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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 3 U 46/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540
BGB § 31
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 847 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.01.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe: I. Die am 03.06.1957 geborene Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Folgen einer Hallux valgus-Operation nach der Methode von Stoffella zur Behebung einer Fehlstellung ihrer linken Großzehe am 10.01.2000. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird zunächst gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Mit der Berufung wiederholt die Klägerin die Aufklärungsrüge und behauptet, dass die ihr nicht genannten Alternativmethoden nach Brandes, Hueter-Majo und Homann sämtlich risikoärmer gewesen seien. Art, Zweck und Hergang des Eingriffs seien ihr nicht näher erläutert worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich für das Vorgehen nach der Methode von Homann entschieden. Darüber hinaus vertieft sie ihre Behauptung eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens und rügt die Tatsachenfeststellung des Landgerichts als unrichtig und unvollständig. Insbesondere sei die Begutachtung durch die Sachverständigen Prof. Dr. L2 und Dr. D2 nicht verwertbar. Die Durchtrennung des Gelenkknochens sei entgegen den Vorgaben des Entwicklers Stoffella verfehlt in einem abgeflachten Winkel zum Querschnitt des Mittelfußknochens erfolgt, weshalb die durchtrennten Knochenteile nicht wieder zusammengewachsen seien und die Fehlstellung des Zehs nicht verändert worden und eine Korrekturoperation erforderlich geworden sei. Die Methode nach Stoffella sei zudem überholt. Die Fehlerhaftigkeit der Operation sei bereits bei der Metallentfernung am 03.04.2000 dem diese ausführenden Oberarzt Dr. G2 aufgefallen und hätte Anlass für eine Korrekturoperation geben müssen. Zudem sei es durch die Operation vom 10.01.2000 (an anderer Stelle: durch die Metallentfernung am 03.04.2000) zu einem Bruch (an anderer Stelle: einem Verrutschen) des Sesambeins gekommen. Durch die fehlerhaft ausgeführte Operation seien bei ihr ständige Schmerzen, die durch die Korrekturoperation am 05.10.2000 nur gemildert seien, ständige Behandlungsbedürftigkeit mit Medikamenteneinnahme und andauernde Arbeitsunfähigkeit ausgelöst worden. Die Klägerin beantragt, das am 11.01.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abzuändern und 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie a) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 27.375,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2003, b) ab dem 11.01.2003 eine vierteljährliche vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 750,-- Euro jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31.12.2020 (63. Lebensjahr der Klägerin), c) weitere 36.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2003, d) ab dem 11.01.2003 eine vierteljährliche vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 1.000,-- Euro jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31.12.2020 (63. Lebensjahr der Klägerin) zu zahlen und 2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr ab 11.01.2003 sämtlichen weiteren materiellen und weitergehenden immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte medizinische Behandlung vom 10.01.2000 zurückzuführen ist. Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und verteidigen das angefochtene Urteil. Sie sind der Auffassung, dass eine Aufklärung über Einzelheiten der gewählten Operationsmethode nach Stoffella nicht geboten gewesen sei. Die Klägerin habe wirksam und in Kenntnis aller Umstände und Risiken in die Operation vom 10.01.2000 eingewilligt. Die Operation sei lege artis erfolgt, die Methode nach Stoffella sei allgemein gebräuchlich und verbreitet. Der Senat hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Dr. G2 und des Sachverständigen Dr. D2. Wegen der Ergebnisse der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 24. Oktober 2005, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. II. Die zulässige Berufung bleibt erfolglos. Der Klägerin steht weder ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) als Operateur gemäß §§ 823, 847 BGB (a. F.), noch gegen die Beklagte zu 2) als Krankenhausträgerin aufgrund einer pVV des Krankenhausaufnahmevertrages oder gemäß §§ 823, 31, 831, 847 BGB (a. F.) aufgrund der Folgen der Operation ihres Hallux valgus vom 10.01.2000 zu. 1. Die Klägerin ist nicht fehlerhaft behandelt worden. Die Indikation zu einem operativen Eingriff ist zwischen den Parteien nicht in Streit. Die Sachverständigen Prof. Dr. L2 und Dr. D2 haben zudem darauf hingewiesen, dass das präoperative Röntgenbild vom 09.01.2000 eine typische Hallux-valgus-Deformität bei der Klägerin an der linken Großzehe zeigt. Die von dem Beklagten zu 1) angewandte Operationsmethode nach Stoffella war geeignet zur Behebung dieser Fehlstellung. Der Sachverständige Dr. D2 hat in der Beweisaufnahme vor dem Senat nochmals seine erstinstanzliche Aussage bekräftigt, dass es sich um eine gängige und auch heute noch verwendete Operationsmethode handelt, die anderen zur Behebung eines Hallux valgus verwendeten Operationsmethoden gleichwertig ist. Die Operation wurde auch sachgerecht ausgeführt. Insbesondere lässt sich nach dem Ergebnis zur ergänzenden Beweisaufnahme nicht feststellen, dass die Schnittführung der Osteotomie fehlerhaft war. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass zur Durchführung der Operation ein Schnittwinkel von 90 bis 120 Grad im Verhältnis zur Schaftachse des Zehs eingehalten werden muss. In der präoperativen Skizze lag der Winkel bei etwa 100 Grad. Zwar ist davon auszugehen, dass ausweislich der postoperativen Röntgenbilder der Beklagte zu 1) den angestrebten Winkel nicht exakt erreicht hat. Dies erklärt auch die Bekundung des Zeugen G, wonach der Beklagte zu 1) nach der Operation nicht vollkommen zufrieden war. Gleichwohl besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen kein Zweifel daran, dass sich der bei der Klägerin durchgeführte Schnitt innerhalb der zulässigen Schwankungsbreite hält und daher ordnungsgemäß war. Auch die postoperative Entwicklung lässt keinen Rückschluss auf ein fehlerhaftes Vorgehen bei der Operation am 10.01.2000 zu. So zeigen die Röntgenbilder vor der Metallentfernung, dass es zunächst zu einer planmäßigen knöchernen Verheilung kam. Die auf einigen Röntgenbildern erkennbare Ventralverschiebung des Metatarsalköpfchens begründet keine wesentliche Abweichung und gibt somit keinen Anhaltspunkt für ein fehlerhaftes Vorgehen. Gleiches gilt für die schon präoperativ vorliegende Lateralverlagerung der Sesambeine. Bereits erstinstanzlich haben die Sachverständigen Prof. Dr. L2 und Dr. D2 ausgeführt, dass die Beseitigung dieser Fehlstellung durch die Operation nicht immer zu erreichen ist. Für ein operationsbedingtes Verrutschen oder gar für einen Bruch der Sesambeine fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Unerheblich ist, ob entsprechend der Behauptung der Klägerin bei ihrer Anhörung schon drei Wochen nach der Operation der Fuß belastet werden sollte. Zwar wäre dann die Belastung zu früh erfolgt. Dies wäre jedoch folgenlos geblieben, da es gleichwohl zu einem Verheilen der Osteotomie kam. Auch bei der Materialentfernung am 03.04.2000 lässt sich ein Behandlungsfehler nicht erkennen. Insofern hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der im Röntgenbild vom 02.04.2000 erkennbaren knöchernen Verheilung der Osteotomie die Entfernung des eingelegten Materials nicht nur vertretbar, sondern sogar geboten war, da verbliebene Metallimplantate zu Beschwerden führen können. Die leichte Valgus-Abweichung und der möglicherweise geringgradige Korrekturverlust, die sich im postoperativen Röntgenbild zeigten, gaben dem Sachverständigen keine Veranlassung, auf ein fehlerhaftes Vorgehen bei der Materialentfernung zu schließen. Schließlich kann die Klägerin den Nachweis eines Behandlungsfehlers auch nicht durch die Aussage des Zeugen Dr. G2 führen. Der Zeuge Dr. G2 hat schon nicht bestätigt, dass er gegenüber der Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen bei ihrer Behandlung zugestanden habe. Im Übrigen würde auch ein derartiges Eingeständnis zur Beweisführung nicht ausreichend sein, da es sich nach den überzeugenden abweichenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. L2 und Dr. D als unzutreffend erwiesen hätte. 2. Die Beklagten haften auch nicht wegen eines Aufklärungsversäumnisses. Der Klägerin sind die Risiken der Operation, insbesondere auch das Risiko eines Nichtverheilens der Osteotomie und von Missempfindungen, Bewegungseinschränkungen und Restbeschwerden erläutert worden. Dies ergibt sich zum einen aus dem Einwilligungsbogen, den die Klägerin am 09.01.2000 unterschrieben hat. In diesem Bogen sind sämtliche verwandten Risiken der Operation aufgeführt worden. Der Senat ist zudem aber auch davon überzeugt, dass der Klägerin die Risiken im Aufklärungsgespräch durch Dr. G2 in der gebotenen Weise erläutert wurden. Dies ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. G2. Der Zeuge hat bekundet, dass er üblicherweise die im Aufklärungsbogen eingetragenen Risiken dem Patienten erläutert und entweder parallel zu seinen Erläuterungen im Aufklärungsbogen notiert oder im Anschluss an das Gespräch einträgt. Sollte er bei einem nachträglichen Eintragen feststellen, dass er vergessen hat, ein bestimmtes Risiko dem Patienten zu erläutern, holt er die Erläuterung durch eine ergänzende mündliche Aufklärung nach. Auch wenn sich der Zeuge konkret an das Gespräch mit der Klägerin nicht erinnern konnte, besteht gleichwohl kein Grund anzunehmen, dass er im Falle der Klägerin von der sonst bei ihm üblichen Vorgehensweise abgewichen ist. Ebenso erscheint seine Aussage glaubhaft, dass er sämtliche Eintragungen in dem Bogen vor Unterschriftsleistung durch den Patienten vorgenommen hat und auch im vorliegenden Fall nicht nachträglich noch Eintragungen auf der Rückseite des Bogens vorgenommen wurden. Soweit die Klägerin demgegenüber bestreitet, dass ihr ein Risiko wie das Nichtverheilen der Osteotomie mitgeteilt worden sei, erscheint es plausibel, dass sie sich an eine entsprechende Erläuterung lediglich nicht erinnern kann, weil sie der Aufklärung keine größere Beachtung schenkte. Zum damaligen Zeitpunkt stand außer Frage, dass eine Operation erforderlich war und die Klägerin konnte auch nicht absehen, dass es nach der Operation zu erheblichen weiteren Beschwerden kommen würde. Die der Klägerin erteilte Aufklärung war zudem auch nicht deshalb defizitär, weil ihr unstreitig weitere Operationsmethoden etwa nach Keller-Brandes, Hueter-Mayo oder Homann nicht erläutert wurden. Denn eine Notwendigkeit hierzu bestand nicht. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arzt den Patienten über Behandlungsalternativen mit gleichwertigen Chancen, aber andersartige Risiken aufzuklären hat (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rdn. 381 m. w. N.). Die Wahl einer anderen Operationsmethode stellt jedoch keine Behandlungsalternative im Sinne dieser Rechtsprechung dar. Grundsätzlich ist die Wahl der Operationsmethode Sache des Arztes. Er muss sich für die ihm vertraute Operationsmethode entscheiden können. Auch der Patient wäre regelmäßig überfordert, würde der Arzt von ihm eine Entscheidung für eine bestimmte Operationsmethode verlangen, da es schon kaum möglich erscheint, mit angemessenem Aufwand einem Patienten die Unterschiede und die Vor- und Nachteile verschiedener Operationsmethoden zu erläutern. Kann nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D2 kein Zweifel daran bestehen, dass die Operationsmethode nach Stoffella den andern bekannten Operationsmethoden eines Hallux valgus zumindest gleichwertig ist, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats und der anderen Oberlandesgerichte (vgl. etwa KG Berlin, VersR 1993, Seite 189; OLG Oldenburg, ArztR 1998, Seite 150; OLG Karlsruhe, MedR 2003, Seite 229), dass der Arzt eine Aufklärung über andere in Betracht kommende Operationsmethoden nicht schuldet. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst bei einem unterstellten Defizit in der Aufklärung der Klägerin hinsichtlich bestehender Operationsalternativen eine Haftung der Beklagten nicht gegeben wäre, weil sich zur Überzeugung des Senats die Klägerin auch bei einer weitergehenden Aufklärung für die durchgeführte Operation entschieden hätte. Gerade der Umstand, dass sie sich nicht für eine Operation in einem ihrem Wohnort nahe gelegenen Krankenhaus oder dem Krankenhaus entschied, in dem sie selbst als Physiotherapeutin beschäftigt war, sondern der Empfehlung des ihr bekannten Zeugen Dr. G2 folgte, macht deutlich, dass ihr Entschluss zur Operation bei den Beklagten zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs bereits fest stand. Sofern sie vor dem Senat demgegenüber erklärt hat, dass sie sich die Operation nochmals überlegt hätte, wenn man ihr erläutert hätte, was dabei passieren könne, ist dies schon deshalb nicht plausibel, weil - wie bereits oben ausgeführt wurde - der Klägerin sämtliche operationstypischen Risiken des Eingriffs erläutert worden waren. Erst recht nicht nachvollziehbar ist ihr schriftliches Vorbringen, dass sie sich im Falle einer Erläuterung für das Vorgehen nach der Methode Homann entschieden hätte. Dem steht entgegen, dass sie sich gerade durch die Äußerungen des Zeugen Dr. G2 zur Operation nach der Methode entschieden hatte, die der Zeuge im Krankenhaus der Beklagten kennen gelernt hatte und für die er nach seiner Bekundung seinerzeit Euphorie empfand. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO war nicht geboten. Die Entscheidung des Senats betrifft einen Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung besitzt. Von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofes ist der Senat nicht abgewichen. Die Beschwer der Klägerin liegt oberhalb von 20.000,-- Euro.

Ende der Entscheidung

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