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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.05.2000
Aktenzeichen: 3 U 145/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 709
ZPO § 711
ZPO § 720 a Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 108
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 373
BGB § 847
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 30
BGB § 31
Auskunftsanspruch im Arzthaftungsprozeß

Sind die aufklärenden und behandelnden Ärzte aus den Krankenunterlagen, insbes. aus dem Aufklärungsbogen und aus dem Operationsprotokoll ohne weiteres ersichtlich, dann ist ein Auskunftsanspruch auf namentliche Nennung der ärztlichen Mitarbeiter ausgeschlossen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 145/99 OLG Hamm 11 O 232/96 LG Münster

Verkündet am 24. Mai 2000

Stalljohann, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pelz und die Richter am Oberlandesgericht Rüthers und Lüblinghoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. April 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet, die beide Parteien auch durch eine unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen können.

Tatbestand:

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin leidet unter einem angeborenen Herzfehler. Diese Aortenstenose wurde erstmals im 7. Lebensjahr der Klägerin diagnostiziert: Seither wurde die Entwicklung dieses Herzfehlers durch die Universitätskliniken in Bonn und Aachen beobachtet. 1990 erteilten die Ärzte der Universitätsklinik der Klägerin den Rat, den Herzfehler operativ korrigieren zu lassen. Um eine weitere Meinung einzuholen, begab sich die Klägerin Ende 1990 in die Universitätsklinik. Dort empfahl man ihr, weder eine Herzkatheteruntersuchung noch eine Herzoperation zu dem damaligen Zeitpunkt vornehmen zu lassen. Im Dezember 1990 ließ sich die Klägerin erstmals in der Klinik der Beklagten untersuchen und im Sommer 1991 eine Herzkatheteruntersuchung durchführen. Die behandelnden Ärzte rieten der Klägerin zur Herzoperation. Diese Indikation wurde auch nach einer weiteren Untersuchung im Sommer 1992 gestellt. Der festgesetzte Operationstermin wurde mehrfach aus in dem Bereich der Klägerin liegenden Gründen verschoben, u.a. weil diese das Rauchen nicht eingestellt hatte. Am 05.03.1993 wurde die Klägerin zwecks Durchführung der Operation durch die Beklagte stationär aufgenommen. Das Aufklärungsgespräch erfolgte am 11.03.1993. Am Tag darauf, dem 12.03.1993, operierte Prof. Dr. die Klägerin unter der Diagnose einer subvalvulären Aortenstenose. Dabei wurde die Aortenklappe nicht ersetzt. Intraoperativ kam es zu einer Schädigung einer anderen Herzklappe, der Mitralklappe. Diese Klappe ersetzte der Operateur durch eine mechanische Herzklappe. Am 22.03.1993 wurde die Klägerin zur stationären Weiterbehandlung nach Köln verlegt.

Am 18.04.1997 wurde eine Schwangerschaft bei der Klägerin festgestellt. Deswegen wurde die durch die Herzoperation bedingte Marcumarisierung stationär auf Heparin umgestellt. Am 10.06.1997 fand wiederum eine Umstellung auf Marcumar bei einer Thrombosierung der Mitralklappenstenose statt. Am 12.06.1997 erlitt die Klägerin einen Schlaganfall, wonach wiederum auf Heparin umgestellt wurde. Am 08.07.1997 wurde ein Gerinnsel auf der Mitralklappe in der Universitätsklinik operativ entfernt. Danach erfolgten zwei notfallmäßige Nachoperationen. Am 25.07.1997 wurde der abgestorbene Fötus ausgeschabt.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - Vorstellung: 150.000,00 DM Schmerzensgeldkapital und monatlich 500,00 DM Schmerzensgeldrente -, Zahlung von 25.855,80 DM materiellen Schadensersatz, Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz aller weiteren materiellen und immateriellen Schäden und Auskunftserteilung über die Namen der sie behandelnden Bediensteten der Beklagten und der Mitpatienten in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, die Verletzung der Mitralklappe sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Die künstliche Mitralklappe sei zu klein gewählt worden. Die Aufklärung über den Eingriff sei defizitär gewesen. Die Beklagte hat eine regelrechte Behandlung und insbesondere eine regelrechte Operation am 12.03.1993 behauptet. Über den beabsichtigten Eingriff und seine Folgen sei die Klägerin sachgerecht aufgeklärt worden. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß die Aufklärung inhaltlich ausreichend und rechtzeitig erfolgt sei. Es sei nicht festzustellen, daß die intraoperative Schädigung der Mitralklappe auf einem Fehler des Operateurs beruhe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung und beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1.

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Namen und die ladungsfähigen Anschriften aller ärztlichen Mitarbeiter und Pflegekräfte zu erteilen, welche die Klägerin während des Aufenthaltes im Jahre 1993 in der Klinik der Beklagten ärztlich und pflegerisch behandelt/betreut haben;

2.

Auskunft über den Namen und die ladungsfähige Anschrift der Hauspsychologin zu geben, die die Klägerin im März 1993 während ihres stationären Aufenthaltes in der Klinik der Beklagten behandelt hat;

3.

Auskunft über den Namen und die ladungsfähige Anschrift der Mitpatienten zu geben, die in der Zeit vom 05. bis 22.03.1993 zusammen mit der Klägerin im gleichen Zimmer untergebracht waren;

4.

die Beklagte zu verurteilen,

a)

an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit

b)

beginnend mit dem 01.07.1996 vierteljährlich (zum 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober) vorauszahlbar eine monatliche Schmerzensgeldrente, deren Höhe gleichfalls in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen und

5.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.855,80 DM nebst 4 Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

6.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus ihrer Behandlung in der Klinik der Beklagten im Jahre 1993 resultieren, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt,

1.

die gegnerische Berufung zurückzuweisen;

2.

in den der Revision unterliegenden Sachen ihr nachzulassen, Sicherheit gem. §§ 709, 711, 720 a Abs. 3 ZPO durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts zu erbringen.

Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin angehört, den Ehemann der Klägerin und die das Aufklärungsgespräch führende Ärztin Dr. als Zeugen vernommen sowie den Sachverständigen Prof. Dr. zur Erläuterung seines Gutachtens veranlaßt. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 23. Februar 2000 verwiesen (Bl. 352 - 359 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die geltend gemachten Auskunftsansprüche der Klägerin zu Recht nicht für begründet erachtet. Weder in der ersten Instanz (vgl. S. 16 der Klageschrift, Bl. 16 d.A., Schriftsatz vom 03.07.1996; Bl. 26, 27 d.A., S. 31 des Schriftsatzes vom 17.03.1999, Bl. 182 d.A.) noch in der Berufungsinstanz (S. 6, 7 der Berufungsbegründung, Bl. 262, 263 d.A.) hat die Klägerin die Voraussetzungen für die Auskunftspflicht der Beklagten dargelegt. Der Berechtigte muß in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Rechte im Ungewissen sein und sich die erforderlichen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen können. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte sich aus ihm zugänglichen Unterlagen informieren kann (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 261 Rdn. 12 m.w.N.). Die aufklärenden und behandelnden Ärzte sind aus dem Aufklärungsbogen und insbesondere aus dem Operationsprotokoll ohne weiteres ersichtlich. Diese Informationsmöglichkeit hat die Klägerin auch genutzt, indem sie z.B. die das Aufklärungsgespräch führende Ärztin Frau Dr. als Zeugin benannt hat. Daß sie trotz Akteneinsicht in die Krankenunterlagen gehindert ist, weiteren ordnungsgemäßen Zeugenbeweis gem. § 373 ZPO anzutreten, hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat auch ihr Interesse an der Nennung der Namen der Mitpatienten nicht dargelegt. Insbesondere ist dies nicht dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17.03.1999, auf den S. 7 der Berufungsbegründung (Bl. 263 d.A.) Bezug nimmt, zu entnehmen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus den §§ 847, 823, 831, 30, 31 BGB oder aus einer schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten des Behandlungsvertrages. Fehler der für die Beklagte tätigen Ärzte bei der Behandlung der Klägerin lassen sich nicht feststellen. Die Beklagte haftet der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsverschuldens.

Die erneute Beweisaufnahme durch den Senat hat nicht ergeben, daß die Klägerin durch die Ärzte der Beklagten fehlerhaft behandelt worden ist. In der Beurteilung des Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. zu eigen. Danach kann bei der zu beachtenden Sorgfalt eine Verletzung der Mitralklappe nicht immer vermieden werden. Anhaltspunkte dafür, daß die eingesetzte Mitralklappe nicht die richtige Größe aufweise, bestünden nicht.

Der Senat hält auch den Eingriff vom 12.03.1993 durch eine wirksame Einwilligungserklärung der Klägerin für gerechtfertigt. Die Klägerin wußte aufgrund der Voruntersuchungen in der Klinik der Beklagten vom 19.12.1990 (Bl. 49 - 51 d.A.), vom 31.07. bis zum 02.08.1991 (Bl. 52 - 54 d.A.) und vom 10.06.1992 (Bl. 55, 56 d.A.) um die Notwendigkeit der Herzoperation und um den Herzklappenersatz. Nach Auffassung des Senats ist bereits mit dem im Aufklärungsbogen vom 11.03.1993 handschriftlich erwähnten Ersatz der Aortenklappe auch das hier in Rede stehende Risiko der Verletzung der Mitralklappe abgedeckt. Durch die Aufklärung soll der Patient Art und Schwere des Eingriffs erkennen. Ihm soll aufgezeigt werden, was die Operation für seine persönliche Situation bedeuten kann. Auch über seltene Risiken ist aufzuklären, wo sie, wenn sie sich verwirklichen, die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien überraschend sind (Steffen/Dressler, Rdn. 329, 333 m.w.N.).

Mit dem Hinweis auf den Ersatz der Aortenklappe ist der Klägerin zum einen verdeutlicht worden, daß eine der Herzklappen betroffen war und ausgetauscht werden sollte. Zum anderen sind die vier Herzklappen (Mitral-, Trikuspidal-, Aorten- und Pulmonalklappe) auf S. 1 des Aufklärungsbogens (Bl. 45 d.A.) ausdrücklich erwähnt. Darüber hinaus ist auf S. 2 des Aufklärungsbogens (Bl. 46 d.A.), in welchem sich Eintragungen individueller Art der aufklärenden Ärztin Frau Dr. befinden, darauf hingewiesen worden, daß es notwendig sein könne, zwei oder drei Herzklappen gleichzeitig zu ersetzen.

Daß die künstliche Mitralklappe gegen den ausdrücklichen Willen der Klägerin eingesetzt worden ist, hat der Senat nicht festgestellt. Ausweislich S. 2 des Aufklärungsbogens (Bl. 46 d.A.) sollte dem Arzt die Auswahl der Klappe überlassen werden. Daß die Klägerin ausdrücklich auf einem biologischen Klappenersatz bestanden hat, steht nicht fest. Wie bereits vom Landgericht zutreffend erwähnt, wird eine solche Weisung erstmals im Schriftsatz vom 17.03.1999 behauptet. Der im Senatstermin als Zeuge vernommene Ehemann der Klägerin hat eine solche Weisung anläßlich des Aufklärungsgesprächs vom 11.03.1993 ebenso wenig bestätigt wie die das Aufklärungsgespräch führende Ärztin Dr.. Vielmehr hätte Frau Dr. die Erwähnung mit der mechanischen Klappe entweder eher durchgestrichen oder den ausdrücklichen Wunsch nach einer biologischen Klappe eher hingeschrieben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 60.000, 00 DM.

Ende der Entscheidung

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