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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 905/05
Rechtsgebiete: TierschutzhundeVO


Vorschriften:

TierschutzhundeVO § 10
Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen, wenn der Tatrichter von einer Ausnahme nach § 10 Tierschutz-Hundeverordnung ausgeht.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen 1. H.X. und 2. J.Y.

wegen Ordnungswidrigkeit nach der Tierschutz-Hundeverordnung.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 11. April 2005 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 8. März 2005 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 03. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin (§ 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Betroffenen und des Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Herford die Betroffenen von Vorwürfen des Verstoßes gegen § 10 der Tierschutz-Hundeverordnung freigesprochen.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene X. ist erster Vorsitzender des D.-Vereins e.V. Landesgruppe vvvv Abteilung xxxxx Lage.

Der Beteiligte Y. ist erster Präsident des Dobermann-Vereins e.V.

Die Betroffenen haben sich wegen folgenden Vorfalls zu verantworten:

Am 04. und 05.10.2003 fand in Herford im Ludwig Jahn Stadion die Deutsche Meisterschaft der Dobermänner statt. Für diese Veranstaltung hatte der Betroffene X. am 05.05.2003 einen Antrag an den Kreis Herford, Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, gestellt, um eine überregionale Hundeprüfung (Deutsche Dobermannmeisterschaft) durchzuführen. Diese Genehmigung wurde mit Auflagen erteilt.

An der Hundeprüfung nahmen zahlreiche in- und ausländische Dobermannbesitzer teil, die teilweise mit Hunden auftraten, die an der Rute und/oder den Ohren kupiert waren, wobei das Kupieren teilweise nach dem 01.06.1998, dem Inkrafttreten des grundsätzlichen Kupierverbotes für Hunde geschehen war.

Diese Feststellungen beruhen auf den eigenen Angaben der Betroffenen. Wegen des vorstehenden Sachverhalts sind gegen die Betroffenen Bußgeldbescheide des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Kreises Herford am 22.04.2004 ergangen, in denen eine Geldbuße von je 525,-- Euro festgesetzt wurde. Gegen diese Bußgeldbescheide haben die Betroffenen rechtzeitig Einspruch eingelegt."

Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

"Aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung waren die Betroffenen aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da ihr Verhalten objektiv keinen Bußgeldtatbestand erfüllt.

Ein Verstoß gegen § 10 Tierschutzhundeverordnung konnte nicht festgestellt werden, da in dieser Vorschrift ein Ausstellungsverbot enthalten ist. Gemäß § 10 ist es verboten, Hunde, bei denen Körperteile insbesondere Ohren oder Rute zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale vollständig oder teilweise amputiert wurden, auszustellen oder Ausstellungen solcher Hunde zu veranstalten.

Bei der Veranstaltung handelte es sich jedoch nicht um eine Hundeausstellung, sondern um eine überregionale Hundeprüfung.

Rassehundevereine veranstalten Ausstellungen, bei denen Hunde nach ihrem möglichst rassereinen Aussehen bewertet werden und Hundeprüfungen, bei denen es nicht um rassereine Merkmale geht, sondern um verschiedene Dressurerfolge (Gehorsam, Unterwerfung u.ä.). Um eine solche Hundesportveranstaltung handelte es sich ohne Frage.

Hätte der Gesetzgeber die Teilnahme kupierter Hunde auch an Hundesportveranstaltungen verbieten wollen, wäre es ein leichtes gewesen, dieses im § 10 eindeutig zu formulieren. Die Unterscheidung zwischen Ausstellungen und Hundesportveranstaltungen gab es lange vor Inkrafttreten der Hundeschutzverordnung, so dass der Gesetzgeber in § 10 beide Möglichkeiten hätte erwähnen können, wenn Hundesportveranstaltungen auch unter das Verbot hätte fallen sollen. Dieses ist erkennbar nicht geschehen.

Zwar ist der Zweck der Hundeschutzverordnung im § 10 damit nur teilweise erfüllt, das Gericht geht jedoch davon aus, dass eine teleologische Auslegung erst dann möglich ist, wenn eine Formulierung im Gesetz nicht ganz eindeutig ist.

Die Betroffenen waren somit aus rechtlichen Gründen mit der Kostenfolge aus § 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO freizusprechen."

Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Bielefeld mit der Rechtsbeschwerde, die sie unter dem 12. Juli 2005 mit der Verletzung materiellen Rechts unter näheren Ausführungen begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der örtlichen Staatsanwaltschaft mit näheren Ausführungen beigetreten.

II.

Das angefochtene Urteil unterliegt bereits aufgrund der Sachrüge der Aufhebung, weil dem Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen nicht die Möglichkeit eröffnet ist zu überprüfen, ob das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Verhalten der Betroffenen objektiv einen Bußgeldtatbestand erfüllt.

Ob die fragliche Deutsche Meisterschaft der Dobermänner vom 04./05.10.2003 durch das Amtsgericht zu Recht als Leistungsprüfung eingeordnet worden ist, die vom Ausstellungsverbot bzw. dem Verbot der Veranstaltung von Ausstellungen kupierter Hunde nicht erfasst sein soll, ist aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht nachprüfbar. Es fehlt insoweit an der Darlegung jeglichen Inhalts der Veranstaltung und der gegebenen Begleitumstände. Soweit das Amtsgericht sich dazu äußert, welche Arten von Veranstaltungen allgemein von Rassehundevereinen unternommen werden, ergibt dies für die Einordnung der hier betreffenden Veranstaltung keinen maßgeblichen Anhaltspunkt. Auch ist die etwaige Bezeichnung als Hundeprüfung durch die Betroffenen bzw. den Verein nicht ausschlaggebend. Das Amtsgericht hat vielmehr darzulegen, aufgrund welcher tatsächlicher Umstände es vom Vorliegen einer Hundeprüfung bzw. Hundesportveranstaltung ausgeht und aufgrund welcher abgrenzenden Kriterien es die hier betreffende Veranstaltung als Ausstellung oder andersartige Veranstaltung, die von § 10 Tierschutz-Hundeverordnung nicht erfasst wird, einordnet. Auch insoweit fehlt es an jeglichen nachprüfbaren Ausführungen.

Wenn auch die Gründe des Urteils in Bußgeldsachen keinen hohen Anforderungen unterliegen, müssen sie jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen getroffen hat. Bei einem freisprechenden Urteil müssen die Gründe im Übrigen mindestens ein klares und bestimmtes Auseinanderhalten von tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Es bedarf in tatsächlicher Beziehung einer deutlichen Bezeichnung derjenigen Tatsachen, welche das Gericht als nicht erwiesen erachtet, und in rechtlicher Beziehung einer Hervorhebung des Rechtsgrundes, welcher für die Entscheidung bestimmend gewesen ist (vgl. Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., Rdnr. 148 zu § 267 m.w.N.). Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, sowie anführen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen nicht erwiesen sind und auf dieser Grundlage den Sachverhalt unter allen für die Entscheidung nach Sachlage vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend würdigen (vgl. Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, a.a.O.; vgl. auch Göhler, OWiG, 14. Aufl., Rdnr. 43 zu § 71). Da das angefochtene Urteil diesen Anforderungen nicht genügt und es auf diesem Mangel beruht, war es aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückzuverweisen.

Nachdem Rechtsanwalt Dr. K. mit Schreiben vom 15.01.2006 klargestellt hat, dass er nur noch den von ihm bereits von Beginn des Verfahrens an vertretenen Betroffenen Y. vertrete und nicht mehr den zwischenzeitlich "mitvertretenen" Betroffenen X., bedurfte es der Zurückweisung des Rechtsanwaltes Dr. K. als Verteidiger beider Betroffener nicht mehr. In Fällen, in denen es - wie hier - bei nicht gleichzeitiger Beauftragung zu einer Doppelverteidigung gekommen ist, ist nur die Verteidigung unzulässig, durch deren Übernahme der Verteidiger gegen das Verbot des § 146 StGB verstoßen hat, also die spätere (vgl. BGH, NJW 1977, 1206; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., Rdnr. 23 zu § 146 (m. zahlr. w.N.)). Die zuerst von dem Verteidiger übernommene Verteidigung des Betroffenen Y. bleibt danach zulässig und darf fortgeführt werden.

Ende der Entscheidung

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