch 2000, 346 f; OLG Hamm, Beschluss vom 18.04.2002 - 2 Ss OWi 7/02; GewArch 2002, 378; Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 5. Aufl., Rdnr. 20 zu § 1 SchwArbG). Dieser Darlegungen bedarf es zur Überprüfung, ob die Leistungen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden, und deshalb hierzu die Eintragung in die Handwerksrolle notwendig war. Arbeitsvorgänge, die beispielsweise auch aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes dieser Sparte als untergeordnet und damit vom Typ her gesehen als unwesentlich erscheinen, vermögen die Annahme eines handwerksfähigen Betriebes nicht zu begründen (vgl. Ambs, a.a.O.; BVerwGE 58, 217 ff.).

Die bloße Einordnung der Tätigkeiten im Rahmen der tabellarischen Darstellung in den Urteilsgründen in verschiedene Handwerke (Maurer-, Betonbauer-, Zimmerer- und Dachdecker), die zum Teil schon objektiv unstimmig ist (beispielsweise Bauvorhaben Kindt Arbeiten laut Zeugenaussage Zimmerarbeiten, laut Einordnung Mauer- und Betonbauer), und die im Einzelnen in keiner Weise dargetan sind, ermöglicht die Beurteilung, dass die Arbeiten den Kernbereich des jeweiligen Handwerks betreffen, nicht. Ferner muss der erhebliche Umfang der Tätigkeiten, der hier ebenfalls in keiner Weise dargetan ist, nachvollziehbar sein. Die Urteilsfeststellungen sind insoweit unvollständig und bilden keine hinreichende Nachprüfungsgrundlage; der tatsächliche Inhalt und der erbrachte Umfang der Werkleistungen bleiben völlig unklar. Die Angabe des Umsatzes für die ausgeführten Tätigkeiten anhand der betreffenden Rechnungsdaten und Rechnungsbeträge reicht insoweit nicht aus (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O.). Weil im Rahmen des angemeldeten Gewerbes Bodenlegerarbeiten und der Einbau von Baufertigteilen in zulässiger Weise erbracht werden durften, bedarf es auch aus diesem Grunde einer genauen Darlegung und Differenzierung der erbrachten Leistungen. Darüber hinaus fehlt es auch an einer hinreichenden Feststellung des Ortes der Werkleistungen, an der es vollständig fehlt.

Das angefochtene Urteil war aufgrund der aufgezeigten Mängel mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Eine Einstellung des Verfahrens kam indes nicht in Betracht. Der ergangene Bußgeldbescheid der Stadt Bielefeld vom 10.05.2004 gegen den Betroffenen und der Verfallsbescheid vom selben Tage gegen die Verfallsbeteiligte Firma J. GmbH genügen noch den gemäß §§ 66 Abs. 1 Nr. 3, 87 Abs. 3 u. Abs. 5 OWiG an sie zu stellenden Anforderungen, die u.a. ihre Eignung als Prozessvoraussetzung und damit als Grundlage des gerichtlichen Bußgeldverfahrens begründen. Ihrer Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen, werden die Bescheide, obgleich sie dieselben tabellarischen Aufstellungen mit Ausnahme der handschriftlichen Streichungen und Zusätze enthalten und die Gegenstand der Urteilsgründe geworden sind, noch gerecht, denn sie lassen insbesondere aufgrund der Bezeichnung der Arbeiten mit Rechnungsdaten keinen Zweifel darüber zu, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll, (vgl. BGHSt 23, 366 ff. m.w.N.).

Aufgrund der Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen ist auch der Verfallanordnung gegen die Firma J. GmbH gemäß § 29 a Abs. 2 OWiG die Grundlage entzogen.

Das Amtsgericht wird bei der erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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