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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 30 U 80/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 12 a
UStG § 9
UStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.444,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03. Januar 2002 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von weiteren Vorsteuerrückforderungen des Finanzamtes bezüglich der Mietzahlungen des Klägers für das Ladenlokal M-Straße in W für die Zeiträume vom 01. Juni 1995 bis zum 31. Dezember 1996 und vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Mai 2000 freizustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Beklagte vermietete durch Vertrag vom 27.05.1997 an den Kläger Räumlichkeiten zum Betrieb eines Imbißbetriebes in der M-Straße in W. Das Mietverhältnis sollte am 01.06.1995 beginnen und am 31.05.2000 enden. Hinsichtlich der zu zahlenden Miete heißt es in § 3:

"Die Miete beträgt monatlich DM 1.725,00 (inkl. MWSt)."

Aufgrund einer vereinbarten Wertsicherungsklausel verlangte der Kläger von dem Beklagten durch Schreiben vom 27. Dezember 1997 eine erhöhte Miete, wörtlich heißt es in diesem Schreiben:

"Miete inkl. MWST bis Juli 1997 DM 1.725,00 Miete inkl. MWST ab August 1997 (zuzüglich 4,2 %) DM 1.797,45."

Wegen der am 01.04.1998 erfolgten Erhöhung der Mehrwertsteuer von 15 auf 16 % zahlte der Kläger von diesem Zeitpunkt an 1.813,08 DM.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten nunmehr Zahlung von 4.444,43 EUR (8.692,55 DM) als Schadensersatz bzw. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und begehrt darüber hinaus die Feststellung, daß der Beklagte ihn von eventuellen weiteren Vorsteuerrückforderungen des Finanzamtes freistellen müsse. Dazu hat er vorgetragen, im Rahmen einer Steuerprüfung habe sich herausgestellt, daß der Beklagte Mehrwertsteuer auf die Miete nicht an das Finanzamt abgeführt habe. Er selbst sei daher nachträglich auf Zahlung von Umsatzsteuer für die Jahre 1997 bis 1999 in der hier dargestellten Höhe in Anspruch genommen worden. Er ist der Ansicht, Mehrwertsteuer auf die monatlichen Mieten zu Unrecht und daher ohne rechtlichen Grund an den Beklagten geleistet zu haben. Dieser sei vertraglich verpflichtet gewesen, die gezahlte Miete der Umsatzsteuer zu unterwerfen mit der Folge, daß er, der Kläger, vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, daß der Beklagte bei der gewerblichen Verpachtung die Mehrwertsteueroption ausgeübt habe.

Bezüglich der Jahre 1995, 1996 und 2000 begehrt er die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihn insoweit von der Zahlung von Umsatzsteuer freizustellen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Mehrwertsteuer bestehe ebensowenig wie ein Schadensersatzanspruch. Der Mietvertrag enthalte nämlich nicht die Erklärung, die Miete der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Die vereinbarte Miete habe ungeachtet des Zusatzes "inklusive Mehrwertsteuer" 1.725,00 DM betragen. Mit diesem Zusatz sei lediglich festgestellt worden, daß es sich bei dem Betrag um einen Endpreis handele.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, entgegen der Ansicht des Klägers seien die mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht dahingehend auszulegen, daß sich der Beklagte verpflichtet habe, in die monatliche Miete einbezogene, jedoch nicht betragsmäßig angesetzte Mehrwertsteuer an das Finanzamt abzuführen und dadurch dem Kläger die Möglichkeit zu geben, diese im Wege des Vorsteuerabzuges einzusetzen. Die vertragliche Angabe der zu zahlenden Miete mit dem in Klammern gesetzten Zusatz "inklusive Mehrwertsteuer" sei dahingehend auszulegen, daß die Parteien damit hätten klarstellen wollen, daß es sich bei dem genannten Betrag um den vom Kläger zu zahlenden Betrag handele, auf den nicht noch zusätzlich Mehrwertsteuer berechnet werden solle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und seine erstinstanzlich vertretenen Ansichten wiederholt und vertieft.

Der Beklagte seinerseits verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Er führt aus, es habe in seinem freien Ermessen gelegen, zur Mehrwertsteuer zu optieren. Anhaltspunkte für die Ausübung der entsprechenden Option durch ihn habe der Kläger nicht gehabt.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet, sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Verurteilung des Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus sogenannter positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages, da der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Kläger die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug zu verschaffen.

Für die Auffassung des Klägers spricht schon der Wortlaut des Vertrages. Die Verwendung der Bezeichnung "inklusive" bei der vereinbarten Miethöhe spricht eindeutig dafür, daß es sich bei dem ausgewiesenen Mietzins um einen aus mehreren Komponenten bestehenden Gesamtbetrag handelt, in diesem Gesamtbetrag also ein gewisser Teil, nämlich hier die Mehrwertsteuer, "eingeschlossen" ist. Der hier ausgewiesene Endbetrag von 1.725,00 DM ist daher zu verstehen als die Summe von Nettomiete plus Umsatzsteuer = Bruttomiete. In diesem Sinne ist die Regelung auch von beiden Parteien verstanden worden, wie zumindest die vom 01. April 1998 an erfolgte Mietzahlung des Beklagten zeigt, die an die erhöhte Mehrwertsteuer angepaßt worden ist und die der Beklagte in dieser Höhe als vertraglich geschuldet entgegengenommen hat. Es steht daher einer Auslegung dahingehend, daß als Miete jeweils der Betrag zu zahlen sein soll, der nur rechnerisch der Summe von gedachter Nettomiete und fiktiver Umsatzsteuer entspricht, nicht nur der Wortlaut entgegen. Es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Regelung eine von dem üblichen Verständnis des Wortlauts abweichende Bedeutung haben sollte.

Die Vertragserklärung des Beklagten war daher aus der Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger nur dahingehend zu verstehen, daß die Miete für den Beklagten ein steuerbarer Umsatz sei. Diese Gestaltung war auch rechtlich möglich, da der Vermieter auf die durch § 4 Nr. 12 a Umsatzsteuergesetz eingeräumte Steuerbefreiung verzichten und gemäß § 9 Umsatzsteuergesetz für die Umsatzsteuer optieren kann.

Dadurch, daß der Beklagte von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Optierung für Umsatzsteuer entgegen seiner im Mietvertrag zum Ausdruck gekommenen Absicht keinen Gebrauch gemacht hat, hat er eine Vertragsverletzung begangen, die auf Seiten des Klägers zu dem hier geltend gemachten Schaden geführt hat. Als gewerblicher Mieter hat der Kläger an den Beklagten den Gesamtpreis der vereinbarten Miete in der berechtigten Erwartung gezahlt, wirtschaftlich letztlich nur mit der Nettomiete belastet zu werden, weil er die in der Miete enthaltene Umsatzsteuer abziehen könne. Dies war ihm aber nicht möglich, da der Beklagte seinerseits nicht zur Vorsteuer optiert hat und daher auch nicht Rechnungen in der nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Umsatzsteuergesetz entsprechenden Form aufstellen konnte, die Voraussetzung für die Ausübung des Rechtes auf Vorsteuerabzug durch den Mieter als umsatzsteuerpflichtigen Leistungsempfänger wären.

Den ihm durch die Nachbelastung entstandenen Schaden hat der Kläger aus dem Bericht über die Betriebsprüfung des Finanzamtes B nachgewiesen. In den aufgrund der durchgeführten Prüfung geänderten Steuerbescheiden sind Steuerkürzungen für das Jahr 1997 mit 2.700,00 DM, für 1998 mit 3.011,46 DM und für 1999 mit 2.981,09 DM ausgewiesen, die Summe dieser Beträge entspricht dem hier mit der Zahlungsklage verlangten Betrag. Soweit der Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals die Höhe der Steuerverkürzungen bestreiten will, ist unabhängig von der Frage der Rechtzeitigkeit des Bestreitens dieses pauschale Bestreiten angesichts der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen unsubstantiiert.

Das Feststellungsinteresse des Klägers bezüglich der Zeiträume 01. Juni 1995 bis 31. Dezember 1996 und 01. Januar 2000 bis 31. Mai 2000 ergibt sich schon daraus, daß der Kläger damit rechnen muß, von dem zuständigen Finanzamt auch für diese Zeiträume wegen Vorsteuerkürzung in Anspruch genommen zu werden und Nachzahlungen leisten zu müssen. Wegen der oben dargestellten schuldhaften Vertragspflichtverletzung besteht für diese Zeiträume ein Freistellungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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