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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 878/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei Täteridentifzierung anhand eines Lichtbildes und aufgrund eines Sachverständigengutachtens.
Beschluss

Bußgeldsache gegen G. Z.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 17.10.2006 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 23.02.2007 durch die Richterin am Landgericht Hülsmann als Einzelrichterin gem. § 81 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht Gütersloh hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 150,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 02.12.2004 gegen 17.38 Uhr mit dem von ihm geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen GT-xxxx in 33442 Herzebrock-Clarholz die Groppeler Str. (L 927) in Fahrrichtung Herzebrock. In dem außerhalb der geschlossenen Ortschaft liegenden Bereich überschritt er bei km 1,9 die dort durch beidseitig der Fahrbahn aufgestellte Zeichen 274 auf 70 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h. Die mit einer stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs Traffipax "speedophot" gemessene Geschwindigkeit betrug 127 km/h. Zugunsten des Betroffenen erfolgte ein Toleranzabzug in Höhe von 4 km/h.

Der Betroffene hat sich ausweislich der Urteilsgründe zur Sache zunächst dahin eingelassen, er sei nicht gefahren. Als Fahrer kämen sein Bruder Ed., dessen ladungsfähige Anschrift der Betroffenen mitgeteilt hat, sein Bruder Re. und sein Mitarbeiter Da. in Betracht. Später hat der Betroffene erklärt, sich zur Sache nicht mehr einzulassen.

Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen wie folgt begründet:

"Das Gericht ist zunächst davon überzeugt, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des PKW handelte, der zur angegebenen Tatzeit von der der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage angeschlossenen Kamera fotografiert worden ist.

Wegen der Einzelheiten der Abbildung wird auf die Foto Bl. 8 - 10 d. A. verwiesen, §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO.

Das Gericht hat den Betroffenen während der Verhandlung in Augenschein nehmen können. Es hat festgestellt, dass es sich bei dem Betroffenen um die auf dem Foto auf Bl. 1 c der Akte oben wiedergegebene männliche Person handelt.

Diese Feststellung stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H..

Der Sachverständige hat Auszüge von dem Messfoto gefertigt. Wegen dieser Auszüge wird gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Fotos Bl. 79 d. A. Bezug genommen. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass auf diesen Auszügen insgesamt 20 beschreibbare Gesichtsmerkmale zu sehen sind, u.a. die Gesichtszüge, das Gesichtsrelief, die Wangenknochen, die Polsterung der Unterkieferränder, den Augenbrauenabstand, die Lidspalte, die Form des Mundes, die Form der Kinnregion und die Kontur des linken Ohres. Weiterhin hat der Sachverständige von dem Betroffenen und dem Zeugen Ed. Z. in der Hauptverhandlung Polaroidfotos und Digitalfotos gefertigt. Anhand der Polaroidfotos, wegen deren Einzelheiten gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf Bl. 101 d.A. verwiesen wird, hat er zunächst erläutert, warum der Zeuge als Fahrer nicht in Betracht kommt. Er hat ausgeführt, dass das Längen-Breitenverhältnis des Gesichts, die Form der Wangenknochen, die Form des Gesichts und die Form der Augenbrauen des Zeugen nicht mit den entsprechenden Merkmalen der Person auf dem Messfoto übereinstimmen.

Anschließend hat der Sachverständige nachgewiesen, dass sämtliche auf dem Messfoto erkennbare Merkmale in identischer Form auf den Polaroidfotos wieder zu finden sind. Schließlich hat der Sachverständige anhand digitalisierter Aufnahmen des Messfotos und des Betroffenen auf dem Bildschirm seines Notebooks die Identität der Proportionen beider Gesichter belegt, indem er beide Fotos übereinander gelegt hat. Angesichts dieser Ausführungen hatte das Gericht, das den Sachverständigen aus zahlreichen Verhandlungen als zuverlässig und sachkundig kennen gelernt hat, keine Zweifel an der Fahrereigenschaft des Betroffenen."

...

"Die von dem Betroffenen ursprünglich aufgezeigte Möglichkeit, dass noch zwei weitere Personen als Fahrer in Betracht kommen, musste außer Betracht bleiben. Der Betroffene hat trotz Aufforderung des Gerichts die ladungsfähigen Anschriften für diese Personen nicht benannt. Das Gericht ist unter diesen Umständen nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, wer eventuell noch das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt haben könnte."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 19.10.2006, die am 23.10.2006 beim Amtsgericht Gütersloh eingegangen ist, und welche nach Zustellung des Urteils am 31.10.2006 durch am 30.11.2006 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz des Verteidigers des Betroffenen näher begründet worden ist.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und in vollem Umfang begründet ist. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Gütersloh.

Das angefochtene Urteil konnte keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten nicht gerecht werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 2000, 1351; NJW 1992, 3081). Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses kann allerdings ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat und von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081). Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt sich aber nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (vgl. BGH NJW 2000, 1350), so dass sich dessen Darstellung im Urteil nicht im wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachten beschränken kann.

Um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Schlüssigkeit eines solchen Gutachtens zu ermöglichen, bedarf es daher zunächst einer Darlegung, auf welche und wie viel übereinstimmende Körpermerkmale der Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt hat und auf welche Art und Weise er die Übereinstimmungen ermittelt hat. Nach den Urteilsgründen hat der Sachverständige 20 übereinstimmende Gesichtsmerkmale festgestellt. Mitgeteilt werden aber lediglich 10 Merkmale bzw. Gesichtsbereiche, deren spezifische Ausprägungen zudem nicht näher beschrieben werden.

Die Urteilsgründe müssen außerdem darüber Aufschluss geben, wie der Sachverständige den Aussagewert der in Betracht kommenden morphologischen Übereinstimmungen im Hinblick auf die Häufigkeit oder Seltenheit des jeweils betroffenen Merkmals beurteilt hat (vgl. BGH NStZ 1991, 596; OLG Celle NZV 2002, 472; Thüringer OLG VRS 110, 115). Ausführungen dazu lässt das angefochtene Urteil aber vermissen. Die Bewertung der Beweisbedeutung der Merkmale im einzelnen bzw. in ihrer Gesamtheit durch den Sachverständigen wird nicht mitgeteilt. Es hätte darüber hinaus Angaben dazu bedurft, auf welchem biostatistischen Vergleichsmaterial das Begutachtungsergebnis des Sachverständigen beruht (vgl. BGH NJW 2000, 1350). Auch hierzu lässt sich aus dem amtsgerichtlichen Urteil nichts entnehmen.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Gütersloh zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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