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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: 3 U 229/00
Rechtsgebiete: StGB, ZPO


Vorschriften:

StGB § 218 a
StGB § 218 a Abs. 1
StGB § 218 a Abs. 3
StGB § 218 a Abs. 4
StGB § 219 Abs. 2 S. 2
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Vom Schutzbereich des Behandlungsvertrages sind nur die Schäden umfaßt, die bei sachgerechter Behandlung/Aufklärung und einem sodann rechtmäßig vorgenommenen Abbruch der Schwangerschaft nicht entstanden wären.

Es obliegt dem Arzt nicht, die Schwangere auf die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs hinzuweisen. Die Pränataldiagnostik ist nicht darauf gerichtet, jeden denkbaren kindlichen Schaden auszuschließen, sondern beschränkt sich auf das Erkennen kindlicher Schwerstschäden.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 229/00 OLG Hamm

Verkündet am 5. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht Kamps, Rüthers und Lublinghoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. September 2000 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Beide Parteien können die Sicherheitsleistung auch durch die unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater des am 25.06.1998 geborenen Kindes N. Das Kind N wurde ohne die linke Hand und die Hälfte des linken Unterarmes geboren.

Die Ehefrau des Klägers suchte den Beklagten am 13.10.1997 erstmalig auf. Der Beklagte diagnostizierte zu diesem Zeitpunkt eine bestehende Schwangerschaft. In der Folgezeit fanden weitere Untersuchungen statt, wobei der Beklagte keine Entwicklungsstörungen des Fötus feststellte.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe bei den Ultraschallaufnahmen in der 15., 19. und 23. Schwangerschaftswoche sich nicht an die Mutterschaftsrichtlinien gehalten. Bei der Untersuchung in der 15. Schwangerschaftswoche, zumindest bei der in der 19. Schwangerschaftswoche hätte er erkennen können und müssen, daß bei dem Fötus die linke Hand und der Teil des linken Unterarmes fehlten. Auch sei die Aufklärung über genetische Defekte und die Möglichkeit einer Amniozentese nicht ausreichend gewesen. Hätten er und seine Frau von der Mißbildung der Tochter etwas gewußt, hätte die Ehefrau die Schwangerschaft abgebrochen.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, daß sowohl ihm als auch der Ehefrau ein Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Beklagten zustünden. Die Ehefrau müsse sich nunmehr ihr ganzes Leben lang mit einem behinderten Kind auseinandersetzen, mit seinen Lebens- und seinen Pflegebedürfnissen, die nun im Vordergrund stünden und die die Eltern in besonderem Maße belasteten. Damit sei nicht nur die wirtschaftliche Familienplanung durchkreuzt; es kämen auch erhebliche Mehrkosten auf die Eltern zu, wodurch die private Lebensplanung durchkreuzt werde. Die Pflegebedürftigkeit des Kindes werde die gesamte Freizeit der Eltern einschränken, so daß ein erheblicher Freizeitwert verloren gehe. Diese Situation sei natürlich abzugelten. Außerdem stünde ihm ein materieller Anspruch auf Ersatz der Kosten zu, die durch Reisen in die Vereinigten Staaten entstanden seien. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auf eine handchirurgische Fachklinik in den USA verwiesen, die in der Lage sei, aus körpereigenem Material den Unterarm samt funktionierender Hand wieder aufzubauen. Er und seine Ehefrau hätten sich entschlossen, diese Behandlung wahrzunehmen, um N ein einigermaßen geordnetes Leben zu ermöglichen.

Die Ehefrau des Klägers hat ihre Ansprüche an diesen abgetreten.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld und 4 % Zinsen seit dem 25.06.1998 zu zahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen, an ihn 42.089,34 DM und 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen der ihm und seiner Ehefrau C H auf Grund des Umstandes entstanden ist, daß das Kind N H am 25.06.1998 ohne die linke Hand und die Hälfte des linken Unterarmes geboren wurde.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sämtliche Behandlungsfehler in Abrede gestellt und behauptet, das Fehlen der linken Hand und des Teiles des linken Unterarmes seien im Ultraschall nicht erkennbar gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe keinerlei Ansprüche, weil die Ehefrau des Klägers die Schwangerschaft nicht habe rechtmäßig abbrechen dürfen.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Der Kläger wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Sachvortrag und verweist nunmehr darauf, daß eine völlige Wiederherstellung der linken Hand nicht möglich sei. Es könne lediglich erreicht werden, daß N durch das Verpflanzen von Knochen und Gewebeteilen mit der linken künstlich ausbildeten Hand Greifbewegungen durchführen könne.

Der Kläger beantragt,

abändernd

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Senats gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 25.06.1998 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 42.089,34 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm und seiner Ehefrau C H auf Grund des Umstandes entsteht, daß das Kind N H am 25.06.1998 ohne die linke Hand und die Hälfte des linken Unterarmes geboren wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.

Der Beklagte wiederholt und vertieft ebenfalls den erstinstanzlichen Sachvortrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens, Feststellung sowie auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus eigener oder abgetretenem Recht nicht zu.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Das Vorbringen der Berufung rechtfertigt keine andere Bewertung.

1.

Der Arzt kann bei einer bestehenden Schwangerschaft für falsche oder unvollständige Auskunft über die zur Früherkennung von Schädigungen des Kindes im Mutterleib durch angeborene Beeinträchtigungen gebotenen Maßnahmen haften, sofern dadurch ein zulässiger (rechtmäßiger) Schwangerschaftsabbruch vereitelt wird. Auch die medizinisch nicht erforderte Verzögerung der Diagnostik mit der Folge, daß ein Schwangerschaftsabbruch aus zeitlichen Gründen nicht mehr durchgeführt werden kann, kann ein die Haftung des Arztes begründender Behandlungsfehler sein (BGH NJW 1989 S. 186; vgl. Geiß/Greiner Arzthaftpflichtrecht, 4 Aufl. 2001 m. w. N.).

Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (BVerfGE 88 S. 203) hat der Bundesgerichtshof seine einschlägige Rechtsprechung überprüft und diese jedenfalls für die Fälle einer aus ärztlichem Verschulden mißlungenen Sterilisation sowie eines verhinderten oder fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruchs bei gesetzlich anerkannter embryopathischer oder kriminologischer Indikation aufrecht erhalten (BGHZ 124 S. 128; vgl. auch BGH NJW 2000 S. 1782, 1783). Diese Rechtsprechung ist zu § 218 a StGB in der Fassung vor Inkrafttreten des Schwangeren- und Familienhilfe-Änderungsgesetzes vom 21.08.1995 (BGBl. I S. 1050) ergangen.

Soweit der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts nachfolgend die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebilligt hat, bezieht sich dieser Beschluß nicht auf die Rechtsprechung zu einem aus ärztlichem Verschulden fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch. Insoweit ist die Rechtslage verfassungsrechtlich noch nicht abschließend geklärt (BVerfG NJW 1998 S. 519; vgl. auch Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl. 1999 Rn 269, 270). Auf diesem Hintergrund folgt der Senat dem Bundesgerichtshof dahingehend, daß jedenfalls grundsätzlich der Behandlungsfehler des die Schwangere betreuenden Gynäkologen dessen Haftung auslösen kann, wenn dadurch ein rechtmäßiger und indizierter Schwangerschaftsabbruch unterbleibt.

b.

Gem. § 218 a Abs. 1 StGB in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfe-Änderungsgesetzes vom 21.08.1995 ist der Tatbestand nicht verwirklicht, wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt, dem Arzt eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 S. 2 StGB nachweist und seit der Empfängnis nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind. Nach Abs. 2 dieser Norm ist der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

Zur Überzeugung des Senats ist eine eventuelle Haftung des Beklagten ausschließlich an diesen Bestimmungen zu messen. § 218 a Abs. 3 StGB setzt eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau voraus, die hier nicht vorliegt. § 218 a Abs. 4 StGB stellt lediglich einen persönlichen Strafausschließungsgrund zugunsten der Schwangeren dar. Vom Schutzbereich des Behandlungsvertrages erfaßt sind indes allenfalls die Schäden, die bei sachgerechter Behandlung und Aufklärung und einer sodann rechtmäßig vorgenommenen Unterbrechung der Schwangerschaft nicht entstanden wären (vgl. BGHZ 124 S. 128). Die lediglich straflosen Schwangerschaftsunterbrechungen haben außer Betracht zu bleiben. Es ist nicht Aufgabe des Arztes und des zivilrechtlichen Behandlungsvertrages, der Schwangeren die Basis für eine rechtswidrige, wenn ggf. für die Schwangere selbst auch straflose Abtreibung zu schaffen.

c.

Die Möglichkeit, die bestehende Schwangerschaft zu unterbrechen, setzt nach § 218 a Abs. 1 StGB n.F. keine Indikation voraus, sondern ist über die Klauseln gem. Ziff. l und 2 nur an die Zeitbestimmung von 12 Wochen gebunden. Ungeachtet dieser Differenzierung gegenüber Abs. 2 sieht der erkennende Senat eine Haftung des behandelnden Frauenarztes nur dann vom Schutzbereich des Arztvertrages umfaßt, wenn eine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch besteht, die vorliegend nur aus Abs. 2 des § 218 a StGB n.F. folgen kann. Das gilt unter Berücksichtigung der eher restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs zur medizinischen (bzw. früher zur embryopathischen) Indikation jedenfalls dann, wenn der Gynäkologe die Patientin nach Eintritt der Schwangerschaft bis zur Geburt betreut bzw. betreuen soll und diese Schwangerschaft auch gewollt ist. Nach Auffassung des Senats obliegt es nicht dem Arzt, die Schwangere in diesen Fällen überhaupt auf die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs im Sinne des § 218 a Abs. 1 StGB innerhalb von 12 Wochen hinzuweisen, sondern die Schwangere unter Berücksichtigung der bestehenden Mutterschaftsrichtlinien und den Anforderungen an die jeweilige pränatale Diagnostik bis zur Geburt des gewünschten (gesunden) Kindes ärztlich zu begleiten. Insbesondere die bestehende pränatale Diagnostik ist denn auch nicht darauf gerichtet, jeden denkbaren kindlichen Schaden auszuschließen, sondern möglichst frühzeitig Schwerstschäden wie z.B. Herzfehler, spina bifida, Mongolismus oder aber schwerste Dysmelien im Sinne der früheren eugenischen Indikation zu erkennen. Liegt hier ein Versäumnis vor und hätte die sachgerechte Behandlung zu einer Indikation gem. § 218 a Abs. 2 StGB geführt, ist es berechtigt, den Arzt mit den haftungsrechtlichen Folgen zu belasten.

Anders dürfte die Sachlage dann zu bewerten sein, wenn der Arztvertrag bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 218 a Abs. 1 StGB n.F. gerade auf den Abbruch der (ungewollten) Schwangerschaft gerichtet ist und dieser aus Gründen, die der Arzt zu vertreten hat, fehlschlägt bzw. unterbleibt. In diesem Fall ist die Verhinderung der Austragung des Kindes finales Ziel des Behandlungsvertrages. Die Indikation spielt gem. Abs. 2 in diesem Fall für die Bewertung keine Rolle. Dieser Fall ist vorliegend allerdings nicht gegeben.

2. Nach vorstehenden Maßstäben scheidet die Haftung des Beklagten schon deshalb aus, weil jedenfalls keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch bestand.

Zur Überzeugung des Senats liegt die medizinische Indikation gem. § 218 a Abs. 2 StGB nicht vor. Ausnahmsweise sieht sich der Senat in der Lage, auch ohne sachverständige Beratung abschließend zu entscheiden, weil die Umstände im mütterlichen Bereich ausreichend klar vorgetragen wurden und eine ärztliche Begutachtung, die der Wortlaut des Gesetzes ins Auge faßt, keinen zusätzlichen Informationsgewinn verspricht. Auch die kindliche gesundheitliche Situation ist soweit geklärt, daß es letztlich nur noch um die juristische Wertung geht, ob die Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sind.

Soweit es um die mütterlichen Belange geht, die nach § 218 a. Abs. 2 StGB n.F. in den Vordergrund gestellt worden sind, folgt schon aus dem eigenen Sachvortrag des Klägers, daß ein Abbruch der Schwangerschaft keinesfalls angezeigt war, um eine Gefahr für das Leben der Ehefrau des Klägers abzuwenden. Auch die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung deren körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes ist nicht erkennbar. Während der Schwangerschaft, worauf die Vorschrift primär abstellt, war das offenbar nicht der Fall. Hierzu verhält sich der Sachvortrag des Klägers nicht. Aber auch bezogen auf die Zeit nach der Geburt ist eine solche Gefahr nicht erkennbar. Selbst unter Beachtung des Grundsatzes, daß die Grenzen des für die Schwangere bzw. der Mutter Zumutbaren nicht zu weit zu ziehen sind, vielmehr auf deren Belange und deren Sicht Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BGH NJW 1984 S. 658, 600) vermag der Senat keinerlei Gefahr für deren körperlichen und seelischen Gesundheitszustand zu erkennen. Die eigentliche körperliche Betreuung des Kleinstkindes ist durch die Behinderung sicherlich erschwert, aber nicht in unzumutbarer Weise. Auch nach einem gewissen Heranwachsen des Kindes ist eine Unterstützung in größerem Umfang als bei einem in jeder Hinsicht gesunden Kind erforderlich. Aber auch das erscheint nicht unzumutbar. Bekannterweise lernen behinderte Kinder mit ihrer Behinderung umzugehen und diese zumindest in einem gewissen Umfang zu kompensieren. Bedeutender scheinen dem Senat die psychischen Faktoren zu sein, nämlich für die Mutter, mit der Behinderung umzugehen und zu erkennen, daß ihr Kind im bestimmten Umfang in eine ihm nicht immer freundschaftlich gesinnte Umwelt hineinwächst und Nachteile hinzunehmen haben wird. Aber auch das bewirkt angesichts des konkreten Behinderungsgrades der Tochter N. in Form des Verlusts einer Hand und eines Teils des Unterarms nicht die vom Gesetz geforderte Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes. So hat denn auch der Kläger in erster Instanz vordergründig auf die mit der Pflegebedürftigkeit verbundene Freizeiteinschränkung sowie, auf die materiellen Auswirkungen als auf die vom Gesetz geforderte Gefahr für die Mutter abgestellt (Bl. 15, 49, 59 ff.).

Keine andere Bewertung ergibt sich, würde man die frühere embryopathische Indikation in die medizinische Indikation des § 218 a Abs. 2 StGB mit einbeziehen. Wieweit dies nach der aktuellen Fassung der Norm überhaupt noch möglich ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden (vgl. dazu BT-Drucksache 13/1850 S. 25 f.; Tröndle NJW 1995 S. 3009; Schumann/Schmidt-Rela, MedR 1998 S. 497; Beckmann, MedR 1998 S. 155; zweifelnd wohl Geiß Greiner, a.a.O. Rz. 174).

Für Fälle der sog. embryopathischen (eugenischen) Indikation zu § 218 a StGB alter Fassung hat der Bundesgerichtsgehof den Standpunkt vertreten, daß es auf eine ex-post-Betrachtung ankomme. Ein ersatzfähiger Unterhaltsschaden bestehe in diesen Fällen nur dann, wenn sich die Gefahr, der mit der pränatalen Untersuchung und der im Anschluß daran gesetzlich zugelassenen Schwangerschaftsunterbrechung begegnet werden sollte, auch tatsächlich verwirklicht habe. Nur eine nicht behebbare Schädigung des Kindes bei seiner Geburt könne überhaupt zu einer Ersatzpflicht des Arztes führen, der seine Beratungspflichten verletzt habe. Diese Schädigung müsse darüber hinaus so schwer sein, daß sie - aus nachträglicher Sicht - den Abbruch der Schwangerschaft erlaubt hätte (BGH NJW 1984 S. 658. 660).

Wollte man im Rahmen der medizinischen Indikation die embryopathische Indikation berücksichtigen, müßte jedenfalls diese ex-post-Betrachtung erfolgen.

Nach dieser Maßgabe erreicht die konkret bekannte und sachverständigenseits nicht weiter aufklärbare Behinderung des Kindes schon keinen solchen Schweregrad, daß über den embryopathischen Aspekt die medizinische Indikation bejaht werden könnte. Die Parteien haben sich umfänglich mit dem Grad der Behinderung auseinandergesetzt, der erreicht sein muß, um von einer ausreichend schweren Behinderung ausgehen zu können, soweit es um das Fehlen von Extremitäten geht, mag dies im Hinblick auf die sog. Conterganschäden gerechtfertigt sein, wenn ganze Gliedmaßen fehlen, was keiner abschließenden Bewertung bedarf. Bei einem Fehlen von Teilen von Gliedmaßen wie vorliegend das Fehlen der Hand und des Unterarms ist der erforderliche Schweregrad keinesfalls erreicht. Soweit in der früheren strafrechtlichen Literatur recht weitgehend Mißbildungen von Gliedmaßen und Verkrüppelungen die embryopathische Indikation begründen sollten (vgl. etwa Eser in Schönke/Schröder, 24. Aufl. 1991 § 218 a Rz 22), vermag der Senat dem im Hinblick auf die Neufassung des Gesetzes nicht zu folgen.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als DM 60.000,-.

Ende der Entscheidung

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