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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.02.2009
Aktenzeichen: 3 SsOWi 941/08
Rechtsgebiete: StVG, BKatV


Vorschriften:

StVG § 25
BKatV § 4 Abs. 2 S. 2
Zu den Voraussetzungen eines Fahrverbots, wenn seit der Tat mehr als zwei Jahre vergangen sind.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit darin ein Fahrverbot angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 04.02.2007 die BAB# bei Kilometer 286,070 in Fahrtrichtung E mit einem PKW mit einer Geschwindigkeit von 146 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle beträgt 120 km/h.

Das Fahrverbot gegen den vor der Tat vielfach, nach der Tat jedoch - ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen - nicht mehr straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getretenen Betroffenen, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen hat, stützt das Amtsgericht auf § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.

1.

Soweit gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt worden ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6, 2. Alt. OWiG).

Das Fahrverbot verliert seinen Sinn als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände nicht vom Betroffenen verursacht worden sind und er sich seitdem verkehrsgerecht verhalten hat (KG Berlin DAR 2007, 711; OLG Hamm NZV 2007, 635). Bei der Prüfung des Zeitablaufs durch das Rechtsbeschwerdegericht ist der Zeitraum zwischen Tat und der Entscheidung des Oberlandesgerichts maßgeblich (KG Berlin VRS 113, 69).

Seit der Tat sind inzwischen (geringfügig) mehr als zwei Jahre verstrichen. Auch wenn es sich hierbei um keine starre Grenze handelt (vgl.: OLG Hamm Beschl. v. 21.12.2007 - 3 SsOWi 315/07 - juris), könnte der Umstand, dass (angesichts fehlender weiterer festgestellter Verkehrsverstöße) das in der letzten Vorverurteilung verhängte Fahrverbot den Betroffenen möglicherweise zur Besinnung gebracht hat, grundsätzlich dafür sprechen, das Fahrverbot entfallen zu lassen.

An einer eigenen Sachentscheidung nach § 79 Abs. 6 1. Alt. OWiG im Sinne eines Entfallenlassens des Fahrverbots sieht sich der Senat jedoch gehindert, da insoweit (was Voraussetzung hierfür wäre) der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt ist. Insoweit ist das Urteil lückenhaft, da die Feststellungen zu Einträgen im Verkehrszentralregister auf dem verlesenen Auszug vom 20.02.2008 beruhen, welcher zum Zeitpunkt der Verhandlung also bereits rund acht Monate alt war, so dass ungeklärt bleibt, ob in dem Zeitraum zwischen Februar 2008 und der Hauptverhandlung weitere Taten begangen wurden.

Insbesondere aber lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, worauf der lange Zeitablauf seit der Tat zurückzuführen ist, vor allem, ob dieser vom Betroffenen verursacht ist. Angesichts des eingeholten anthropologischen Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen bzw. eine alternative Fahrereigenschaft seines Bruders liegt es nahe, dass der lange Zeitablauf auf der Ermittlung des Fahrers anhand des Radarfotos beruht. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte der lange Zeitraum nur insoweit von dem Betroffenen verursacht sein, dass er sich nicht zur Sache eingelassen oder seine Fahrereigenschaft lediglich bestritten hat, so wäre dies kein Umstand, der das Amtsgericht daran hindern würde, das Fahrverbot ggf. entfallen zu lassen. Hierbei würde es sich lediglich um zulässiges Verteidigungsverhalten handeln, woraus dem Betroffenen keine Nachteile erwachsen dürfen. Beruht der lange Zeitraum aber z. B. darauf, dass zusätzliche Ermittlungen erforderlich wurden, weil der Betroffene irgendwann im Verlaufe des Verfahrens (wahrheitswidrig) den Tatverdacht auf eine andere Person gelenkt hat, so würde dies ein dem Betroffenen zuzurechnender Verzögerungsumstand sein (ggf. sogar unter Erfüllung des Straftatbestandes des § 164 StGB), der dann auch ein Fahrverbot noch nach Ablauf von zwei Jahren seit der Tat rechtfertigen könnte.

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass - sollte der neue Tatrichter ein Fahrverbot wegen Überschreitung der Zweijahresfrist nicht mehr verhängen - eine gleichzeitige Erhöhung der Geldbuße nicht in Betracht kommt (OLG Hamm a.a.O.).

2.

Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet i.S.v. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.

a) Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 28. Januar 2009.

b) Ergänzend dazu merkt der Senat an, dass - entgegen des Vortrags des Beschwerdeführers - die Urteilsgründe keineswegs lückenhaft sind. Insbesondere legt das Amtsgericht dar, woher es seine Feststellungen zur Beschilderung für den Tatort nimmt (vgl. S. 6 UA).

Ob die Ausführungen zum anthropologischen Sachverständigengutachten den Anforderungen der Senatsrechtsprechung genügen (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 26.05.2008 - 3 SsOWi 793/07) kann hier letztendlich dahinstehen. Anders als in der o.g. Senatsentscheidung stützt sich das Gericht nicht allein auf das Sachverständigengutachten und dessen Identitätseinschätzung, sondern auf seine eigene Wahrnehmung vom Betroffenen, seinem Bruder (als potentiellem weiteren Fahrer) und den Radarfotos in der Hauptverhandlung. Zudem lassen die Ausführungen im Urteil erkennen, dass das Gericht selbst den Betroffenen (u.a.) anhand der vom Sachverständigen aufgezeigten 28 Merkmale als identisch mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person erkannt hat (also letztendlich ein eigenes Wiedererkennen nach Unterstützung durch den Sachverständigen vorliegt). Entsprechendes gilt für die Unterschiede zwischen dem Gesicht des Bruders zu dem auf dem Radarfoto abgebildeten Gesicht. Erkennt das Gericht aber selbst den Betroffenen als identisch mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person, so kann diese tatrichterliche Wertung grundsätzlich nicht mit der Rechtsbeschwerde beanstandet werden. Vielmehr muss dem Rechtsbeschwerdegericht nur die Überprüfung ermöglicht werden, ob das Radarfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGH NJW 1996, 1420, 1421). Diesen Anforderungen genügt das Urteil. Das Amtsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG auf die Radarfotos verwiesen und diese als von nicht optimaler Bildqualität bezeichnet. Es ist aber von ausreichender Qualität, um überhaupt eine Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Das Amtsgericht kommt sodann - wie erörtert - zur eigenen Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit der Person auf dem Radarfoto.

c) Auch die Verdoppelung der Regelgeldbuße begegnet angesichts der Vorbelastungen des Betroffenen keinen Bedenken.

d) Der Schriftsatz des Verteidigers vom 16.2.09 lag bei der Entscheidung vor und wurde berücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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