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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 665/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
Zur Anwendung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Rechtsschutz nach Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles bei abgelehnter bedingter Entlassung aus der Strafhaft und im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens eingetretener Vollverbüßung.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde ist gegenstandslos.

Gründe:

I.

Der Verurteilte wurde vom Landgericht Essen am 27.05.2003 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafviollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt. Am 25.11.2007 hatte der Verurteilte die Strafe vollständig verbüßt.

II.

Das Rechtsmittel ist gegenstandslos geworden.

1.

Die Freiheitsstrafe war mit Ablauf des 25.11.2007 vollständig vollstreckt, so daß der Beschwerdeführer sein Ziel, die Strafe nicht vollständig verbüßen zu müssen, nicht mehr erreichen kann. Sein Rechtsmittel ist damit prozessual überholt und gegenstandslos, weil die vollständige Verbüßung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Die prozessuale Überholung ist auch erst nach der Einlegung des Rechtsmittels eingetreten, so daß keine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig in Betracht kommt (OLG Hamm Beschl. v. 15.01.1998 - 3 Ws 11/98 = NStZ-RR 1999, 320 - LS -; OLG Hamm NStZ 1998, 638).

2.

Auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Rechtsschutz nach Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.

Ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung kann nach Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Insofern entfällt das Rechtsschutzinteresse nicht, wohl aber ändert sich der Prozessgegenstand. Dies ist der Fall, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.

Weiterhin kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht. Hierunter fallen vornehmlich solche Maßnahmen, die schon das Grundgesetz - wie in den Fällen der Art. 13 II und Art. 104 II und III GG - unter Richtervorbehalt gestellt hat. Bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 IV GG geschütztes Rechtsschutzinteresse in Fällen angenommen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann (BVerfG NJW 2006, 40 m.w.N.).

Solche Fallgestaltungen sind in dem vorliegenden Vollstreckungsverfahren nicht gegeben (vgl. näher zur Anwendung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in Vollstreckungsverfahren OLG Hamm Beschl. v. 15.01.1998 - 3 Ws 11/98 = NStZ-RR 1999, 320 - LS -; OLG Hamm NStZ 1998, 638). Ein Rechtschutzinteresse wegen fortwirkender Beeinträchtigung oder wegen Wiederholungsgefahr ist nach vollständiger Erledigung der Strafvollstreckung nicht erkennbar. Auch beschränkt sich die direkte Belastung des Verurteilten durch den angegriffenen Hoheitsakt nicht nach dem typischen Verlauf auf eine Zeitspanne, in welcher der Verurteilte die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Vielmehr ist hier in einem Einzelfall die prozessuale Überholung eingetreten, nachdem der Verurteilte recht knapp vor der Vollverbüßung, nämlich Ende April 2007, ein Aussetzungsgesuch gestellt hat, über welches aber gem. § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden werden konnte, da die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe zwei Einzelstrafen von mehr als zwei Jahren enthielt.

Ende der Entscheidung

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