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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.12.2009
Aktenzeichen: 30 U 93/09
Rechtsgebiete: BGB, II. BV, GrStG


Vorschriften:

BGB § 241 a. F.
BGB § 241 Abs. 1 n. F.
BGB § 535 Abs. 1 Satz 3
BGB § 556 Abs. 1 Satz 2 a. F.
BGB § 581 Abs. 1 Satz 2
BGB § 581 Abs. 2
II. BV § 27 Abs. 1
II. BV § 27 Abs. 1 Satz 1
GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
GrStG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Mai 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Verpächterin, die Beklagte ist Pächterin eines Erlebnisschwimmbads mit Wellness-Anlage auf dem Grundstück B-Straße in G2. Am 19. Dezember 2002 schlossen die Parteien einen Pachtvertrag; seinerzeit firmierte die Beklagte, wie die Parteien im Senatstermin unstreitig gestellt haben, unter der Firma G GmbH & Co. KG. In dem Pachtvertrag heißt es u. a.:

"§ 13 Betriebskosten

1. Die Pächterin trägt spätestens ab dem Betriebsbeginn (§ 5 Absatz 3) in vollem Umfang sämtliche Betriebs- und Nebenkosten.

§ 22 Schlussbestimmungen

[...]

3. Die Vertragsparteien verpflichten sich, eine unwirksame Bestimmung des Vertrages durch eine andere rechtswirksame zu ersetzen, durch die möglichst derselbe rechtliche und wirtschaftliche Erfolg erreicht wird. Gleiches gilt für etwaige Vertragslücken."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 9 ff. GA).

Dem Pachtvertrag vom 19. Dezember 2002 lag u. a. die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 an (Bl. 9 GA). Die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 ist die Fortschreibung der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 (Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008); letztere wurde ausweislich Seite 1 der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 von der Klägerin in Auftrag gegeben.

In der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 ist bei den Ausgaben eine Position Grundsteuer nicht aufgeführt. Aufgeführt sind u. a. "Müll-Gebühren etc." mit einem Betrag von 30.000,00 DM sowie Versicherungen mit einem Betrag von 100.000,00 DM (s. Seite 4 der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000).

Ferner ist eine Position Grundsteuer nicht aufgeführt in einer Kostenaufstellung der Klägerin, welche der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose beigefügt war (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA). Auch in der zweiten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 ist bei den Ausgaben eine Position Grundsteuer nicht aufgeführt.

Erstmals am 13. Februar 2008 erließ die Klägerin an sich selbst für die Jahre 2005 bis einschließlich 2008 einen Bescheid über Grundbesitzabgaben (Grundsteuer B) für den in Rede stehenden Grundbesitz. Nach diesem Bescheid beläuft sich die Grundsteuer auf jährlich 39.789,11 EUR , d. h. auf 9.947,27 EUR je Quartal. Grund für die verzögerte Erhebung der Grundsteuer war, dass es zu einer Verzögerung bei der Festsetzung des Grundsteuermessbetrages gekommen war, wofür nicht die Klägerin, sondern das Finanzamt zuständig ist (Bl. 3 f. GA).

Mit Schreiben vom 13. Februar 2008 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung der Grundsteuer für die Jahre 2005 bis einschließlich 2008 in Höhe von insgesamt 159.156,44 EUR (= 4 x 39.789,11 EUR) auf.

Im Wege der Teilklage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 6.000,00 EUR für Grundsteuer des Jahres 2008.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages müsse die Beklagte auch die Grundsteuer erstatten. Jedenfalls aber ergebe sich dies aus § 22 Nr. 3 des Pachtvertrages, wonach bei Vertragslücken eine Bestimmung zu treffen sei, durch die möglichst derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht werde.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, nach dem Mietvertrag schulde sie nicht die Erstattung der Grundsteuer; § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages sei nicht hinreichend bestimmt. Die Umlage von Betriebskosten bedürfe einer inhaltlich bestimmten und eindeutigen Vereinbarung. Daran fehle es im Streitfall. Ferner hat die Beklagte unter Beweisantritt behauptet, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Pflicht zur Tragung der Grundsteuer bei der Klägerin bleiben solle.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein durchschnittlicher gewerblicher Pächter müsse § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages dahin verstehen, dass alle in der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) aufgeführten Betriebskosten erfasst seien, wozu auch die Grundsteuer gehöre. Wegen der weiteren Urteilsbegründung und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 95 ff. GA) verwiesen.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe den Pachtvertrag fehlerhaft ausgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das am 25. Mai 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum (I-1 O 364/08) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Begründung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der mit der zulässigen Teilklage geltend gemachten Grundsteuer für das Jahr 2008 zu.

1.

Ein Anspruch aus § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages vom 19. Dezember 2002 besteht nicht.

a)

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bestimmung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages, wonach die Beklagte "in vollem Umfang sämtliche Betriebs- und Nebenkosten trägt", inhaltlich hinreichend bestimmt ist.

Nebenkosten können mit dem Pächter nur dann gesondert abgerechnet werden, wenn dies in dem Vertrag klar und eindeutig geregelt ist. Die vereinbarte Pachtstruktur muss erkennen lassen, dass der Pächter die Nebenkosten ganz oder anteilig neben der Grundpacht für die Überlassung des Pachtobjekts tragen soll (vgl. BGH NJW-RR 2006, 84; BGH ZMR 1970, 47; OLG Düsseldorf NZM 2001, 588; OLG Düsseldorf NZM 2002, 70; OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109; KG KG-Report Berlin 2004, 21). Diese Voraussetzung ist grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die Absprache über die Nebenkostenumlage dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne des § 241 BGB a. F . bzw. § 241 Abs. 1 BGB n. F. entspricht und die nach dem Willen der Parteien abrechungsfähigen Nebenkosten inhaltlich konkretisiert oder jedenfalls eindeutig bestimmbar bezeichnet sind (vgl. nur OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109 m. w. N.). Der Pächter muss sich anhand des Vertrages ein grobes Bild davon können, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen (vgl. BGH NJW-RR 2006, 84; Thüringer OLG NZM 2002, 70; OLG Düsseldorf NZM 2001, 588; OLG Celle ZMR 1999, 238; OLG Hamm ZMR 1997, 285; Beyerle, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 2. Auflage 2008, Kap. 11 Rn. 41 f.; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 536 Rn. 35).

Vorliegend sind jedoch die von der Beklagten zu zahlenden Betriebs- und Nebenkosten nicht näher eingegrenzt worden. In § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages heißt es ohne jede weitere Erläuterung lediglich, dass "sämtliche" Betriebs- und Nebenkosten" von der Pächterin zu tragen sind. Auch die weiteren Worte "in vollem Umfang" lassen nicht erkennen, welche konkreten Betriebs- und Nebenkosten gemeint sind; durch diese Formulierung ist lediglich klar gestellt, dass die Beklagte jeweils 100 %, nicht aber etwa nur einen Anteil der umlagefähigen Kosten zahlen muss.

b)

Auch nach dem Wortlaut von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages verbleiben Zweifel daran, ob die Grundsteuer von der Formulierung "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten" erfasst ist.

Unter "Betriebskosten" fallen Grundsteuern nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht. "Betriebskosten" sind vielmehr solche Kosten, die durch den Betrieb des Pachtobjekts verursacht werden, etwa Heizkosten. Die Grundsteuer ist hingegen eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung, also eine Substanzsteuer (vgl. Art. 106 Abs. 6 GG); sie wird nicht durch den Betrieb des Objekts verursacht.

Auch lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass im Streitfall die Grundsteuer unter "Nebenkosten" im Sinne von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages subsumiert werden kann. Da "Betriebskosten" und "Nebenkosten" regelmäßig als Synonym verwandt werden, ist nicht auszuschließen, dass auch im Streitfall die Parteien den Worten "Nebenkosten" und Betriebskosten" keine unterschiedliche Bedeutung beigemessen haben (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109). Jedenfalls fehlt dazu, wie im Senatstermin erörtert worden ist, konkreter Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin.

Zudem spricht gegen eine Subsumtion der Grundsteuer unter "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten", dass die Parteien in § 13 Nr. 1 des Vertrages nicht auf die Betriebskosten im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV verwiesen haben, wodurch automatisch auch die Grundsteuer erfasst gewesen wäre (vgl. Nr. 1 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV). Dabei verkennt der Senat nicht, dass die - nur - für die Wohnraummiete geltende Definition der Betriebskosten in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV (zum Anwendungsbereich des § 556 BGB vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Auflage 2009, § 556 Rn. 2) unter Umständen auch bei gewerblichen Miet- oder Pachtverhältnissen im Rahmen der Vertragsauslegung herangezogen werden kann (vgl. Beyerle, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, a. a. O., Kap. 11 Rn. 5; Schmidt-Futter/Langenberg, a. a. O., § 556 Rn. 74). Jedoch ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Auslegung einer Vorschrift, welche die Verhältnisse von Wohnungen mit preisgebundener Miete regeln will, nicht ohne weiteres für eine Vertragsklausel maßgebend sein kann, welche Vertragspartner, die durch solche Bestimmungen nicht eingeschränkt sind, frei ausgehandelt haben; dies ist in erster Linie einer Frage der Kalkulation der Miete bzw. Pacht (vgl. BGH WM 1970, 95; Thüringer OLG NZM 2002, 70; OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 1354). So liegt der Fall auch hier. Hier geht es um gewerbliche Pacht; der Beklagten kam es, was für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar war, darauf an, welche Gesamtpacht sie im Ergebnis zahlen musste; aus welchen Positionen sich die Gesamtpacht zusammensetzte, war von nebensächlicher Bedeutung. Zudem hätte die Klägerin es in der Hand gehabt, auf einer eindeutigen Regelung hinsichtlich der Grundsteuern zu bestehen, etwa in der Weise, dass die Beklagte "sämtliche Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV" zu tragen hat; dies ist aber nicht geschehen.

Auch der Umstand, dass die Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages, wie im Senatstermin unstreitig geblieben ist, aus der Feder der Beklagten stammt, führt nicht dazu, dass nach der Unklarheitenregel (§ 305 c Abs. 2 BGB) davon auszugehen ist, dass unter "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten" auch die Grundsteuer fällt. Es gibt schon keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung (vgl. §§ 305 ff. BGB) handelt; auch die Klägerin macht nicht geltend, es handele sich bei der Bestimmung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Zwar betreibt die Beklagte, wie im Senatstermin erörtert worden ist, mehrere Erlebnisbäder der hier in Rede stehenden Art. Jedoch gibt es für jedes Objekt ein jeweils darauf abgestimmtes Vertragswerk; so gibt es z. B. Verträge, in denen hinsichtlich der Betriebskosten auf § 27 Abs. 1 II. BV verwiesen ist; auch gibt es Verträge, in denen - anders als im Streitfall - ausdrücklich geregelt ist, dass die Beklagte die Grundsteuer zu erstatten hat. Nach der unwidersprochenen Darstellung der Beklagten im Senatstermin ist die Formulierung der jeweils maßgeblichen Klausel zu den Betriebskosten davon abhängig gewesen, wie die Gesamtpacht kalkuliert ist.

c)

Auch das eigene Verständnis der Klägerin von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages spricht dagegen, dass von dieser Vertragsklausel die Grundsteuer erfasst ist.

Die Vertreterin der Klägerin hat im Senatstermin angegeben, dass diejenigen Vertreter der Klägerin, die mit dem Abschluss des Pachtvertrages befasst gewesen seien, die Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages seinerzeit dahin verstanden hätten und auch dahin hätten verstanden wissen wollen, dass alle laufenden Kosten, welche die Klägerin hätte tragen müssen, wenn sie selbst - anstelle der Beklagten - weiterhin das Schwimmbad betrieben hätte, auf die Beklagte abgewälzt werden; die Klägerin habe mit der Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages das vollständige Betriebsrisiko auf die Beklagte überwälzen und damit sicher stellen wollen, dass die Beklagte alle Kosten übernehme, die ansonsten die Klägerin hätte tragen müssen. Die Klägerin hätte aber, wenn sie selbst das Schwimmbad weiter betrieben und nicht an die Beklagte verpachtet hätte, keine Grundsteuer zahlen müssen. In diesem Falle wäre sie, wie im Senatstermin erörtert worden ist und worüber zwischen den Parteien auch Einigkeit besteht, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Zahlung der Grundsteuer befreit gewesen. Nach dieser Bestimmung ist von der Grundsteuer befreit nämlich solcher Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt wird. Dies ist hier der Fall; die Klägerin ist eine inländische Person des öffentlichen Rechts; zum öffentlichen Gebrauch dient auch eine Badeanstalt oder ein Schwimmbad (vgl. dazu nur Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 9. Auflage, § 3 Rn. 19).

d)

Eine Verkehrssitte oder einen Handelsbrauch dahin, dass der Pächter auch die Grundsteuer zu erstatten hat, wenn vereinbart ist, dass der Pächter "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten" zu zahlen hat, existiert nicht; Nebenkosten hat der Pächter nach §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 3 BGB nur zu tragen, wenn und soweit dies in dem Mietvertrag ausdrücklich und eindeutig vereinbart ist; einen anerkannten Betriff der Nebenkosten gibt es nicht (vgl. nur OLG Düsseldorf ZMR 1984, 20). Wie auch der Senat aus einer Vielzahl von Verfahren weiß, ist es letztlich eine Frage der Gesamtkalkulation, welche Kosten auf den Pächter abgewälzt werden. Sowohl für den Verpächter als auch für den Pächter ist entscheidend, welche Gesamtpacht zu zahlen ist; aus welchen einzelnen Positionen die Gesamtpacht sich zusammensetzt, ist nur von nebensächlicher Bedeutung.

e)

Jedenfalls aber liegt im Streitfall die Besonderheit vor, dass Grundlage des Pachtvertrages die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 geworden ist und dass diese Wirtschaftlichkeitsprognose, welche auf der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 nebst beigefügter Kostenaufstellung (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA) aufbaut, die offene Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages näher dahin konkretisieren sollte, welche weiteren Kosten auf die Beklagte abgewälzt werden.

Beide Wirtschaftlichkeitsprognosen und die der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose beigefügten Kostenaufstellung der Klägerin (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA) hatten ersichtlich den Zweck, die Beklagte darüber zu unterrichten, welche Kosten im Falle des Vertragsschlusses sie neben der Grundpacht zu zahlen haben würde. So wurde die erste Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 ausweislich der Seite 1 von der Klägerin in Auftrag gegeben. So ist auch die zweite Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001, welche die Fortschreibung der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 darstellt, Grundlage des Pachtvertrages geworden; in dem Vorspann zum Pachtvertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass Anlage zum Vertrag u. a. die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 ist (Seite 1 des Pachtvertrages, Bl. 9 GA). Dass die - zweite - Wirtschaftlichkeitsprognose Grundlage des Pachtvertrages geworden ist, wird im Übrigen auch dadurch belegt, dass der Kämmerer der Klägerin noch mit Schreiben vom 19. Juli 2001 mitgeteilt hat, dass er die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 hinsichtlich der Kosten überarbeitet habe und sich aus den beigefügten Anlagen entnehmen lasse, wie sich die wirtschaftliche Situation für die Beklagte und die Klägerin darstelle (Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41/42 GA). Bei dieser Sachlage hat der Senat keinerlei Zweifel daran, dass die Wirtschaftlichkeitsprognose die Bedeutung hatte, die offen gefasste Klausel des § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages näher dahin zu konkretisieren, welche Betriebskosten auf die Beklagte umgelegt werden können, mithin den Rahmen abstecken sollte, welche weiteren Kosten die Beklagte zu übernehmen hatte.

In beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen - einschließlich der der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose anliegenden Kostenaufstellung - ist eine Position Grundsteuer aber nicht ausgewiesen; in beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen ist nur die ähnliche Position "Müll-Gebühr etc." mit einem Betrag von 30.000,00 DM aufgeführt. Die Position "Müll-Gebühr etc." kann die Grundsteuer aber nicht erfasst haben; denn allein die Grundsteuer beläuft sich schon auf rund 40.000,00 EUR, umgerechnet rund 80.000,00 DM. Wenn aber weder in beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen noch in der Kostenaufstellung der Klägerin, welche der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose beigefügt gewesen ist, eine Position Grundsteuer erwähnt ist, spricht dies deutlich dagegen, dass die Grundsteuer von der Beklagten zu erstatten ist.

Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn man weiterhin berücksichtigt, dass es sich bei der Grundsteuer lediglich um eine "formale" Belastung auf Seiten der Klägerin handelt. Die Klägerin ist zwar als Grundstückseigentümerin nach § 10 GrStG Schuldnerin der Grundsteuer; die Klägerin ist aber zugleich Steuergläubigerin; die Grundsteuer steht der Gemeinde zu (Art. 106 Abs. 6 GG, § 1 Abs. 1 GrStG). Der Umstand, dass die Klägerin sowohl Steuergläubigerin als auch Steuerschuldnerin ist, führt zwar nicht zum Erlöschen der Steuerschuld; der zivilrechtliche Grundsatz, dass niemand sein eigener Schuldner sein kann, gilt im Steuerrecht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2004, III ZR 194/99). Jedoch liegt in einem solchen Falle lediglich eine formale Belastung vor; bei wirtschaftlicher Betrachtung geht es vorliegend nämlich nicht um die Abwälzung echter, von der Verpächterin bereits verauslagter Beträge, sondern letztlich darum, zusätzliche Einnahmen zu erlangen. Bei dieser Sachlage ist § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages unter Berücksichtigung der in der Wirtschaftlichkeitsprognose erkennbar gewordenen berechtigten Interessen beider Parteien dahin auszulegen, dass die Beklagte nicht solche Kosten übernehmen muss, welche die Klägerin im Ergebnis letztlich nicht bezahlen muss, weil es sich insoweit nur um eine formale Belastung handelt.

f)

Unter Berücksichtigung aller erörterten Umstände lässt sich jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages auch die Grundsteuer erfasst ist. Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Klägerin; diese trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen der hinreichend sichere Schluss gezogen werden kann, dass unter § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages auch die Grundsteuer fällt.

2.

Auch scheiden Ansprüche aufgrund ergänzender Vertragsauslegung oder Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) aus.

Für eine Anpassung des Pachtvertrages aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB in Verbindung mit § 22 Nr. 3 des Pachtvertrages) fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Wie bereits erörtert, spricht vielmehr alles dafür, dass der Pachtvertrag dahin auszulegen ist, dass die Klägerin die Grundsteuern nicht auf die Beklagte abwälzen kann. Aber selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin anders beurteilen würde, scheidet eine Vertragsanpassung deshalb aus, weil diese unzulässig ist, wenn - wie dies hier der Fall wäre - eine Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden kann und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, für welche Variante die Parteien sich entschieden hätten (vgl. dazu Palandt/ Ellenberger, a. a. O., § 157 Rn. 9 m. w. N.). Welche Kosten der Pächter zu übernehmen hat, ist, wie bereits erörtert, letztlich eine Frage der Gesamtkalkulation.

Für eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gilt das gerade zuvor Gesagte entsprechend.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Vorliegend weicht der Senat weder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch von anderen obergerichtlichen Entscheidungen ab, etwa von der Entscheidung des Kammergerichts vom 9. Dezember 2006, 12 U 117/06 (KG ZMR 2007, 449) oder der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 10. Januar 1997, 21 U 2464/95 (OLG München ZMR 1997, 233). Im Streitfall liegt - anders als in den gerade zitierten Entscheidungen des Kammergerichts oder des Oberlandesgerichts München - die Besonderheit vor, dass durch die Wirtschaftlichkeitsprognose die offene Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages dahin konkretisiert worden ist, welche Betriebskosten die Beklagte übernehmen muss.

Ende der Entscheidung

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