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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 30 U 8/07
Rechtsgebiete: UStG, ZPO, BGB, AO


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 9b
UStG § 4 Abs. 9b
UStG § 9
UStG § 9 Abs. 1
UStG § 9 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 5 S. 2
UStG § 15 Abs. 2 Nr. 1
UStG § 29
ZPO § 50
ZPO § 281
BGB § 134
BGB § 215
BGB § 242
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 291
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 390
BGB § 535 Abs. 2.
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2
BGB § 818 Abs. 3
AO § 130 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.10.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 41.191,05 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.425,59 € seit dem 7.11.2005, aus weiteren 7.425,59 € seit dem 6.12.2005, aus weiteren 6.401,37 € seit dem 06.01.2006, aus weiteren 6.401,37 € seit dem 8.2.2006, aus weiteren 6.401,37 € seit dem 8.3.2006, aus weiteren 6.401,37 € seit dem 8.4.2006 sowie aus weiteren 734,39 € seit dem 19.10.2006 zu zahlen,

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Hagen entstanden sind. Diese sind von der Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind sich einig, dass zwischen ihnen mit dem Inhalt der Vertragsurkunde vom 1.11.1993 ein Mietverhältnis über gewerbliche Räume besteht. Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch im Gründungsstadium. Die Räume waren gem. § 1 des Vertrages zum Betrieb einer Spielhalle vermietet. Nach § 3 des Mietvertrages war ein monatlicher Mietzins von 12.500,- DM (= 6.391,15 €) zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart. Außerdem waren 20,- DM (= 10,22 €) monatlich an Straßenreinigungsgebühren ebenfalls zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Gem. § 4 waren die Miete und die Nebenkosten monatlich im voraus, spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats an den Vermieter zu zahlen. Nach § 5 des Vertrages waren Aufrechnungen einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses anzukündigen. § 14 des Vertrages enthält eine Erhaltungs- und Anpassungsklausel für den Fall, dass etwaige Vertragsregelungen oder -änderungen unwirksam sein sollten.

Mit Urteil vom 17.2.2005 hat die 2. Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil v. 17.2.2005 - verbundene Rs. C-453/02 und C-462/02 (FA Gladbeck/Edith Linneweber und FA Herne Westf./Savvas Akritidis) = DStR 2005, 371 ff. - sog. Linneweber-Entscheidung) festgestellt, die in § 4 Nr. 9b UStG enthaltene deutsche Steuerrechtsregelung, nach der nur die Umsätze öffentlicher Spielbanken umsatzsteuerfrei seien, widerspreche dem Gemeinschaftsrecht und sei damit auch für die Vergangenheit unwirksam. Der Bundesgesetzgeber hat die so festgestellte allgemeine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielumsätzen mit Wirkung zum 6.5.2006 durch eine entsprechende Gesetzesänderung beendet und die Umsätze privater Spielhallenbetreiber wie öffentlicher Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen.

Die Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben in einem koordinierten Ländererlass vom 25.1.2006 (Koordinierter Ländererlass BayLfSt, S 7198-2-St35N) Folgendes erklärt:

"Nach Abstimmung zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist es nicht zu beanstanden, wenn in den Fällen, in denen ein Unternehmer steuerpflichtig Geschäftsräume an einen Glücksspielveranstalter vermietet, welcher aufgrund der aktuellen Rechtsprechung (EuGH, Urteil in den verb. Rs C-453/02 und C-462/02, V R 7/02, V R 50/01) rückwirkend die Steuerfreiheit solcher Umsätze geltend macht, der Unternehmer seine bis zum 31.12.2005 an den Glücksspielveranstalter erbrachten Vermietungsleistungen (weiterhin) entgegen § 9 Abs. 2 UStG als steuerpflichtig behandelt.

Anderslautende Verwaltungsanweisungen sind insoweit nicht mehr anzuwenden."

Die Beklagte forderte und erhielt aufgrund der Linneweber-Entscheidung die auf ihre Spielautomatenumsätze gezahlte Umsatzsteuer von ihrem Finanzamt zurück. Das Finanzamt zog aber die Vorsteuer, welche die Beklagte in Ansehung der an die Klägerin geleisteten Umsatzsteuer für die Mieträume geltend gemacht hatte, wieder ab.

Die Beklagte zahlte die Monatsmieten einschließlich Umsatzsteuer bis zum Oktober 2005. Von November 2005 bis einschließlich April 2006 zahlte sie keine Miete mehr.

Stattdessen verrechnete sie die von Januar 1995 bis Oktober 2005 ihrer Auffassung nach zu Unrecht von der Klägerin vereinnahmte Umsatzsteuer von insgesamt 47.027,66 € mit den von der Klägerin im Klagewege geltend gemachten Mietzinsforderungen, weil die Klägerin insoweit ungerechtfertigt bereichert gewesen sei. Unter Hinweis auf die ihrer Auffassung nach geänderte Rechtslage erklärte der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten der Geschäftsführerin der Klägerin, man werde für Oktober nur anteilige, ab November 2005 die entsprechenden Mietzinsen ausrechnen und zahlen. Hierüber gab sie der Klägerin unter dem 5.5.2006 eine schriftliche Verrechnungsmitteilung unter Bezugnahme auf eine Aufstellung ihres Steuerberaters K vom 27.4.2006 betreffend die Steuerjahr 1995 bis 2005.

Seit Mai 2006 zahlt die Beklagte wieder Miete.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Monate November und Dezember 2005 die Zahlung der Bruttomieten, wobei sie einen Betrag von 7.445,59 € monatlich errechnet, und für die Monate Januar bis April 2006 die Zahlung der Nettomieten. Weiter begehrt sie Schadensersatz wegen des nicht anrechenbaren Teils der außergerichtlichen Kosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 1.630,60 €, die durch das Betreiben von insgesamt sechs Verfahren wegen der jeweiligen nicht gezahlten Monatsmiete entstanden seien.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die sog. Linneweber-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs entfalte keinerlei Wirkung zwischen den Parteien. Insbesondere entfalte sie keinerlei Wirkung dahingehend, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten "zu Unrecht" seit dem Jahr 1995 Umsatzsteuern in Rechnung gestellt und kassiert habe.

Sie sei aufgrund des koordinierten Ländererlasses vom 25.1.2006 bis einschließlich zum 31.12.2005 berechtigt gewesen, zur Umsatzsteuer zu optieren und dementsprechend nicht verpflichtet, diese Option rückabzuwickeln. Im Übrigen sei ihr dies wegen der Auswirkungen auf die von ihr geltend gemachten Vorsteuerabzüge auch nicht zumutbar.

Sie sei außerdem durch die Abführung der Umsatzsteuer an die Finanzverwaltung entreichert.

Die Richtigkeit der Zahlen der Auflistung des Steuerberaters K werde bestritten und die Berechnung sei auch nicht nachvollziehbar, weil die Anknüpfungstatsachen nicht mitgeteilt worden seien. Die Einschränkung des § 9 Abs. 2 UStG gelte für die Klägerin nicht, weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses diese Regelung noch gar nicht gegolten habe. § 9 Abs. 2 UStG gelte im Übrigen nicht für Gebäude, die vor dem 1.1.1998 errichtet und mit deren Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden seien. Dies ergebe sich aus 148a der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum UStG.

Mit Schriftsatz vom 31.8.2006 hat sie außerdem gegenüber der Forderung der Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat November 2005 in Höhe von 7.445,59 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.11.2005 zu zahlen,

1a. die Beklagte zu verurteilen, an sie 287,80 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 19.10.2006 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat Dezember 2005 in Höhe von 7.445,59 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.12.2005 zu zahlen,

2a. die Beklagte zu verurteilen, an sie 287,80 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 19.10.2006 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat Januar 2006 in Höhe von 6.401,59 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2006 zu zahlen,

3a. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 263,75 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 19.10.2006 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat Februar 2006 in Höhe von 6.401,37 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.2.2006 zu zahlen,

4a die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 263,75 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 19.10.2006 zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat März 2006 in Höhe von 6.401,37 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.3.2006 zu zahlen,

5a. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 263,75 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 31.5.2006 zu zahlen,

6. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Miete für den Monat April 2006 in Höhe von 6.401,37 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.4.2006 zu zahlen,

6a. die Beklagte zu verurteilen, an sie 263,75 € zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 31.5.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wirke unmittelbar auf das Rechtsverhältnis der Parteien.

Die Klägerin hat zunächst in diesem und in dem mit diesem durch Beschluss der Kammer für Handelssachen vom 18.7.2007 verbundenen Verfahren 9 O 117/06 gegen die T GmbH mit Sitz in I, gesetzlich vertreten durch B2 T, I, den Erlass eines Mahnbescheids beantragt.

Die Kammer für Handelssachen hat mit dem vorgenannten Beschluss außerdem die weiteren gegen die Beklagte gerichteten Verfahren 8 O 91/06, 8 O 105/06, 8 O 107/06 (9 O 233/06) und 8 O 107/06 unter Führung dieses Verfahrens verbunden.

Mit Beschluss vom 3.5.2006 hat sich das Landgericht Hagen in dieser Sache für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an das zuständige Landgericht Arnsberg verwiesen, Bl. 52 d.A.

Mit Beschluss vom 7.7.2006 - 8 O 85/06 - hat die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg die außergerichtlichen Kosten der vormaligen Beklagten der Klägerin auferlegt.

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 42.127,26 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Mieten für November und Dezember 2005 einschließlich Umsatzsteuer sowie den Nettomieten für Januar bis April 2006 sowie auf Ersatz der auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Hälfte der für die vorgerichtliche Geltendmachung der Mietzinsforderungen angefallenen Geschäftsgebühren wegen Verzuges.

Die steuerlichen Verhältnisse zwischen dem Fiskus und dem jeweiligen Steuerpflichtigen stünden grundsätzlich selbstständig nebeneinander. Das bedeute, die Umsatzsteuerpflicht des jeweiligen Steuerpflichtigen folge nur den Umständen, die für seine Verhältnisse maßgeblich seien. Danach habe die Klägerin bis zum 31.12.2005 aufgrund des koordinierten Ländererlasses vom 25.1.2006 die volle Umsatzsteuer berechnen dürfen.

Die Klägerin sei nicht verpflichtet, auf diese Möglichkeit zu verzichten. Die Zahlung der Umsatzsteuer sei ausdrücklich vertraglich vereinbart.

Für eine nachträgliche Vertragsanpassung im Wege ergänzender Vertragsauslegung fehle es an einem übereinstimmenden Parteiwillen.

Ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin, auf die Umsatzsteueroption zu verzichten, lasse sich auch nicht nach den Grundsätzen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen, da kein völlig unbilliges Ergebnis drohe.

Die Beklagte könne nicht aufrechnen, weil sie keinen aufrechenbaren Gegenanspruch habe. Aus der vertraglichen Beziehung lasse sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. Die Klägerin sei durch die angebliche Umsatzsteuerüberzahlung nicht bereichert, weil sie diese an das Finanzamt abgeführt habe.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil.

Unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht sie Folgendes geltend:

Aufgrund der rückwirkenden Entscheidung des EuGH habe schon bei Vertragsschluss eine Umsatzsteuerverpflichtung der Beklagten nicht bestanden. Damit sei die Umsatzsteuer letztlich ohne Rechtsgrund geleistet worden. Die Parteien seien damit irrtümlich von einer Umsatzsteuerpflicht ausgegangen. Da diese nicht bestehe, sei der Mietpreis entsprechend herabzusetzen.

Entsprechendes ergebe sich aus § 29 UStG.

Die Klägerin sei gem. § 242 BGB verpflichtet, einen ihr zustehenden Bereicherungsanspruch gegen die Finanzbehörde geltend zu machen. Für die Einrede der Verjährung gebe es keinen Anhaltspunkt, das Finanzamt würde sofort auszahlen, als seitens der Klägerin nicht gezogene Vorsteuerbeträge diese Leistungen insgesamt übersteigen.

Die Nebenkostenforderungen seien nicht berechtigt, weil die Klägerin trotz Kenntnis der Aufrechnung weitere Mieten eingeklagt habe.

Die Berechnung ihrer zur Aufrechnung gestellten Forderung führt sie näher im Schriftsatz vom 30.5.2007 aus. Auf diesen wird zur näheren Darlegung der Berechnung der geltend gemachten Rückerstattungsforderung Bezug genommen.

In einem ihr nach Hinweisen des Senats in der Sitzung vom 20.6.2007 nachgelassenen Schriftsatz vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die sog. Linneweber-Entscheidung dazu bestimmt sei, Leitlinien für eine Vertragsanpassung an die Hand zu geben.

Der Ländererlass vom 25.1.2006 hingegen könne keine Drittwirkung in zivilrechtlicher Hinsicht auf die Beklagte als Mietvertragspartner enthalten, da er in die Rechte der Beklagten aus Art. 12, 14, 2 Abs. 1 GG eingreife.

Der Klägerin sei ein zu begrenzender Verzicht auf die Option zur Umsatzsteuer zuzumuten und anzusinnen, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtshofs ein Verzicht auf die Umsatzsteuer-Option mit einer Rückwirkung von 10 Jahren grundsätzlich jederzeit zulässig sei.

Die Aufrechnungsbeträge seien deswegen auch nur vorbehaltlich der Prüfung des Finanzamts zur Verrechnung angesetzt.

Die Beklagte habe keinerlei Einblick in das Steuerrechtsverhältnis der Klägerin zum Finanzamt. Vor diesem Hintergrund könne sie nicht "ins Blaue hinein" genötigt sein, zivilprozessual eventuelle Hemmungen von Festsetzungsfristen - die durchaus üblich seien - vorzutragen. Sie genüge ihrer Darlegungslast, wenn sie behaupte, die Klägerin könne in voller Höhe beim Finanzamt Rückgriff nehmen, sodass für sie ein "Nullsummenspiel" bestehe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 19.10.2006 verkündeten, am 7.12.2006 zugestellten Urteils des LG Arnsberg, Aktenzeichen 8 O 85/06, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie Folgendes vor:

Sie sei zur Umsatzsteueroption berechtigt gewesen und deshalb auch nicht verpflichtet, an ihr Finanzamt heranzutreten, um die Rückabwicklung oder Freistellung wegen abgeführter oder noch abzuführender Umsatzsteuer herbeizuführen. Das sei ihr im Übrigen wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf bereits von ihr geltend gemachter Vorsteuern nicht zumutbar und aufgrund der bereits eingetretenen Bestandskraft der ihr gegenüber erlassenen Steuerbescheide auch nicht mehr möglich.

II.

Die Berufung ist weitgehend sachlich nicht gerechtfertig.

Die Klage ist insgesamt zulässig und im Wesentlichen begründet.

Die Klägerin hat in zwei der verbundenen Verfahren einen zulässigen Parteiwechsel vorgenommen, nachdem sie zunächst in diesem und in dem Verfahren 8 O 117/06, LG Arnsberg, gegen die T GmbH, gesetzlich vertreten durch B2 T, I, den Erlass eines Mahnbescheids beantragt hat. Die Beklagte ist nunmehr gem. § 50 ZPO Partei dieses Rechtsstreits.

Es hat sich bei dem Mahnverfahren gegen die T GmbH mit Sitz in I nicht nur um eine fehlerhafte Bezeichnung der jetzigen Beklagten gehandelt. Richtet der Kläger die Klage ursprünglich gegen eine Person, gegen die er keinen Prozess führen wollte, so wird diese Person Partei, da es allein auf den objektiv erkennbaren Willen des Klägers ankommt. Eine Rubrumsberichtigung ist in diesem Fall ausgeschlossen (Musielak/Weth, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 50 Rn. 8; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 28. Aufl. 2007, Vorbem. § 50 Rn. 6). Beide Gesellschaften waren eigenständige Rechtspersönlichkeiten, sodass eine erkennbare Falschbezeichnung für alle Beteiligten gerade nicht vorliegt.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der rückständigen Mieten für die Monate November und Dezember 2005 in Höhe von 14.851,18 € (2 x 6.401,37 x 1,16) und nicht, wie beantragt, in Höhe von 14.891,18 € gem. § 535 Abs. 2 BGB.

Die Parteien haben unter dem 1.11.1993 einen Mietvertrag über gewerbliche Räume geschlossen. Gem. § 3 war ein monatlicher Nettomietzins von 12.500,- DM, umgerechnet 6.391,15 €, zuzüglich 20,- DM Straßenreinigungsgebühr (= 10,22 €), gesamt also 6.401,37 € vereinbart. Außerdem war die Klägerin gem. § 3 des Mietverhältnisses berechtigt, auf die Miete und die Straßenreinigungsgebühren die jeweils geltende Umsatzsteuer abzurechnen. Mithin war ein Bruttomietzins von je 7.425,59 € (6.401,37 € x 1,16) und nicht wie eingeklagt 7.445,59 € für November und Dezember 2005 vereinbart.

Die sog. "Linneweber-Entscheidung" des EuGH vom 17.2.2005 (DStR 2005, 371) führt nicht zur (rückwirkenden) Nichtigkeit der vertraglichen Regelung des § 3 des Mietvertrages gem. § 134 BGB.

Die Linneweber-Entscheidung befasst sich mit der Auslegung der sechsten MwST-Richtlinie 77/388/EWG, Art. 13 Teil B Buchst. f, zu der Frage der Steuerbefreiung von Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen. Danach steht diese nationalen Regelungen entgegen, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt (EuGH, Urteil v. 17.2.2005, Tnr. 30 = DStR 2005, 371, 373). Aufgrund dessen war § 4 Nr. 9b UStG in der Fassung vom 1.1.1994, der bis zum 5.5.2006 galt und der eine Umsatzsteuerbefreiung nur für öffentliche Spielbanken vorsah, auf private Spielbetreiber nicht mehr anzuwenden mit der Folge, dass sie ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit waren. Folge der Umsatzsteuerbefreiung ist wiederum gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, dass die Beklagte als Mieterin vom Vorsteuerabzug für die an die Klägerin als Vermieterin geleistete Miete ausgeschlossen ist.

In Tnr. 41 der Entscheidung (DStR 2005, 371, 374) wird klargestellt, dass die Umsatzsteuer-Pflicht rückwirkend entfalle. Damit wäre an sich für die Klägerin rückwirkend das Verbot gem. § 9 Abs. 2 UStG verbunden, gem. § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer zu optieren, weil hierfür der Nachweis der Klägerin als Vermieterin erforderlich gewesen wäre, dass die Beklagte als Mieterin und damit Leistungsempfängerin das Grundstück ganz überwiegend für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Zwar besagt die Linneweber-Entscheidung, dass differenzierende gesetzliche Regelungen, die eine Steuerpflicht privater Spielbetreiber, nicht aber öffentlicher Spielbanken vorsahen, keine Anwendung finden durften, und zwar auch mit Wirkung für die Vergangenheit (EuGH, Urteil v. 17.2.2005, Tnr. 41 = DStR 2005, 371, 374). Daraus folgt aber kein allgemeines gesetzliches Verbot, eine Vereinbarung, dass ein Grundbetrag zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen ist, auch dann zu treffen, wenn die Leistung steuerfrei ist. Unmittelbare Auswirkung hat die Entscheidung vielmehr nur im Hinblick auf nicht richtlinienkonforme Vorschriften, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann (EuGH, Urteil v. 17.2.2005, Tnr. 33 = DStR 2005, 371, 374).

Dem entsprechen die im Umsatzsteuergesetz enthaltenen Regelungen. So sieht etwa § 14 Abs. 5 S. 2 UStG (§ 14 Abs. 3 UStG a.F.) im Fall der unzulässigen Einziehung der Umsatzsteuer nicht die Nichtigkeit der vertraglichen Regelung, sondern allenfalls die Abführungspflicht der vereinnahmten Umsatzsteuer vor.

Auch eine Auslegung der vertraglichen Regelung führt nicht zum Verständnis der Regelung in dem Sinne, dass die Miete zuzüglich Umsatzsteuer nur geschuldet war, wenn die Klägerin tatsächlich Umsatzsteuer zahlen musste.

Bereits der Wortlaut der Klausel als Grundlage jeder Auslegung gibt eine derartige Auslegung nicht her, weil der damalig geltende Steuersatz ausdrücklich aufgeführt war.

Für die normative Auslegung ist auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen. Spätere Änderungen der für die Auslegung maßgebenden Umstände sind nicht zu berücksichtigen (BGH, NJW 1998, 3268; Palandt/Heinrichs, 66. Aufl. 2007, § 133 Rn. 6b). Eine Änderung der Rechtslage haben die Parteien bei Vertragsschluss aber unstreitig nicht bedacht.

Eine ergänzende Vertragsauslegung führt ebenfalls nicht zu der von der Beklagten gewünschten Anpassung.

Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt zunächst eine planwidrige Regelungslücke der vertraglichen Regelung voraus (BGH, NJW 2002, 2310; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 157 Rn. 3). Eine Regelungslücke liegt dann vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt (BGH, NJW 2002, 2310).

Dies mag zwar insoweit zutreffen, als die Parteien bei Vertragsschluss nicht bedacht haben, dass für die Beklagte die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfallen könnte.

Dies ist aber nur der eine Teil der getroffenen Vereinbarung. Der andere und für die Klägerin wesentliche besteht darin, dass die Klägerin aufgrund des koordinierten Ländererlasses vom 25.1.2006 für den gesamten Zeitraum bis einschließlich Dezember 2005 berechtigt blieb, zur Umsatzsteuer zu optieren und sich damit ihrerseits die Vorteile eines Vorsteuerabzugs zu erhalten.

Gleiches gilt bei Annahme einer später auftretenden planwidrigen Regelungslücke. Eine Vertragsanpassung wird nur dann angenommen, wenn davon auszugehen ist, dass beide Parteien den eingetretenen Fall nicht bedacht haben, also ein beiderseitiger Irrtum vorliegt (BGH, NJW 1999, 923; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 157 Rn. 3), sie eine Regelung für nicht erforderlich hielten oder wenn sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern.

Soweit es die Berechtigung der Beklagten zum Vorsteuerabzug betraf, hat sich durch die Linneweber-Entscheidung für die Beklagte etwas geändert, und insoweit gingen die Parteien irrig davon aus, die Beklagte sei aufgrund der Regelung des § 4 Nr. 9b UStG dauerhaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Allerdings war dieser Umstand schon in der Ausgangsregelung des § 3 nicht Vertragsbestandteil geworden und aufgrund der unmittelbar wirkenden gesetzlichen Regelung des § 4 Nr. 9b UStG auch nicht regelungsbedürftig, sondern allenfalls Motivationsgrundlage für die Beklagte, der Klägerin die Miete zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen.

Daneben betrifft die Regelung aber auch die Berechtigung der Klägerin, zur Umsatzsteuer zu optieren. Diese Berechtigung ist aber nicht - auch nicht rückwirkend - entfallen. Denn die Klägerin war aufgrund des koordinierten Ländererlasses vom 25.1.2006 bis zum 31.12.2005 berechtigt gewesen, zur Umsatzsteuer zu optieren. Insoweit lag also im Hinblick auf die Berechtigung der Klägerin, weiter zur Umsatzsteuer zu optieren, allenfalls auf Seiten der Beklagten ein Irrtum vor, da diese in Unkenntnis oder Verkennung des Ländererlasses davon ausging, die Berechtigung der Klägerin sei aufgrund der Linneweber-Entscheidung rückwirkend entfallen.

Der Ländererlass steht auch nicht im Widerspruch zur Linneweber-Entscheidung. Denn der Erlass stellt nur eine Verwaltungsvorschrift/Auslegungsanweisung dar, letztlich also eine Duldung, die an der Rechtswidrigkeit der Optierung aufgrund des rückwirkenden Wegfalls des § 4 Abs. 9b UStG nichts ändert. Da das Steuerverhältnis der Klägerin von dem der Beklagten unabhängig ist, durften die Finanzbehörden einen derartigen Erlass fassen. Denn aus der Linneweber-Entscheidung folgt nur, dass die ungleiche Besteuerung von öffentlichen und privaten Spielbetreibern aufzuheben war. Der Erlass betraf aber die davon unabhängige Frage, ob die rückwirkende Steuerbefreiung zugleich mit einem Nachteil für den leistenden Unternehmer verbunden sein sollte.

Die Klägerin ist auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht gehalten, auf diesen steuerrechtlichen Vorteil zugunsten der Beklagten zu verzichten, und den Vertrag entsprechend anzupassen. Denn insoweit ist zu bedenken, welche Folgen die Vertragsanpassung für die Klägerin hätte: Aufgrund der seitens der Beklagten auch im nachgelassenen Schriftsatz unwidersprochen hingenommenen Bestandskraft der Steuerbescheide der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Klägerin die abgeführte Umsatzsteuer nicht mehr zurückfordern kann. Denn die Rückwirkung der Linneweber-Entscheidung führt nicht zur Aufhebung bestandskräftiger Bescheide (BFH, DStR 2005, 1532). Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 12.5.2005 vor dem Hintergrund der Linneweber-Entscheidung ausdrücklich bestimmt, dass Anträge auf Aufhebung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen mit dem Ziel einer Steuererstattung abzulehnen seien.

Daran ändert auch der nachgelassene Vortrag der Beklagten zur Festsetzungsverjährung der Umsatzsteuerbescheide der Klägerin nichts. Denn ein Steuerbescheid kann ohne weiteres vor Ablauf der Festsetzungsverjährung bestandskräftig werden.

Eine entsprechende von der Beklagten behauptete Bereitschaft des Finanzamts zur Bereitstellung der Umsatzsteuer ist angesichts der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die ausdrücklich vor dem Hintergrund der Linneweber-Entscheidung getroffen wurde, nicht erkennbar und hätte - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - als als Ausnahmetatbestand von der Beklagten näher dargetan werden müssen.

Eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB, scheidet aus, weil allein die Erwartungshaltung der Beklagten, die an die Klägerin gezahlte Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs dauerhaft berücksichtigen zu können, gestört war, während die Optierung der Klägerin geduldet wird, mithin deren Vorteile ohne Widerspruch zur Linneweber-Entscheidung akzeptiert sind. Damit fällt die unerwartete Änderung der steuerlichen Situation für die Beklagte, nämlich der Wegfall der Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf Seiten der Beklagten ausschließlich in ihre Risikosphäre (OLG Nürnberg, NJW 1996, 1479, 1480).

Auch die von der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz angeführte angebliche Grundrechtsverletzung führt zu keiner Vertragsanpassung, da eine etwaige Grundrechtsbetroffenheit in der Auslegung zivilrechtlicher Verträge im Rahmen der Abwägung nach § 242 BGB sowie bei § 313 Abs. 1 BGB ohnehin bereits berücksichtigt wird.

Die Ansprüche auf den Bruttomietzins für November und Dezember 2005 sind nicht durch Aufrechnung der Beklagten gem. § 389 BGB erloschen.

Eine Aufrechnungserklärung liegt vor. Möglicherweise ist dies bereits im Gespräch des Ehemannes der Geschäftsführerin der Beklagten mit der Geschäftsführerin der Klägerin geschehen, wobei keine genaue zeitliche Zuordnung vorliegt. Das Gespräch dürfte aber vor Oktober 2005 stattgefunden haben. Selbst wenn man darin keine Aufrechnungserklärung erkennen mag, hat die Beklagte konkludent durch entsprechende Verrechnung der ausstehenden Mieten mit den ihrer Meinung nach bestehenden Rückzahlungsansprüchen aus der Vergangenheit wegen zuviel gezahlter Umsatzsteuer die Aufrechnung erklärt. Lediglich kundgetan hat sie dies erst mit Schreiben vom 5.5.2006 gegenüber der Klägerin. Dies steht einer Aufrechnung aber nicht entgegen, zumal sich die Klägerin nicht hiergegen, sondern nur gegen die Berechtigung der geltend gemachten Gegenforderung wendet.

Es besteht kein Aufrechnungsverbot. § 5 des Mietvertrages stellt nur eine Verfahrensvorschrift zur Geltendmachung der Aufrechnung dar. Ihr kann nicht die Rechtsfolge entnommen werden, dass eine ohne Beachtung der vorherigen Ankündigung vorgenommene Aufrechnung unzulässig ist.

Ein Aufrechnungsverbot gem. §§ 390, 215 BGB besteht ebenfalls nicht. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 31.8.2006 die Einrede der Verjährung gegen die Rückforderungsansprüche erhoben hat, greift diese nicht, da der Rückforderungsanspruch, wenn überhaupt, frühestens mit Ausspruch der Linneweber-Entscheidung am 17.2.2005 entstanden ist.

Es fehlt indes an einer aufrechenbaren Gegenforderung.

Ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB scheitert nach den vorangegangenen Ausführungen daran, dass die Beklagte nicht ohne Rechtsgrund geleistet hat.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der zuviel geleisteten Umsatzsteuer wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB.

Die Vereinbarung der Parteien über die Zahlung der Umsatzsteuer auf den Mietzins hatte den Zweck, der Klägerin etwaige von ihr dem Fiskus geschuldete Umsatzsteuer zu erstatten. Dieser Zweck wurde aber nicht verfehlt, weil die Klägerin durch die Eröffnung der Optierung bis zum 31.12.2005 durch den koordinierten Ländererlass nach wie vor berechtigt war, auf ihre Umsatzsteuerfreiheit zu verzichten und gem. § 9 UStG zu optieren, sodass dieser Zweck der Vereinbarung nach wie vor erreicht werden konnte. Der Formulierung des Erlasses kann ohne weiteres entnommen werden, dass diese Optierung auch für die Zeit vor der Linneweber-Entscheidung geduldet wird.

Darüber hinaus könnte die Klägerin etwaigen Bereicherungsansprüche den Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten.

Die Klägerin hat die Umsatzsteuer unwidersprochen tatsächlich abgeführt. Sämtliche Bescheide sind unwidersprochen bestandskräftig.

Die Klägerin hat trotz der rückwirkenden Geltung der Linneweber-Entscheidung aufgrund der Bestandskraft ihrer Bescheide keinen Anspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuer gegen die zuständige Finanzbehörde, der einer Entreicherung entgegenstehen könnte (dazu OLG Celle, Urteil v. 3.11.1999, juris Tnr. 126).

Zwar schließt die Unanfechtbarkeit eines rechtswidrigen Steuerbescheides seine Rücknahme nicht aus, § 130 Abs. 1 AO. Aufgrund der bereits genannten Entscheidung des BFH vom 12.5.2005 (DStR 2005, 1532, 1533 - ebenso die Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz v. 11.7.2005, DStR 2005, 1411) muss davon ausgegangen werden, dass ein entsprechender Antrag der Klägerin erfolglos bleibt und sie damit zumindest faktisch entreichert ist.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin weiter keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten (dazu KG Berlin, Urteil v. 11.4.2002, juris Tnr. 35).

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin überhaupt eine solche Aufklärungspflicht traf. Grundsätzlich hat nämlich jede Vertragsseite selbst dafür Sorge zu tragen, dass sie die ihre Steuerpflicht betreffenden Umstände kennt.

Der Anspruch scheitert aber jedenfalls daran, dass nach Lage der Akten ein Verschulden der Klägerin nicht ersichtlich ist. Angesichts der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbaren Regelung war es für die Klägerin ebenso wenig wie für die Beklagte vorhersehbar, dass sich die steuerliche Situation ändern könnte.

Schließlich besteht auch kein Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in der von der Beklagten geltend gemachten Höhe aus § 29 UStG.

§ 29 UStG ist nur anzuwenden bei gesetzlichen Änderungen in der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen. Nicht anwendbar - auch nicht sinngemäß - ist die Vorschrift auf Änderungen in der rechtlichen Beurteilung der Regelungen des UStG durch die Rechtsprechung oder durch die Finanzverwaltung (Sölch/Ringleb-Mößlang, Umsatzsteuer, Stand: April 1998, § 29 Rn. 3). Ein solcher Fall der fehlenden Anwendbarkeit liegt aber auch dann vor, wenn die Rechtsprechung des EuGH zur Nichtanwendbarkeit einer nationalen Gesetzesnorm führt.

Die Klägerin hat aufgrund der vorangegangenen Ausführungen auch einen Anspruch auf Zahlung der Nettomieten für die Monate Januar bis April 2006 in Höhe von 25.605,48 € (4 x 6.401,37 €) gem. § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 des Mietvertrages, der nicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen ist.

Soweit die Klägerin für Januar 2006 im Schriftsatz vom 19.10.2006 im Antrag die Bruttomiete genannt hat, handelte es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, da im Mahnantrag nur die Nettomiete enthalten war und auch die Anspruchsbegründung sich lediglich auf die Nettomiete bezog.

Im Hinblick auf die geltend gemachte Nebenforderung ist der Anspruch der Klägerin indes nur zum Teil begründet.

Die Klägerin macht aus den ursprünglich sechs selbstständigen Verfahren jeweils den ihrer Auffassung nach gem. Anlage 1, Teil 2, Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu KV 3100 nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr aus KV 2400 in Höhe von insgesamt 1.630,60 € als Verzögerungsschaden geltend.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aber lediglich einen Erstattungsanspruch in Höhe von 734,39 € gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Die Beklagte befand sich mangels wirksamer Aufrechnung in Verzug mit der jeweils fälligen Hauptleistungspflicht - Mietzahlung an die Klägerin - ohne dass es gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB einer Mahnung bedurft hätte.

Die Klägerin ist berechtigt, den ihr durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen, dazu gehört auch die außergerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts (Palandt/Heinrichs, 66. Aufl. 2007, § 249 Rn. 39).

Der Höhe nach ist der Anspruch allerdings zu mindern, weil die Klägerin bei der Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten insoweit gegen ihre nach § 254 Abs. 2 BGB obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Erstattungsfähig sind nämlich nur die erforderlichen Kosten. Die Klägerin hat aber statt entsprechender Klageerweiterungen in diesem Verfahren für jede Monatsmiete gesondert ein Verfahren eingeleitet und dadurch die Gebührendegression weder im außergerichtlichen Bereich noch im Prozessverfahren zu Gunsten der Beklagten herangezogen.

Ausgehend von einem Streitwert von 40.496,66 wäre eine Geschäftsgebühr KV 2400 von 1.468,79 € (1,3 x 974 € x 1,16) angefallen, sodass der von der Klägerin geltend gemachte Anteil dementsprechend nur 734,39 € und nicht, wie beantragt, 1.630,60 € beträgt. Die Klageforderung verringert sich damit um weitere 896,20 €.

Zwar wäre die Klägerin nach der BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 7.3.2007, VIII ZR 86/06, NZM 2007, 397) berechtigt gewesen, die volle Geschäftsgebühr geltend zu machen. Denn die in Anlage 1, Teil 2 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr bewirkt nicht eine entsprechende Reduzierung dieser Gebühr, sodass der Klägerin nur noch die Hälfte der Geschäftsgebühr zusteht. Sondern die Anrechnung erfolgt vielmehr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens, sodass sich die letztgenannte Gebühr, nicht dagegen die Geschäftsgebühr, im Umfang der Anrechnung reduziert. Diese Anrechnung wäre erst im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 14.3.2007, VIII ZR 184/06, juris Tnr. 19).

Indes hat die Klägerin ihren Antrag auch nach entsprechendem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht umgestellt, sodass ihr nur der entsprechend reduzierte Anteil an der Geschäftsgebühr zugesprochen werden konnte.

Der Zinsanspruch für die Mietzinsforderung folgt jeweils aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Die Beklagte ist jedenfalls zu den im Tenor genannten Daten mit der jeweiligen Mietzinszahlung in Verzug geraten, ohne dass es gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB einer Mahnung bedurfte.

Bei der Verzinsung der Novembermiete war der Antrag aus dem Schriftsatz vom 19.10.2006 wegen eines offensichtlichen Versehens zu korrigieren, weil in diesem Fall der Mahnbescheid gar nicht der Beklagten zugestellt worden ist und die Klägerin bereits in ihrer Anspruchsbegründung vom 19.4.2006, Bl. 232, den Zinslauf zutreffend vom 7.11.2006 an beantragte. Das Zinslaufdatum für die Verzinsung der Januar-Miete war ebenfalls vom 8.2.2006 auf den 6.1.2006 zu korrigieren, weil offensichtlich der Zinsbeginn für die Februarmiete versehentlich genannt worden war, wie sich ebenfalls aus dem Ausgangsantrag im Schriftsatz vom 31.5.2006, Bl. 95, ergibt.

Der Anspruch für die Verzinsung der Nebenforderung ergibt sich aus § 291 BGB. Der Schriftsatz vom 19.10.2006 ist der Beklagten in der Sitzung vom 19.10.2006 übergeben worden, sodass zu diesem Zeitpunkt Rechtshängigkeit eingetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 ZPO.

Da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat, waren der Beklagten insgesamt die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Soweit das Landgericht Hagen sich in diesem Verfahren durch Beschluss gem. § 281 ZPO für unzuständig erklärt hat, waren der Klägerin unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache die dadurch entstandenen Mehrkosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Die Frage, ob Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die zu einer rückwirkenden Nichtanwendbarkeit mitgliedsstaatlicher Regelungen führt, mittelbar auch Parteien einer zivilvertraglichen Vereinbarung zu einer entsprechenden Vertragsanpassung zwingt, hat grundsätzliche, über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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