Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 3 U 141/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 30.03.2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund durch einstimmigen Senatsbeschluss nach § 522 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

1.

Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts Dortmund hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senates ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Das Landgericht hat die Klage, die sich auf Schmerzensgeldleistung aus übergegangenem Recht des am 21.09.2003 verstorbenen Vaters des Klägers N richtet, nach den getroffenen Feststellungen zu Recht abgewiesen.

Die Berufungsbegründung gebietet keine Zweifel an der Richtigkeit des landgerichtlichen Urteils und rechtfertigt keine dem Kläger günstigere Entscheidung.

2.

Das Rechtsmittel wirft den Beklagten - Trägerin des Klinikums E und Direktor der dortigen Neurochirurgischen Klinik - erneut vor, den mit Verdacht auf eine interzerebrale Blutung vom Rettungsnotdienst der Stadt E1 am 23.07.2003 gegen 19.30 Uhr zur Einlieferung in die Unfallklinik angekündigten Patienten unter Hinweis auf einen zur gleichen Zeit laufenden Operationseinsatz des neurochirurgischen OP-Teams zunächst abgewiesen zu haben, so dass es - nach einer zwischenzeitlichen Vorstellung im Krankenhaus E - erst gegen 21.05 Uhr zur Aufnahme mit anschließender neurochirurgischer Behandlung im Klinikum E kam; auf die so verzögerte Aufnahme und Behandlung in der Unfallklinik E führt das Rechtsmittel den Tod des Vaters des Klägers zurück.

Die Berufungsangriffe vermögen jedoch keine Haftung der Beklagten wegen Behandlungsverzögerungen zu Lasten des Vaters des Klägers zu begründen.

3.

Den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt zu den Abläufen am Abend des 23.07.2003 bis zur Aufnahme des Patienten N im Klinikum Nord würdigt die angefochtene Entscheidung in rechtlicher Hinsicht fehlerfrei dahin, dass den Beklagten kein Pflichtversäumnis anzulasten ist. Dabei hat das Landgericht die Umstände des Notfalleinsatzes bis zur Behandlungsaufnahme im Hause der Beklagten zu 2) durch Vernehmung der Zeugen T5, Dr. H und Dr. T4 unter Hinzuziehung der mitgeteilten Einsatzaufzeichnungen der Feuerwehr-Rettung der Stadt E1 in dem erforderlichen Umfange aufgeklärt. Zu einer weitergehenden Befragung eines medizinischen Sachverständigen bestand - da es vorliegend um die rechtliche Bewertung des Pflichtenkreises des Krankenhauses gegenüber einem noch nicht zur Behandlung aufgenommenen Patienten geht - keine Veranlassung.

4.

Den Beklagten ist zunächst nicht vorzuwerfen, den als Notfallpatient für die Neurochirurgie angekündigten Vater des Klägers nicht auf die erste Anfrage hin aufgenommen zu haben. Der Senat folgt insoweit nicht der mit der Berufung vertretenen Auffassung, es sei die Verpflichtung der Beklagten zu 2) gewesen, den angekündigten Notfallpatienten zunächst einmal aufzunehmen und diversen Voruntersuchungen zu unterziehen. Ein derartiges Verhalten hätte vielmehr aufgrund der vom Zeugen Dr. T4 glaubhaft geschilderten Bindung des vorhandenen neurochirurgischen OP-Teams durch einen anderweitigen Notfall-Eingriff an einem Kopfschuss-Patienten geradezu ein haftungsbegründendes (Übernahme) Verschulden der Beklagten zu 2) dargestellt. Ist ein Krankenhaus aufgrund seiner personellen und/oder sachlichen Ausstattung absehbar nicht in der Lage, einem (Notfall)Patienten die dem fachlichen Behandlungsstandard entsprechende ärztliche Behandlung zuteil werden zu lassen, so darf es diese Behandlungsaufgabe auch nicht übernehmen (vgl. etwa: BGH, NJW 1983, 1374ff. (für die Narkoseüberwachung bei unzureichender personeller Ausstattung); OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 139 ff. und OLG Köln, NJW-RR 2003, 1032 (jeweils zur Weiterbehandlung trotz ungeeigneter Behandlungsmöglichkeiten im eigenen Haus)). Hier bedurfte der vom Rettungsdienst zur Aufnahme angekündigte Patient erkennbar einer schnellstmöglichen neurochirurgischen Behandlung. Diese konnte zum Zeitpunkt der Ankündigung seiner Einlieferung gegen 19.30 Uhr von dem im Klinikum E vorhandenen neurochirurgischen Notfall-OP-Team jedenfalls nicht auf absehbare Zeit gewährleistet werden, da man sich in einer gerade begonnenen anderweitigen Notfall-OP befand. Es war daher sachgerecht, die anreisende Besatzung des Rettungswagens fernmündlich auf die derzeit nicht gegebene Behandelbarkeit eines weiteren neurochirurgischen Notfallpatienten im Klinikum E hinzuweisen und auf eine anderweitige Behandlungsmöglichkeit hinzuwirken.

Allerdings können sich Pflichten zur Übernahme einer angedienten (Notfall)Krankenhausbehandlung aufgrund der öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung eines Krankenhausträgers ergeben,- dies jedoch nur, soweit Aufnahmekapazitäten bestehen (Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rdnr. 67). Die Möglichkeit zur gebotenen Behandlung des Patienten N am Abend des 23.07.2003 durch ein neurochirurgischen OP-Team bestand jedoch - wie die Bekundungen des Zeugen Dr. T4 ergeben haben - aufgrund der personellen Ausstattung zum Zeitpunkt der ersten Anfrage nicht. Als sie sich während der zweiten Anfrage aus dem Krankenhaus in C ergab, ist der Patient unverzüglich im Hause der Beklagten zu 2) aufgenommen und operativ versorgt worden.

5.

Dass am Abend des 23.07.2003 im Hause der Beklagten zu 2) kein weiteres neurochirurgischen Operationsteam zur Verfügung stand, beruht schließlich - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht auf einem Organisationsverschulden der Beklagten.

Die öffentlich-rechtlich geregelte Verpflichtung eines Krankenhauses, alle behandlungsbedürftigen Patienten - mit Vorrang für Notfallpatienten - entsprechend seiner Aufgabenstellung zu versorgen, besteht in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe der Feststellungen im Krankenhausplan der Landesregierung (§ 2 I 1 und 2 KHG NW). Auf seiner Grundlage hatte das in der Tragerschaft der Beklagten zu 2) stehende Klinikum Nord als Krankenhaus der Maximalversorgung hinsichtlich des angebotenen Behandlungsspektrums - und eingebunden in die Notfallversorgung im Bereich E1 - seinen Auftrag gegenüber der Bevölkerung zu erfüllen. Die organisatorischen Vorkehrungen der Beklagten - insbesondere für die Notfallversorgung - mussten sich an diesem Versorgungsauftrag ausrichten und nicht - wie die Berufung fordert - die ausnahmslose Behandlung aller im Einzugsgebiet des Klinikums "anfallenden" Notfallpatienten zur gleichen Zeit gewährleisten. Weder das Klage- noch das Berufungsvorbringen legt dar, dass die (nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch am Abend des 23.07.2003) vorgehaltenen Notfallkapazitäten im Klinikum Nord unzureichend gewesen wären, um den Versorgungsauftrag dieses Klinikums für neurochirurgische Notfallpatienten nach Maßgabe des geltenden Krankenhausplans zu erfüllen. Zu Recht hat das Landgericht im übrigen den Aussagen der im Notfalldienst erfahrenen Zeugen entnommen, dass es sich bei dem unglücklichen Zusammentreffen zweier neurochirurgischer Notfälle zur fast Zeitgleichen Versorgung im Klinikum Nord mit daraus folgenden Kapazitätsproblemen ihrer Erfahrung nach um einen Ausnahmefall gehandelt habe, so dass auch deshalb kein Anhalt für eine evidente Versorgungslücke besteht. Dass schließlich keineswegs allein das Klinikum Nord für die Versorgung aller neurochirurgischen Notfälle in E1 in Betracht kam (und organisatorisch vorzusorgen hatte), sondern lediglich nach Maßgabe der Krankenhausplanung des Landes an dem Versorgungsauftrag mit bestimmter Kapazität beteiligt war, zeigt sich schließlich darin, dass die Rettungseinsatzkräfte auch bei konkreten anderen Kliniken des örtlichen Umfeld nach der dortigen Aufnahmemöglichkeit bezüglich des Notfallpatienten anfragten.

Im Ergebnis ist die Klage nach alledem zu Recht abgewiesen worden.

Ende der Entscheidung

Zurück