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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.01.2009
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 885/08
Rechtsgebiete: FeV, PBefG, FreistellungsVO


Vorschriften:

FeV § 48
FeV § 75 Nr. 12
PBefG § 57
FreistellungsVO § 1 Nr. 4
1. Nach § 48 Abs. 1 FeV i.d.F.der Verordnung vom 18.07.2008 (BGBl. I, 1338) bedarf es keiner Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung mehr, wenn es wegen der Friststellung von der Erlaubnispflicht nach der Freistellungsverordnung auch keiner Erlaubnis nach dem Personenbeförderungsgesetz bedarf.

2. Ein Fahrdienst für den notärztlichen Eildienst fällt unter den Befreiungstatbestand nach § 1 Nr. 4 lit. a FreistellungsVO.


Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

2. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

3. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

4. Der Betroffene wird freigesprochen.

5. Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Halle (Westf.) hat den den Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 48 Abs. 8 FeV in zwei Fällen zu einer Geldbuße von je 75 Euro verurteilt.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene war zum Tatzeitpunkt Geschäftsführer der Firma H. Die vorgenannte Firma bietet neben ############# auch einen Service für den ärztlichen Notfalldienst an. Im Rahmen dieses Angebots fährt der Betroffene u.a. gemeinsam mit dem jeweils diensthabenden Arzt zu Hausbesuchen, füllt die notwendigen Formulare aus und bereitet Spritzen und Medikamente vor. Zu diesem Zweck steht ein Fahrzeug der o.g. Firma ständig zu Verfügung. Die Entscheidung, ob dieses Fahrzeug verwendet wird oder nicht, liegt bei dem diensthabenden Arzt. Kommt das Fahrzeug zum Einsatz, wird es von dem Betroffenen geführt. Für diesen Service wird eine Pauschale abgerechnet, die von der Inanspruchnahme des bereitgehaltenen Fahrzeugs der o.g. Firma unabhängig ist. Jeweils am ####### gegen ##### Uhr und am ####### gegen ###### Uhr fuhr der Betroffene als Führer des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen H den diensthabenden Arzt zu einem Hausbesuch."

Gegen das Urteil hat der Betroffene am 07. 01. 2008 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Nachdem zunächst am 07.05.2008 ein nicht mit Gründen versehenes Urteil an den Betroffenen zugestellt wurde, hat dieser am 02.07.2008 Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist beantragt und die Rechtsbeschwerde begründet. Am 01.10.2008 wurde dann eine Urteilsausfertigung, mit Gründen, erneut zugestellt.

Der Betroffene meint, seine Tätigkeit unterfalle nicht dem PBefG und damit auch nicht der FeV, weil es sich um eine gemischte Dienstleistung handele und nicht festgestellt werden könne, dass es sich bei der Personenbeförderung um eine entgeltliche Dienstleistung handele. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen, da dies zur Fortbildung des Rechts geboten war. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob bei derartigen gemischten Verträgen, bei denen Beförderungs- und Nichtbeförderungsleistungen pauschal abgerechnet werden, eine unter §§ 48, 75 Nr. 12 FeV fallende Personenbeförderung vorliegt, ist - soweit ersichtlich - bisher noch nicht obergerichtlich geklärt. Gleiches gilt für die Auswirkungen der ab dem 30.10.2008 geltenden Neufassung von § 48 Abs. 1 FeV durch die Verordnung vom 18.07.2008 (BGBl. I, 1338).

Dies ist eine Entscheidung des Einzelrichters des Senats, Richter am Oberlandesgericht Y.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist wurde erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils am 01.10.2008 in Gang gesetzt, so dass die bereits zuvor erfolgte Begründung des Rechtsmittels rechtzeitig war.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Verurteilung des Betroffenen wegen Zulassens des Führens eines Mietwagens i.S.v. §§ 48 Abs. 8, 75 Nr. 12 FeV begegnet nach der seit dem 30.10.2008 geltenden Neufassung des § 48 Abs. 1 FeV durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und - da es keiner weiteren tatsächlichen Erörterung mehr bedarf - zur Freisprechung des Betroffenen führen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG).

a) Der Betroffene muss sich die Haltereigenschaft der von ihm vertretenen H, welche der Senat noch hinreichend dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen kann, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zurechnen lassen. Dass nach den Feststellungen der Betroffene selbst an den beiden Tattagen Führer des Kraftfahrzeuges gewesen sein soll, ist ein offensichtliches Versehen bei der Abfassung der Urteilsgründe. Der Senat schließt dies daraus, dass in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Würdigung allein auf das Zulassen der Personenbeförderung durch den gesondert verfolgten L2 abgestellt wird und der Betroffene nicht etwa wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sondern wegen des Zulassens desselben verurteilt worden ist.

b) Der Betroffene hat es zwar zugelassen, dass der gesondert verfolgte L2 Personenbeförderung betrieb. Hierbei handelte es sich aber nicht um eine Personenbeförderung im Sinne des § 48 Abs. 1 FeV in der - nach der amtsgerichtlichen Entscheidung in Kraft getretenen - ab dem 30.10.2008 geltenden Fassung der 4. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnisverordnung vom 18.07.2008 (BGBl. I, 1338). Bei § 48 Abs. 1 FeV n. F. handelt es sich im Vergleich mit der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung um das mildere Gesetz i.S.v. § 4 Abs. 3 OWiG, da die vorliegende Verhaltensweise bei Subsumtion unter die Neufassung nicht mehr bußgeldbewehrt ist.

aa) Zunächst ist allerdings in Anwendung des § 4 Abs. 2 OWiG die Vorschrift in der bis zum 29.10.2008 gültigen Fassung zu Grunde zu legen. Sie lautete:

"Wer ein Taxi, einen Mietwagen, einen Krankenwagen oder einen Personenkraftwagen im Linienverkehr (§§ 42, 43 des Personenbeförderungsgesetzes) oder bei gewerbsmäßigen Ausflugsfahrten oder Fernziel-Reisen (§ 48 des Personenbeförderungsgesetzes) führt, bedarf einer zusätzlichen Erlaubnis der Fahrerlaubnisbehörde, wenn in diesen Fahrzeugen Fahrgäste befördert werden (Fahrerlaubnis zu Fahrgastbeförderung)."

(1) Die FeV enthält keine eigene Definition des Begriffs des "Mietwagens". Insoweit kann jedoch wegen der Ähnlichkeit der geregelten Materie und dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auf die Definition dieses Begriffes in § 49 Abs. 4 PBefG zurückgegriffen werden (vgl. Dauer in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. § 48 Rdn. 7). Danach ist Verkehr mit Mietwagen die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im Ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei der Tätigkeit des Betroffenen vor. Hinzukommen muss des Weiteren nach § 1 Abs. 1 PBefG die Entgeltlich- oder Geschäftsmäßigkeit. Entgelt ist jede Gegenleistung, die mit einer Beförderung angestrebt wird (Bindinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Oktober 2008, § 1 PBefG Rdn. 25). Mit der Beförderung des Arztes im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes wird eine solche Gegenleistung angestrebt. Dem Wortsinn nach dient eine "Pauschale" der Gesamtabgeltung einer nicht detailliert erhobenen Forderung. Handelt es sich um eine Gesamtabgeltung, so dient sie hier eben auch der Bezahlung der Beförderungsleistung. Diese wird durch die Überlegung bestätigt, dass die Pauschale nach aller Lebenserfahrung geringer ausfallen würde, wären in ihr generell keine Beförderungsleistungen enthalten. Auch liegt Geschäftsmäßigkeit, im Sinne eines auf Dauer angelegten oder wiederkehrenden Teils geschäftlicher Betätigung (Bindinger a.a.O. § 21 Rdn. 35), vor.

(2) Auch ein Ausnahmefall des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG liegt nicht vor. Danach wäre das PBefG nicht anwendbar - und es läge demgemäß auch kein Mietwagen vor, wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Betriebskosten sind die beweglichen Kosten, insbesondere Kosten für Treibstoff, Öl und Abnutzung der Reifen. Sie sind nicht identisch mit den Selbstkosten, die darüber hinaus auch die Kosten für das Vorhalten des Fahrzeugs (Steuern, Versicherung, Abschreibung etc.) beinhalten (Bindinger a.a.O. § 1 Rdn. 41). Auch wenn das amtsgerichtliche Urteil keine näheren Feststellungen zur Höhe und zur Kalkulationsgrundlage enthält, so hält es der Senat für ausgeschlossen, dass die Pauschale sich bei dem am Markt wirtschaftlich tätigen Unternehmen lediglich auf die Lohn- und Lohnnebenkosten sowie reine Betriebskosten bezieht, die weiteren erheblichen Kosten der Fahrzeugvorhaltung aber - völlig altruistisch - außen vorlässt. Auf den Streit, ob die Ausnahmeregelung auch für die geschäftsmäßige Personenbeförderung gilt, kommt es daher hier nicht an.

(3) Schließlich wirkte die Freistellung vom PBefG nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG i.V.m. § 1 Nr. 4 lit. a FreistellungVO - entgegen der Ansichten des OLG Düsseldorf (VM 1996, 22, 23 und VRS 86, 473, 474 f.) und des OLG Koblenz (VRS 49, 66, 67) - nicht auch im Sinne einer Freistellung von der Fahrerlaubnispflicht nach § 48 FeV a. F. Sie wirkt aber nunmehr - aufgrund der Neufassung - im Sinne einer solchen Freistellung.

(a) Es handelt sich hier um eine Beförderung des berufstätigen Arztes zu ihrer Eigenart nach ständig wechselnden Arbeitsstellen, nämlich den Aufenthaltsorten der jeweils im Notdienst zu behandelnden Patienten.

(b) Nach der alten Fassung von § 48 Abs. 1 FeV konnte sich § 1 Nr. 4 lit. a FreistellungsVO nicht in dem Sinne auswirken, dass es in den dort geregelten Fällen auch keiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedurfte. Das ergab sich schon aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm des § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG, wonach für bestimmte im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht besonders ins Gewicht fallende Beförderungsfälle "allgemein Befreiung von den Vorschriften dieses Gesetzes erteilt wird". Es war auch nicht selbstverständlich, dass Genehmigungspflichten nach dem PBefG und Fahrerlaubnispflichten nach der FeV deckungsgleich sind. Beide Gesetze haben unterschiedliche Zielrichtungen. Dies zeigt sich an den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bzw. einer Genehmigung. Während § 48 Abs. 4 FeV die Gefahrerhöhung für beförderte Fahrgäste (insbesondere durch ungeeignetes Fahrpersonal) vermeiden will (BGH NJW 1973, 285; NJW 1994, 2415), verfolgt das PBefG mehr gewerberechtliche und öffentliche Verkehrsinteressen (vgl. § 13 PBefG). Gerade in dem vorliegenden Fall des eher sporadischen Verkehrs im Notfalldienst durch einen Betrieb, bei dem auch die mangelnde Leistungsfähigkeit öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt, ist aber der Fahrgast dennoch schützenswert und es bedarf geeigneten Fahrpersonals.

(c) Nach § 48 Abs. 1 FeV n. F. wirkt sich hingegen die FreistellungsVO nunmehr so aus, dass es in den dort geregelten Fällen auch keiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mehr bedarf. Die Neufassung lautet:

"Einer zusätzlichen Erlaubnis (Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung) bedarf, wer einen Krankenwagen führt, wenn in dem Fahrzeug entgeltlich oder geschäftsmäßig Fahrgäste befördert werden, oder wer ein Kraftfahrzeug führt, wenn in dem Fahrzeug Fahrgäste befördert werden und für diese Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist."

Bereits nach dem insoweit eindeutigen und nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut von § 48 Abs. 1 FeV n.F. sind nunmehr also Erlaubnispflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz und nach der Fahrerlaubnisverordnung gleichlaufend. Dementsprechend bedarf es keiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, wenn es z. B. wegen der Freistellung von der Erlaubnispflicht auch keiner Erlaubnis nach dem Personenbeförderungsgesetz bedarf.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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