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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 208/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 119
Einem Untersuchungshaftgefangenen kann die Erlaubnis zu einem Telefonat mit seiner im Ausland lebenden Mutter nur dann erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass er auch tatsächlich mit seiner Mutter telefoniert und nicht naheliegt, dass die begehrte Telefongenehmigung für ein angeblich mit der Mutter zu führendes Telefonat dazu missbraucht wird, um telefonisch mit dritten Personen außerhalb der Anstalt in Kontakt zu treten.
Beschluss Strafsache gegen A.G.,

wegen Diebstahls, Hehlerei und Verstoßes gegen das Waffengesetz,

(hier: Beschwerde des Angeklagten gegen eine beschränkende Auflage nach § 119 Abs. 3 StPO).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 30.03.2001 gegen den Beschluss der Vorsitzenden der II. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 23.03.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte, der sich seit seiner Festnahme am 20.09.2000 in vorliegender Sache in Untersuchungshaft befindet, ist durch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 29.03.2001 wegen Beihilfe zum Versuch des Wohnungseinbruchsdiebstahls, wegen Hehlerei und wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten unter Freisprechung im Übrigen verurteilt worden.

Mit Schreiben vom 18.01.2001 beantragte der Angeklagte die Genehmigung eines Telefongesprächs mit seiner Mutter im Kosovo. Nach Anhörung der Justizvollzugsanstalt Münster sowie der zuständigen Staatsanwaltschaft hat die Vorsitzende der Strafkammer zunächst mit Verfügung vom 13.02.2001 die begehrte Telefongenehmigung versagt, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, aus welchen Gründen ein brieflicher Kontakt mit der Mutter nicht ausreiche.

Der Angeklagte hat daraufhin mit Schreiben seines Verteidigers vom 23.02.2001 erneut die Genehmigung eines Telefongesprächs mit seiner Mutter beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Postbeförderung in den Kosovo sei unsicher und benötige eine unverhältnismäßig lange Zeit, zumal die Briefe zunächst im Rahmen der Postkontrolle übersetzt werden müssten. Er wolle persönlich per Telefon seiner Mutter einen Gruß übermitteln.

Mit Beschluss vom 23.03.2001 hat die Strafkammer die Genehmigung eines Telefonats des Angeklagten mit seiner Mutter erneut abgelehnt. Sie hat zur Begründung darauf verwiesen, dass der Angeklagte Besuchskontakt zu seinem in Bielefeld lebenden Bruder habe. Besondere Gründe für einen direkten Telefonkontakt zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.03.2001 Beschwerde eingelegt. Der Kontakt zu seinem Bruder könne ein persönliches Wort mit der Mutter nicht ersetzen. Zudem solle es sich nur um einen Einzelfall handeln vorbehaltlich eines schwerwiegenden Grundes in der Zukunft, der derzeit aber nicht ersichtlich sei.

Die Vorsitzende der Strafkammer hat der Beschwerde mit Verfügung vom 27.04.2001 nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I zu der beantragten Telefongenehmigung eingeholt und darüber hinaus den Angeklagten um die Angabe von Namen, Anschrift und Telefonnummer seiner Mutter im Kosovo gebeten. Die erbetenen Angaben hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 23.05.2001 gemacht. Die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I hat unter dem 23.05.2001 geantwortet und sich im Wesentlichen den Ausführungen des Leiters der JVA Münster vom 30.01.2001 angeschlossen. Aufgrund der herrschenden Überbelegung insbesondere mit ausländischen Mitgefangenen müsse die Genehmigung von Telefonaten auch aus Gründen der Gleichbehandlung auf dringendste Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

III.

Die zulässige Beschwerde des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Vorsitzende der Strafkammer hat dem Angeklagten im Ergebnis zu Recht die von ihm begehrte Telefongenehmigung verwehrt.

Allerdings rechtfertigen, wie der Senat bereits mehrfach und in ständiger Rechtsprechung sowie in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung im Übrigen entschieden hat, die von den Justizvollzugsanstalten und der Staatsanwaltschaft angeführten organisatorischen Gründe für sich genommen nicht die Versagung der begehrten Telefongenehmigung (vgl. Senat, Beschluss vom 28.01.1997 - 3 Ws 58/97 OLG Hamm; OLG Hamm, NStZ-RR 1996, 303; OLG Stuttgart, StV 1995, 260; vgl. auch BVerfG, NJW 1993, 3059; NStZ 1994, 604 = StV 1994, 585; BGHSt 42, 95).

Die Gewährung der begehrten Telefonerlaubnis kann aber nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend sicher zu überwachen ist, dass das von dem Angeklagten begehrte Telefongespräch auch tatsächlich mit seiner Mutter geführt wird und nicht naheliegt, dass die begehrte Telefongenehmigung für ein angeblich mit der Mutter zu führendes Telefonat dazu missbraucht wird, um telefonisch mit dritten Personen außerhalb der Anstalt in Kontakt zu treten (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 2. Aufl., Rdnr. 456). Bei der Überwachung eines Telefongespräches ergibt sich nämlich die Besonderheit gegenüber der Überwachung sonstiger Kontakte des Untersuchungsgefangenen mit der Außenwelt, dass zwar ähnlich wie bei einem Besuch der gesamte Gesprächsinhalt mitgehört werden kann, der Gesprächsteilnehmer jedoch nicht unmittelbar zu identifizieren ist, so dass nicht ausgeschlossen sein kann, dass das Telefonat mit Personen stattfindet, mit denen kein Kontakt aufgenommen werden darf (ebda.).Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass ein Dolmetscher den Gesprächsteilnehmer anwählt und sich sodann in einem Einleitungsgespräch über die Identität des Gesprächsteilnehmers informiert (ebda.). Diese Möglichkeit bietet aber nur dann hinreichende Gewähr gegen Missbräuche, wenn zuvor überhaupt überprüfbar ist, wer der Anschlussinhaber ist und wohin telefoniert werden soll. Unproblematisch ist dies bei einem Festnetzanschluss. Hätte der Angeklagte hier einen solchen Festnetzanschluss angegeben, so hätte der Senat, wie bereits angekündigt, über das Auswärtige Amt überprüfen können, ob es sich bei diesem Anschluss um den Anschluss der Mutter des Angeklagten handeln konnte. Diese Überprüfungsmöglichkeit ist dem Senat hier jedoch verwehrt. Der Angeklagte hat nämlich keinen Festnetzanschluss, sondern den Anschluss eines Mobiltelefons als Telefonnummer der Mutter, die anzuwählen er beabsichtige, angegeben. Es handelt es sich auch nicht etwa um einen Mobilfunkanschluss aus dem Kosovo, sondern, wie eine Rückfrage des Senates bei der Deutschen Telekom ergeben hat, um eine Mobilfunknummer aus Monaco. Wie die im Kosovo lebende Mutter des Angeklagten zu einem Mobilfunkanschluss in Monaco gelangen konnte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Hier spricht vielmehr alles für einen beabsichtigten Missbrauch der begehrten Telefongenehmigung. Jedenfalls ist aber nicht hinreichend kontrollierbar, mit wem das Telefonat geführt werden soll. Insbesondere kann sich jede weibliche Person als Mutter des Angeklagten ausgeben. Der Zweck der Untersuchungshaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens, steht hier daher der begehrten Telefongenehmigung entgegen, zumal der Angeklagte über den allgemeinen Wunsch, seiner Mutter einen persönlichen Gruß zu übermitteln, keinerlei Umstände angegeben hat, die ein besonderes Interesse an dem begehrten Telefonat begründen könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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