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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 550/04
Rechtsgebiete: BtMG, StPO, StGB


Vorschriften:

BtMG § 36
StPO § 453 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 3
StPO § 473 Abs. 4
StGB § 56 f
StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 2 Satz 1
StGB § 56 f Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Bewährungszeit wird um 1 Jahr verlängert (d.h. sie beträgt nunmehr vier Jahre und läuft bis zum 30. Januar 2007).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe: I. Der in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretene Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 1998 wegen Diebstahls in neun Fällen, davon in acht Fällen gemeinschaftlich handelnd und in einem Falle in einem erschwerten Falle und wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Nach Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 36 BtMG durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28.6.2001 und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des Amtsgerichts Herne vom 26.6.2002 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen durch Beschluss vom 18.12.2002 die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus; die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und der Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die Strafvollstreckungskammer hat im angefochtenen Beschluss vom 28.7.2004 die Bewährung widerrufen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit seinem Rechtsmittel. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bewährungszeit um ein Jahr zu verlängern. II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die gem. § 453 Abs. 2 StPO, § 56 f StGB statthafte und fristgemäß (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat die Strafaussetzung zu Unrecht widerrufen. Soweit das Landgericht den Widerruf der Strafaussetzung darauf gestützt hat, dass der Verurteilte nicht ausreichend Kontakt zu seiner Bewährungshelferin gehalten hat, rechtfertigt dies den Widerruf nicht. Der Weisungsverstoß setzt in objektiver Hinsicht ein wiederholtes bzw. andauerndes Verhalten voraus, das auf einer ablehnenden Haltung gegenüber der Beaufsichtigung durch den Bewährungshelfer beruht (SchönkeSchröderStree, StGB, 26. Aufl., § 56 f Rn. 6, ), wobei in subjektiver Hinsicht Verschulden erforderlich ist. Auf Seiten des Bewährungshelfers setzt dies aber im Umkehrschluss voraus, dass sich der Bewährungshelfer zunächst einmal aktiv, wenn auch - ohne sein Verschulden - vergeblich, um den Probanden bemüht hat ( SK-StGB- Horn § 56 f Rn. 18, Tröndle/Fischer StGB § 56 f, Rn 10). Einzelne Unbotmäßigkeiten des Probanden reichen nicht aus ( SK-StGB-Horn § 56 f Rn. 18) Zwar hatte der Verurteilte in der Zeit von 1. April bis Ende Juni 2004 den Kontakt zu seiner Bewährungshelferin abgebrochen (zu vgl. BI. 76 Bew.H.). Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kontakt des Verurteilten zu seiner Bewährungshelferin dessen Berichten zufolge zumindest seit Januar 2003 beanstandungsfrei. Soweit in dem Bericht der Bewährungshelferin vom 28.6.2004 anklingt, auch vor dem 1.4.2004 sei es zu unregelmäßiger Kontakthaltung gekommen, kann dies mangels konkreter Darlegung von nicht eingehaltenen Gesprächsterminen ebenso wenig eine Grundlage für einen Widerruf der Strafaussetzung darstellen, wie die inhaltlich leere Formulierung im Bericht der Bewährungshelferin, der Kontakt zum Proband sei abgebrochen. Aus der Verpflichtung der Bewährungshilfe dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen ( § 56 d Abs. 3 StGB) folgt die Pflicht, sich bei Nichteinhaltung von abgesprochenen Gesprächsterminen nach dem Grund hierfür zumindest schriftlich oder telefonisch beim Verurteilten zu erkundigen, neue Sprechstundentermine anzubieten und/oder zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und ggfls. bei völligem Kontaktabbruch auch einen Hausbesuch vorzunehmen. Zwar hat der Bewährungshelfer kein Recht auf Zutritt zum Verurteilten, doch kann seitens des Gerichts nach entsprechender Information durch den Bewährungshelfer dem Verurteilten die Weisung erteilt werden, dem Bewährungshelfer zu angemessenen Zeiten Zutritt zu gestatten ( Tröndle/Fischer § 56 d Rn. 5 a.E.). Sofern der Bewährungshelfer nach Durchführung dieser Maßnahmen zu dem Ergebnis kommt, der Proband entziehe sich beharrlich seiner Aufsicht, hat er dieses auch für das Gericht anhand konkreter Umstände ( Einladungsschreiben, Nachweis telefonischer Kontakte, Hausbesuche, Gesprächsvermerke etc.) nachvollziehbar darzulegen, so dass das Vorliegen einzelner Unbotmäßigkeiten, die eine beharrliche Pflichtverletzung nicht rechtfertigen, ausgeschlossen werden können. Unter Berücksichtigung dessen fehlt es bereits an einem nachvollziehbaren fortdauernden beziehungsweise wiederholtem Weisungsverstoß. Allerdings ist der Verurteilte nunmehr durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 6.8.2004 wegen Diebstahls und Beförderungserschleichung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden, so dass die Widerrufsvoraussetzungen des § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB demnach grundsätzlich erfüllt sind. Bei der nunmehr gegebenen Sach und Verfahrenslage kann jedoch gemäß § 56 f Abs. 2 Satz l StGB von einem Widerruf abgesehen werden, weil es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern. Der Widerruf ist kein Instrument der Ahndung von Verfehlungen in der Bewährungszeit, sondern eine Berichtigung der ursprünglichen, sich aber als unrichtig herausgestellten Prognose (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, § 56 f Rn. 8). Daher ist von einem Widerruf abzusehen, wenn zum Entscheidungszeitpunkt (wieder) von einer für den Verurteilten günstigen Entscheidung ausgegangen werden kann. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist es in der Regel geboten, sich wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten des letzten Tatgerichts dessen sach und zeitnaherer Prognose anzuschließen (zu vgl. BVerfG, NStZ 1985, 357; Senat, Beschluss vom 01. September 1998 3 Ws 360 und 361/99, Beschluss vom 29. Dezember 1999 -3 Ws 764/99 , OLG Köln, StV 1993, 429 m.w.N., Tröndle/Fischer, aaO Rn 8b). Dies gilt nur dann nicht, wenn die erneute Strafaussetzung zur Bewährung der Überzeugungskraft entbehrt (BVerfG a.a.O.) und wesentliche Gesichtspunkte nicht oder völlig unzutreffend bewertet werden (OLG Köln a.a.O.; OLG Düsseldorf, VRS 89, 33, 34; Tröndle/ Fischer aaO.). Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Das Amtsgericht Herne-Wanne hat zur Begründung der erneuten Strafaussetzung zur Bewährung insbesondere berücksichtigt, dass der Verurteilte seit einem Jahr strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei. Der Kontakt zur Bewährungshelferin sei wieder hergestellt und insgesamt versuche der Beschwerdeführer sein Leben in den Griff zu bekommen. Diese Begründung ist insbesondere aufgrund der in dem Urteil mitgeteilten Lebensumstände des Beschwerdeführers überzeugend. Es erscheint jedoch als milderes Mittel geboten, die Bewährungszeit gemäß §§ 56 f Abs. 2 Satz l Nr. 2 i.V.m. Satz 2 StGB um die gesetzlich zulässige Frist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage, § 56 a Rn. 3 m.w.N.) zu verlängern, um dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, sich des mit dem Absehen vom Widerruf in ihn gesetzten Vertrauens würdig zu erweisen. Durch die spürbare Verlängerung der Bewährungszeit kann der mit der Reststrafenaussetzung verfolgte Zweck zukünftige straffreie Lebensführung des Verurteilten erreicht werden. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 473 Abs. 3 und 4 StPO.

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