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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 3 U 263/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 447
ZPO § 448
ZPO § 540 I 1 Zif. 1
BGB § 288 I 2
BGB § 291
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 840
BGB § 847 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 20.10.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund dahingehend abgeändert, dass die Beklagten verurteilt werden, als Gesamtschuldner an die Klägerin über die vom Landgericht ausgeurteilten Beträge hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2003 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 43 % und die Beklagten 57 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 75 % und die Beklagten 25 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer am 03.04.2002 durchgeführten kosmetischen Brustoperation (subpectorale Augmentation mit beidseitiger periareolärer Bruststraffung) auf Schmerzensgeld, Erstattung von Foto- und Beratungskosten sowie auf Feststellung weiterer Schadensersatzpflichtigkeit in Anspruch.

Die damals 36-jährige Klägerin wünschte sich nach der Geburt und dem Stillen zweier Kinder eine Vergrößerung der erschlafften Brüste mit gleichzeitiger Straffung. Sie besprach hierzu mit dem Beklagten zu 1) - der an der von der Beklagten zu 2) betriebenen Klinik für ästhetische Chirurgie operierte - am 14.03.2002 die Möglichkeiten operativer Vorgehensweisen beim Einsetzen von Brustimplantaten, wobei die Einzelheiten des Gesprächs zwischen den Parteien streitig sind. Die schlanke und körperlich zierlich gebaute Klägerin entschied sich in diesem Gespräch für eine optisch weniger auffälligere Implantation unter dem Brustmuskel und eine periareoläre Straffung.

Nachdem die Klägerin die schriftliche Narkoseeinwilligung und den ihr vorgelegten Perimed - Bogen "Augmentationsplastik" unterzeichnet hatte, führte der Beklagte zu 1) am 03.04.2002 die operative Brustvergrößerung aus, wobei jeweils 300 g - Implantate unter die Brustmuskel der Klägerin eingesetzt wurden. Die Klägerin wurde nach komplikationslosem Verlauf am Folgetag aus der Klinik entlassen.

Im Juni 2002 bemerkte sie einen aus der rechten Brustnaht herausstechenden Faden des vom Beklagten zu 1) verwandten resorbierbaren Nahtmaterials. Diesen entfernte ihre Frauenärztin durch Abschneiden. Sodann bildete sich an der unteren Nahtstelle eines Brustwarzenvorhofes eine Eiterblase, die sich spontan eröffnete und Eiter freigab. Unter Hinweis hierauf stellte sich die Klägerin am 18.06.2002 bei dem Beklagten zu 1) zur Nachschau vor; dieser entfernte weitere resorbierbare Fadenenden mittels einer Pinzette.

Bei der Klägerin entwickelten sich postoperativ rund um die Brustwarzenvorhöfe breite Narben. Die Brustwarzenvorhöfe erscheinen vergrößert und sind asymmetrisch ausgebildet (rechts oval / links rund). Die Brustwarzenhöfe sind beidseitig so hoch oberhalb der natürlichen Position gelegen, dass sie aus einem Halbschalen - BH herausschauen. Zudem zeigt sich bei der Klägerin auch in normaler Körperhaltung das auf ein Implantat hinweisende sog. Double - Bubble - Phänomen.

Wegen dieser optischen Beeinträchtigungen, wegen der von ihr behaupteten Berührungsunempfindlichkeit im Bereich der Brustwarzen und darunter, wegen vorwiegend im Bereich der rechten Brust auftretender stechender Schmerzen bei Belastungen des Brustmuskels - etwa durch Putzarbeiten, Tragen von Einkaufstüten etc. - und wegen psychischer Belastungen durch Beeinträchtigungen ihres Sexualerlebens sowie Selbstwertgefühls infolge der Unförmigkeit ihrer Brüste nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch, welches nach ihren Vorstellungen mindestens 25.000,- € betragen sollte. Auch begehrt sie den Ersatz von Fotodokumentations- sowie Arztberatungskosten und die Feststellung weiterer Ersatzpflichtigkeit für zukünftige materielle und immaterielle Schäden, da sie den Zustand ihrer Brüste durch ein bis zwei weitere Operationen - soweit als möglich - korrigieren lassen möchte.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird gemäß § 540 I 1 Zif. 1 ZPO ergänzend auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils des Landgerichts Dortmund vom 20.10.2005 (Bl. 258 fff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat - sachverständig beraten durch den Chirurgen Prof. Dr. P2 - der Klage auf Zahlung der bezifferten materiellen Schäden und eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,- € nebst Prozesszinsen seit dem 13.02.2003 stattgegeben. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin als Gesamtschuldner alle weiteren gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie gegenwärtig noch nicht vorhersehbar sind - aufgrund der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom 03.04.2002 bis zum 16.06.2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, die Beklagten hafteten nur für diejenigen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin, die auf der Behandlungsfehlerhaftigkeit des Eingriffs vom 03.04.2002 beruhten,- mithin auf der falschen Umsetzung der OP-Technik und auf der Verwendung ungeeigneten Nahtmaterials durch den Beklagten zu 1).

Der Klägerin stehe für die folgenden Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von 5.000,- € zu : Breite Narben, zu hoch gesetzte Brustwarzen und -vorhofkomplexe, Entrundung bzw. Vergrößerung der Brustwarzenvorhofkomplexe, psychische Beeinträchtigungen durch optisch unschönes Ergebnis, Beeinträchtigung ihres Intimlebens sowie Notwendigkeit einer Korrektur-OP mit zweitägigem Krankenhausaufenthalt. Nicht in die Bemessung einbezogen hat das Landgericht etwaige Dauerfolgen der Operation, da man nach Anhörung der Klägerin von einer alsbaldigen Korrektur-OP mit guten Erfolgsaussichten ausgehe und dauernde immaterielle Beeinträchtigungen deshalb noch nicht absehbar seien.

Eine Haftung wegen zusätzlicher Aufklärungspflichtverletzung hat das Landgericht verneint. Nach Anhörung der Parteien und anhand der schriftlichen Dokumentation stehe fest, dass es eine ärztliche Aufklärung über die im Perimedbogen aufgeführten OP-Risiken gegeben habe. Die Klägerin habe die Kammer nicht überzeugt, dass sie in Kenntnis der tatsächlich verwirklichten Komplikationen - nämlich Berührungsunempfindlichkeit und Schmerzen durch Implantat unter dem Brustmuskel - nicht in eine OP eingewilligt hätte. Wegen der typischen Komplikationen in Form von Nahtentzündungen, Schmerzen, gestörter Berührungsempfindlichkeit und Tiefpositionierung einer Brustumschlagsfalte mit Double - Bubble - Phänomen könne die Klägerin deshalb kein Schmerzensgeld beanspruchen.

Gegen dieses Urteil - soweit es das weitergehende Schmerzensgeldverlangen abgewiesen hat - wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie vor :

Die Beklagten hafteten auch wegen unzureichender Risikoaufklärung vor der OP vom 03.04.2002. Es habe gar kein Aufklärungsgespräch gegeben. Jedenfalls sei ein Aufklärungsgespräch mit hinreichendem Inhalt und der notwendigen Nachdrücklichkeit als Grundlage einer wirksamen OP-Einwilligung nicht bewiesen. Es fehle ein vom Arzt unterzeichnetes Aufklärungsdokument. Im vorgelegten Perimed-Bogen fehle der Hinweis auf die Dauerschmerzen bei Implantation unter den Brustmuskel. In Kenntnis der Möglichkeit lebenslanger Schmerzen und Empfindungsstörungen wäre die Einwilligung nicht erteilt worden. Das Landgericht habe ihre persönliche Anhörung zum Entscheidungskonflikt versäumt.

Das erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeld von 5.000,- € sei letztlich völlig unzureichend für lebenslängliche Beeinträchtigungen ihrer Brüste.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld entsprechend der erstinstanzlichen Begehrsvorstellung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2002 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil im Umfange der ausgesprochenen Klagabweisung und tragen vor : Die Klägerin sei - wie sie erstinstanzlich zugestanden habe - in einem Gespräch vom 14.03.2002 anhand des Perimed- Basisinformationsbogens aufgeklärt worden. Dabei habe der Beklagte zu 1) auch eine eventuell anhaltende Schmerzproblematik durch Überdehnung des Brustmuskels erörtert,- selbst wenn diese im Bogen nicht aufgeführt sei. Schließlich habe die Klägerin einen ausgeprägten Willen zur Brustvergrößerung durch ein nicht sichtbares Implantat gezeigt, so dass selbst bei unterstellter ordnungsgemäßer Aufklärung zumindest hypothetisch ihre Einwilligung zu behaupten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und den Inhalt des Sitzungsprotokoll vom 29.03.2006 ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Im übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Die Beklagten schulden der Klägerin nach §§ 823, 831, 840 I, 847 a.F BGB zum Ausgleich der vorhersehbaren immateriellen Beeinträchtigungen aus der Operation vom 03.04.2002 insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- €.

2. Die Haftung der Beklagten erstreckt sich dabei auf alle immateriellen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die die Klägerin infolge der bei den Beklagten durchgeführten Augmentation mit periareolärer Straffung erlitten hat. Denn der schadensverursachende operative Eingriff vom 03.04.2002 war nicht durch eine wirksame Patienteneinwilligung gedeckt und damit rechtswidrig.

3. Der kosmetischen Brustoperation vom April 2002 ging keine ausreichende ärztliche Risikoaufklärung durch den Beklagten zu 1) voraus, die Grundlage einer wirksamen Operationseinwilligung der Klägerin hätte sein können. Der Beklagte zu 1) hat nach Auffassung des Senates versäumt, die Klägerin in der gebotenen Weise über das bei Implantierung unter dem Brustmuskel (sog. subpectoraler Augmentation) gegebene typische Risiko lebenslanger Schmerzen bei bestimmten Armbewegungen aufzuklären.

a) Der bereits erstinstanzlich hinzugezogene Gutachter Prof. Dr. P2 hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar und von den Parteien unbeanstandet dargelegt, dass die - kosmetisch günstigere - Einbringung eines Brustimplantats unter dem Muskel eigentlich nicht der Natur entspricht und bei bestimmten Armbewegungen zu schmerzhaften Brustmuskelüberdehnungen führt. Nach Angabe des erfahrenen Sachverständigen ist das Auftreten dieser Schmerzen eine typische Folge der subpectoralen Augmentation, die auch durch das hälftige Lösen des großen Brustmuskels im Rahmen der OP nicht zuverlässig vermieden werden kann. Hierüber müsse man - so der Sachverständige - die Patientin aufklären, wenn eine Vorgehensweise bei der Implantateinbringung geplant sei. In dieser Hinsicht seien die Angaben in dem der Klägerin zur Verfügung gestellten und von ihr unstreitig unterzeichneten Perimed - Bogen unvollständig.

Gestützt auf diese medizinischen Ausführungen hält der Senat es für erforderlich, dass die Klägerin vor dem in Rede stehenden kosmetischen Eingriff mit subpectoraler Implantation deutlich auf das Risiko lebenslänglicher Schmerzbeeinträchtigung aufgrund von Brustmuskelüberdehnungen hätte hingewiesen werden müssen.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Patienten vor kosmetischen Operationen über die Erfolgsaussichten und Risiken des Eingriffs wie etwa bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen besonders sorgfältig und umfassend aufzuklären sind. Dem Patienten sind bei kosmetischen Operationen etwaige Risiken deutlich vor Augen zu stellen, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg oder sogar bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als eine Folge des Eingriffs in Betracht kommen (BGH, VersR 1991, 227 f. m.w.N.). Weil derartige Eingriffe eher einem psychischen oder ästhetischen Bedürfnis dienen, ist es noch weniger als sonst selbstverständlich, dass der Patient in Unkenntnis dessen, auf was er sich einlässt, dem ärztlichen Eingriff zustimmt, so dass es bei kosmetischen Eingriffen der besonderen Verantwortung des Arztes obliegt, ihm das Für und Wider mit allen Konsequenzen vor Augen zu stellen (BGH, aaO). An die Aufklärung eines Patienten vor kosmetischem Operationen stellt die ständige höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung - der der Senat folgt - deshalb sehr strenge Anforderungen (BGH, aaO m.w.N.; OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 320, 321; OLG Oldenburg, OLGR 2002, 50 ff.)

b) Diesen Anforderungen genügte die mündliche Aufklärung durch den Beklagten zu 1) hier nicht. Das gilt selbst dann, wenn man seine Darlegungen zum Inhalt des Aufklärungsgespräches im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Gericht des ersten Rechtszuges als richtig unterstellt.

Nachdem der Sachverständige Prof. Dr. P2 im Kammertermin am 20.10.2005 in der geschilderten Weise auf die Notwendigkeit der Aufklärung zur Schmerzproblematik bei subpectoralem Brustimplantat hingewiesen hatte, ist der Beklagte zu 1) zu diesem Punkt persönlich angehört worden. Er hat dabei ausgeführt, dass er seine Patientinnen auf die verschiedenen Einbringungsmöglichkeiten und "auch darauf hinweise, dass es nach der Operation zu verstärkten Schmerzen kommen kann". Nach Darstellung des Beklagten zu 1) weist er ferner darauf hin, dass "es wie bei Sportlern zu längerfristigen Schmerzen kommen kann" und erwähnt "oft als Beispiel einen Muskelfaserriss".

Diese Darstellung der Aufklärungspraxis durch den Beklagten zu 1) selbst zeigt, dass er das vorhandene Risiko lebenslanger Schmerzen bei implantatbedingten Brustmuskelüberdehnungen nicht hinreichend drastisch und schonungslos, sondern - mit zumindest missverständlichem Hinweis auf den Zustand nach Sportverletzungen -verharmlosend dargestellt hat. Der vom Beklagten zu 1) geschilderte Aufklärungsinhalt war geeignet, bei der Klägerin Fehlvorstellungen dahin hervorzurufen, dass sie schlimmstenfalls mit einer dem langwierigen Heilungsverlauf nach Muskelfaserriss vergleichbaren Schmerzproblematik rechnen müsse. Infolgedessen lässt sich die eigene Darstellung des Beklagten zu 1) über seine Aufklärungspraxis durchaus in Einklang bringen mit der im Kammertermin geschilderten Erinnerung der Klägerin an das Aufklärungsgespräch, wonach der Beklagte zu 1) ihr erklärt habe, dass ein Implantat unter dem Brustmuskel schmerzhafter sei und er dabei ausdrücklich von Schmerzen "nach der OP und in den nächsten Wochen" gesprochen habe.

c) Eine Parteivernehmung des bereits in erster Instanz angehörten Beklagten zu 1) zu den mit der Berufungserwiderung (erstmals) vorgetragenen Behauptungen, er habe "auch eine eventuell anhaltende Schmerzproblematik durch die Überdehnung des Brustmuskels erläutert" bzw. "aufgeklärt, dass die Schmerzen durch das Implantat unter dem Brustmuskel auch dauerhaft hervorgerufen werden könnten", war nicht geboten. Die Klägerin hat einer Parteivernehmung des Beklagten zu 1) nach § 447 ZPO nicht zugestimmt. Zu einer Parteivernehmung des Beklagten zu 1) nach § 448 ZPO bestand angesichts der vom Berufungsvortrag abweichenden Angaben des Beklagten zu 1) im Rahmen der vom Landgericht durchgeführten persönlichen Anhörung keine Veranlassung.

4. Der Haftung wegen des Aufklärungsversäumnisses steht nicht die Erwägung entgegen, dass die Klägerin auch bei hinreichender Aufklärung über das Risiko lebenslanger Schmerzen durch implantatbedingte Brustmuskelüberdehnungen in den Eingriff vom 03.04.2002 eingewilligt hätte. Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Beweis einer solchen hypothetischen Einwilligung (vgl. BGH, NJW 1994, 2414, 2415; 1991, 1543, 1544; 1990, 2928, 2929) nicht geführt.

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat hinreichend plausibel gemacht, dass sie bei der erforderlichen schonungslosen und deutlichen Aufklärung über das Risiko lebenslanger Brustmuskelschmerzen bei alltäglichen Armbewegungen unsicher und schwankend geworden wäre, ob sie den Eingriff durchführen lassen sollte. Dass die Klägerin in einen Entscheidungskonflikt darüber geraten wäre, ob sie die für sie allein in Betracht kommende Implantation unter dem Brustmuskel überhaupt durchführen lassen wolle, erscheint dem Senat nicht nur deshalb nachvollziehbar, weil es sich um einen ausschließlich kosmetisch motivierten Eingriff in einem normalerweise von Kleidung verhüllten Körperbereich handelte und die Klägerin glaubhaft angegeben hat, sie habe im Vorfeld des Eingriff schon einige Zeit mit dem Gedanken gespielt, ob sie sich die erschlafften Brüste operieren lassen solle oder nicht. Plausibel erscheint dem Senat der persönliche Entscheidungskonflikt der Klägerin auch, weil sie sich trotz des mittlerweile bestehenden Leidensdrucks und ihrer festen Nachoperationsabsichten nicht uninformiert und voreilig einem Korrektureingriff unterzogen hat. Das jetzige abwartende Verhalten der Klägerin - die sich ungeachtet der schon im Juli 2002 eingeholten fachärztlichen Beratung durch Prof. Dr. T in E2 noch weitere Informationen vor einer Nachoperation einholen möchte - spricht nach Auffassung des Senates dafür, dass sie auch seinerzeit bei vollständiger Risikoaufklärung ihre Operationseinwilligung vom 03.04.2002 ernsthaft kritisch überdacht hätte. Das ist zur Darlegung eines plausiblen Entscheidungskonfliktes ausreichend (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 203 m.w.N. zur Rspr.).

5. Die Beklagten haften wegen der Rechtswidrigkeit des Eingriffs infolge des Aufklärungsversäumnisses nicht nur für die dem landgerichtlichen Schmerzensgeldausspruch zugrunde liegenden - insbesondere kosmetischen -Behandlungsfehlerfolgen, sondern für alle bei der Klägerin eingetretenen nachteiligen Gesundheitsfolgen (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 167). Das sind hier : Postoperative Schmerzen während der Wundheilung, Entzündungen im Bereich des Nahtmaterials, Schmerzen durch die Implantate unter dem Brustmuskel, dauerhaft verminderte Berührungsempfindlichkeit der Brustwarzen und unteren Brustpole, breite Narben, zu hoch gesetzte Brustwarzen und -vorhofkomplexe, Entrundung bzw. Vergrößerung der Brustwarzenvorhofkomplexe, leichte Asymmetrie der Brüste mit unterschiedlicher Höhe der Brustumschlagfalte und Double - Bubble - Effekt, psychische Beeinträchtigungen durch optisch unschönes Ergebnis, Beeinträchtigung des Intimlebens sowie Notwendigkeit zumindest einer Korrektur-OP mit zweitägigem Krankenhausaufenthalt.

All diese Beeinträchtigungen stehen zur Überzeugung des Senates aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin und der entsprechenden Ausführungen in den eingeholten plastisch-chirurgischen Fachgutachten des Prof. Dr. P2 fest.

6. Auf dem Hintergrund dessen, dass die Klägerin - wie sie während des gesamten Rechtsstreites bekräftigt hat - in jedem Fall die optischen und schmerzhaften Beeinträchtigungen des streitgegenständlichen Eingriffs operativ abmildern lassen möchte, ist ihr aufgrund der vorstehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen allerdings lediglich ein "Teilschmerzensgeld" zuzusprechen, welches der Senat mit 10.000,- € für angemessen erachtet.

a) Dem steht nicht der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes entgegen, wonach das vom Gericht zuzuerkennende Gesamtschmerzensgeld alle den Schadensfall prägenden Umstände und insbesondere alle eingetretenen sowie objektiv vorhersehbaren künftigen Verletzungsfolgen abzugelten hat; denn bei einem - wie hier - unbeschränkten Schmerzensgeldverlangen ist für solche möglichen Verletzungsfolgen kein Schmerzensgeld zuzusprechen, die noch nicht eingetreten sind und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar ist (vgl. BGH, NJW 2004, 1243, 1244 m.w.N.). Dem Geschädigten ist insoweit lediglich für die Beeinträchtigungen des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung überschaubaren Zeitraums ein "Teilschmerzensgeld" zuzuerkennen (BGH, aaO). Etwaige bei der Schmerzensgeldbemessung nicht vorhersehbare Folgen rechtfertigen ggfls. später eine Nachforderung (BGH, aaO; Palandt, BGB, 64. Aufl., § 257, Rdnr. 28 + 31 m.w.N.; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 322, Rdnr. 13). Derartige Folgen sind deshalb Gegenstand des - nicht angefochtenen - erstinstanzlichen Feststellungsausspruchs.

b) Da die Klägerin - ihren Angaben gegenüber dem Senat zufolge - die Nachoperation ihrer Brüste voraussichtlich im kommenden Winter durchführen lassen möchte, wobei sie sich noch zu keiner der beiden vom Sachverständigen Prof. Dr. P2 vorgeschlagenen Vorgehensweisen entschlossen hat (einfache OP mit kleinerem Implantat, Doppel-OP mit Expanderbehandlung), bemisst der Senat das Schmerzensgeld nach den oben (zu 5.) genannten Beeinträchtigungen für die Vergangenheit und Zukunft bis zu der voraussichtlich annähernd 5 Jahre nach dem Schadensereignis stattfindenden Nach-OP (und deren typischen Auswirkungen einschließlich eines zweitägigen Krankenhausaufenthaltes). Eine weitergehende Einbeziehung der kosmetischen und gesundheitlichen Auswirkungen ist - mit Ausnahme der auf Nervenläsionen beruhenden dauerhaften Berührungsunempfindlichkeit - auch deshalb nicht möglich, weil nach der Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. P2 die Erfolgsaussichten einer Korrektur der zu hoch sitzenden Brustwarzenvorhofkomplexe zweifelhaft sind und u.a. von der gewählten Operationsmethode abhängen.

Der zuerkannte Schmerzensgeldbetrag von 10.000,- € erscheint angemessen und ausreichend, um die Klägerin für die genannten immateriellen Beeinträchtigungen in dem Zeitraum bis zur voraussichtlichen Nach-OP und hinsichtlich der verminderten Berührungsempfindlichkeit der Brüste auf Dauer zu entschädigen. Die weitergehende Schmerzensgeldklage hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.

7. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I 1, 708 Zif. 10, 713 i.V.m. 543 I, 544 ZPO, § 26 Zif. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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