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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 324/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454b
StPO § 311
StPO §§ 301 ff.
Werden von der Strafvollstreckungskammer mehrere Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt, für die verschiedene Staatsanwaltschaften als Vollstreckungsbehörden zuständig sind, und greift nur eine von mehreren Vollstreckungsbehörden die Entscheidung an, so kann das Beschwerdegericht auch nur hinsichtlich der Reststrafe, für deren Vollstreckung diese Staatsanwaltschaft zuständig ist, über das Rechtsmittel entscheiden.
3 Ws 323/08 3 Ws 324/08

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Bielefeld vom 28.07.2008 wird aufgehoben, soweit darin der Strafrest der mit Urteil des Amtsgerichts Lippstadt (20 Ds 171 Js 506/07 - 272/07) vom 18.09.2007 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Insoweit wird die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der mit diesem Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:

I.

Der Verurteilte wurde mit Urteil des Amtsgericht Schwabach vom 19.07.2005 (3 Ds 354 Js 13802/05 Schr.) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die zunächst gewährte Strafaussetzung wurde im November 2007 widerrufen. Mit Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 18.09.2007 (20 Ds 171 Js 506/07 - 272/07) wurde gegen ihn des weiteren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten verhängt. Gegen ihn wurde ferner eine Sperrfirst für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr angeordnet. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 26.09.2007.

Zwei Drittel dieser beiden Strafen hatte der Verurteilte am 04.08.2008 verbüßt.

Mit Beschluss vom 28.07.2008 hat das Landgericht - StVK - Bielefeld die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 19.07.2005 (3 Ds 354 Js 13802/05 Schr.) nach Verbüßung von zwei Dritteln zum 04.08.2008 zur Bewährung ausgesetzt. Im gleichen Beschluss hat es auch die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 18.09.2007 (20 Ds 171 Js 506/07 - 272/07) nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen den Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Paderborn am 30.07.2008 unter dem Aktenzeichen 171 Js 506/07 zu dem Aktenzeichen des Landgerichts Bielefeld StVK P 2169/08 (22b) sofortige Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat keine Rechtsmittel eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die bedingte Entlassung bezüglich beider Freiheitsstrafen abzulehnen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Paderborn gegen die Reststrafenaussetzung hinsichtlich der durch das AG Lippstadt verhängten Freiheitsstrafe ist zulässig und begründet. Soweit mit dem Beschluss der StVK auch die Reststrafe aus dem Urteil des AG Schwabach zur Bewährung ausgesetzt worden ist, ist der Beschluss nicht angefochten worden, so dass der Senat hierüber nicht zu entscheiden hatte.

1.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Paderborn ist beschränkt auf die bedingte Entlassung hinsichtlich der durch das AG Lippstadt erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten eingelegt worden. Das ergibt sich daraus, dass das Rechtsmittel nur unter dem Aktenzeichen der StA Paderborn und nur zu dem damit korrespondierenden Aktenzeichen der Strafvollstreckungskammer Bielefeld eingelegt worden ist. Es kann daher nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Beschluss insgesamt angefochten wird, denn insoweit kann jede Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde die Entscheidung nur hinsichtlich derjenigen Strafe anfechten, für die sie als Vollstreckungsbehörde zuständig ist (OLG Düsseldorf MDR 1995, 194; Wendisch in LR-StPO 25. Aufl. § 454b Rdn. 43).

Dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth den Beschluss nicht angefochten hat, entnimmt der Senat - dem das entsprechende Vollstreckungsheft nicht vorliegt - der Entlassungsmitteilung der StA Nürnberg-Fürth vom 29.07.2008, gerichtet an die JVA C zu dem Aktenzeichen StVK P 2032/08, welches das Erkenntnis des AG Schwabach betrifft. Ferner ist dies auch aus der telefonischen Auskunft der StA Nürnberg-Fürth gegenüber dem Berichterstatter, dass dort "Rechtskraft" im Computer vermerkt sei, zu entnehmen. Die Nichtanfechtung seitens der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth macht nicht etwa das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, weil § 454b StPO generell eine gemeinsame Entscheidung über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung bei Vollstreckung mehrerer Erkenntnisse verlangt. Vielmehr ist in diesen Fällen der Aussetzungsbeschluss nur teilweise angefochten. Dem Erfordernis gemeinsamer Entscheidung nach § 454b StPO kann nicht auch das Verbot einer bloßen Teilanfechtung entnommen werden (i. E. ebenso auch: OLG Düsseldorf a.a.O.).

Der weitergehende Antrag der Generalstaatsanwaltschaft geht, da der Beschluss nur teilweise angefochten wird, ins Leere.

2.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Paderborn gegen die Aussetzung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 18.09.2007 hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung liegen hier nicht vor. Sie kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Verurteilten, seines Vorlebens, der Umstände der Taten, des Gewichts des beim Rückfall bedrohten Rechtsgutes, seines Verhaltens im Vollzug, seiner Lebensverhältnisse und der Wirkung, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, zu prüfen. Isolierte Aussagen über die Wahrscheinlichkeit künftiger Straflosigkeit des Verurteilten sind nicht angängig, vielmehr sind diese in Bezug zu den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu setzen. Im Rahmen der anzustellenden Prognose kommt dem bei der mündlichen Anhörung des Verurteilten gewonnenen persönlichen Eindruck des mit der Aussetzungsentscheidung befassten Gerichtes grundsätzlich große Bedeutung zu. Das Beschwerdegericht soll deshalb von der aufgrund der persönlichen Anhörung gewonnenen Prognose nur abweichen, wenn von der Strafvollstreckungskammer wesentliche Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet worden sind oder die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erkennbar nicht auf einem für das Beschwerdegericht nachvollziehbaren Eindruck des Verurteilten bei der mündlichen Anhörung beruht (OLG Hamm Beschl. v. 25.03.2008 - 1 Ws 163/08; vgl. auch: OLG Hamm Beschl. v. 08.02.2000 - 4 Ws 10/2000).

Die positive Prognose der Strafvollstreckungskammer aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks ist vorliegend nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus dem Protokoll der Anhörung und dem Akteninhalt. Die Strafvollstreckungskammer begründet ihre günstige Prognose damit, dass der Verurteilte Erstverbüßer sei und sich vom Strafvollzug beeindruckt zeige. Deswegen sei nach dem persönlichen Eindruck aufgrund des Anhörungstermins zu erwarten, dass er sich die Teilverbüßung zur Warnung dienen lasse und sich künftig straffrei verhalte.

Der Verurteilte ist seit 1999 indes - was auch die Strafvollstreckungskammer nicht verkannt hat - bereits neben den beiden oben genannten Verurteilungen weitere vier mal zu Geldstrafen verurteilt worden; drei dieser vier weiteren Verurteilungen beziehen sich auf vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis bzw. Trunkenheit im Verkehr, sind also einschlägig. Er ist auch Bewährungsversager. Grundsätzlich spricht zwar bei einem Erstverbüßer die Vermutung dafür, dass der Strafvollzug seine Wirkung nicht verfehlt hat und dies der Begehung neuer Straftaten entgegenwirkt (OLG Hamm Beschl. v. 24.07.2008 - 3 Ws 269/08; Fischer StGB 55. Aufl. § 57 Rdn. 14). Dagegen sprechen aber hier eine Reihe von Umständen, die nicht zuletzt auch aus dem Protokoll über die Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer deutlich werden. So heißt es in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, dass der Verurteilte im Rahmen des Prüfungsverfahrens zu einer von ihm erstrebten Selbstbeschäftigung als Selbständiger argumentiert habe, dass er mit einem in Deutschland nicht gültigen Führerschein trotz bestehender Sperrfrist eine weitere Tätigkeit in seinem Fußbodenheizungsbaubetrieb ausüben wolle, wozu auch das Führen eines PKW notwendig sei. Er habe auch Baustellen in Österreich. Da der Verurteilte bereits mehrfach wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, muss ihm indes klar sein, dass er in laufender Sperrfrist ohne eine wirksame Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug nicht führen darf. Der Vortrag des Verteidigers, dies sei ihm bisher noch nicht so klar gewesen, jetzt aber aufgrund Belehrung durch den Verteidiger schon, fehlt es daher an Überzeugungskraft. Dies gilt erst recht, da der Verurteilte sich auch in der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer zunächst so eingelassen hatte, dass er glaubte, er dürfe fahren und dann auf Vorhalt seiner früheren Verurteilungen meinte, dass er darauf nichts erwidern könne. Dies deutet eher auf gewisse Bagatellisierungstendenzen und gegen eine Beeindruckung durch den Strafvollzug hin.

Auch das Argument des Verurteilten, er würde weitgehend Bürotätigkeiten verrichten und vor Ort Subunternehmer arbeiten lassen, so dass eine Fahrt zu den Baustellen nur vereinzelt erforderlich sei und er sich insoweit deshalb öffentlicher Verkehrsmittel bedienen könne, ist nicht überzeugend. Es erscheint naheliegend, dass - selbst wenn die eigentliche Bautätigkeit von anderen vorgenommen wird - der Verurteilte zumindest zur Erstellung von Aufmaß und Kostenvoranschlägen und für Überwachungstätigkeiten vor Ort sein muss. So kam es ausweislich seines Schreibens vom 02.06.2008 zu seiner Festnahme zum Zwecke der Strafvollstreckung nur deshalb, weil er aus Arbeitsgründen (Bearbeitung einer Reihenhausanlage) längere Zeit im Ausland war und erst kurz vor der Festnahme zurückgekehrt ist. Schließlich mindert auch der Umstand, dass der Verurteilte seinen ausländischen Führerschein bei der Straßenverkehrsbehörde abgegeben hat nicht die Rückfallgefahr (wie die Verteidigung - wegen des verringerten Täuschungspotentials- meint). Auch bei der hier in Frage stehenden Verurteilung war es so, dass der Verurteilte bei den Polizeikontrollen überhaupt kein Fahrerlaubnisdokument vorweisen konnte.

Angesichts dieser Umstände sieht der Senat die Rückfallgefahr bei dem Verurteilten als erheblich an. Daher kann ihm - obwohl es sich bei dem Verstoß gegen § 21 StVG eher um Delinquenz mit Bagatellcharakter handelt - und - abgesehen von gewissen Bedenken im Hinblick auf die Verurteilten begangenen Trunkenheitsfahrten - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von dem Verurteilten Gefahren für den Straßenverkehr ausgehen, die erforderliche günstige Prognose nicht gestellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO (vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 473 Rdn. 15).

Ende der Entscheidung

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