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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 31 U 117/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, WpHG, HGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BGB § 1629
WpHG § 31
WpHG § 32
HGB § 378
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Mai 2003 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte selbst zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO)

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 87 bis 95 GA) Bezug genommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageziel aus erster Instanz weiter und beantragt dementsprechend, die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Sie vertritt auch in der Berufungsinstanz die Auffassung, daß sie dem Kläger und seinen Eltern im Zuge der Neustrukturierung des Gesamtvermögens der Familie E4 im Februar 2001 sowohl eine anlegergerechte als auch objektgerechte Beratung habe zuteil werden lassen. Der Vater des Klägers - der Zeuge E - habe seinerzeit lediglich einen geringen Teil - nämlich 7 % - des Familienvermögens von 2.144.000,-- Euro in Auslands-Anleihen investieren wollen, diesbezüglich allerdings eine entsprechende Risikobereitschaft gezeigt.

Ihr - der Beklagten - Mitarbeiter T habe in dem Beratungsgespräch mit den Eltern des Klägers am 08.02.2001 durchaus die Möglichkeit eines Totalverlustes der erworbenen Argentinien-Anleihe angesprochen, jedoch als Erfahrungstatsache hinzugefügt, daß es in der Nachkriegszeit niemals vorgekommen sei, daß eine Staatsanleihe bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt worden sei. Zudem sei am 08.02.2001 die politische und wirtschaftliche Lage in Argentinien noch nicht derart instabil gewesen, daß es angezeigt gewesen sei, von ihr strikt abzuraten; wirklich desolat sei die Lage erst um den Zeitraum Ende 2001/Anfang 2002 geworden.

Schließlich habe sich zu Lasten des Klägers derzeit auch noch kein Schaden verwirklicht, da die streitgegenständliche Argentinien-Anleihe erst zum 22.02.2007 endfällig gestellt sei.

Demgegenüber verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil und beantragt dementsprechend, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er vertieft und erweitert seinen Klagevortrag aus erster Instanz. Insbesondere weist er darauf hin, daß das Anlagegespräch vom 08.02.2001 differenziert verlaufen sei. Im ersten Teil sei über die Investitionen seiner Eltern E und E4 gesprochen worden, während es im zweiten Teil der Besprechung um die für die Kinder anzuschaffenden Wertpapiere gegangen sei.

Wie die Beweisaufnahme vor dem Landgericht am 09.05.2003 ergeben habe, habe der Zeuge T die ihm bekannte Information aus der X2-Bank-Offerte für Auslandsanleihen über die derzeit ungünstige politische und wirtschaftliche Lage Argentiniens an seine - des Klägers - Eltern nicht weitergegeben.

Im Senatstermin am 08.10.2003 hat der Kläger den Ausdruck einer Internet-Kursabfrage bei der Börse in T2 vom 07.10.2003 überreicht, aus der hervorgeht, daß die Argentinien-Anleihe zur Zeit nur noch mit 27,50 gehandelt wird.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen in erster und zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Rechtliche Würdigung gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg; sie führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung.

Der Senat vermag in dem Verhalten des am 08.02.2001 für die Beklagte tätigen Zeugen T eine Beratungspflichtverletzung nicht zu erkennen (II.); über- dies läßt sich vor Eintritt der Endfälligkeit der Argentinien-Anleihe zum 22.02.2007 derzeit die Entstehung eines Schadens in der Person des Klägers noch nicht feststellen (III.).

I.

1)

Mit dem Landgericht bejaht der Senat das Vorliegen eines Beratungsvertrages zwischen den Parteien, den er allerdings zwischen der Beklagten und dem am 08.02.2001 noch minderjährigen, jedoch durch seine Eltern E und E4 gem. § 1629 BGB rechtswirksam vertretenen Kläger als unmittelbar zustandegekommen ansieht, ohne daß die Hilfskonstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bezüglich des Klägers herangezogen zu werden brauchte.

2)

Der Beklagten ist darin beizupflichten (Seite 2 des Schriftsatzes vom 15.09.2003 = Bl. 161 GA), dass die vom Kläger nunmehr in seiner Berufungserwiderung vom 09.09.2003 (Seiten 2, 3 = Bl. 155, 156 GA) betriebene Aufspaltung der am 08.02.2001 besprochenen Neuordnung des Familienvermögens in eine Anlage für die Eltern E und E4 einerseits sowie ein Investment für deren Kinder - darunter den Kläger E2 - andererseits lediglich artifizieller Natur ist. Der Senat versteht nämlich die Bekundungen der Zeugen E und E4 in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 09.05.2003 (Bl. 75,77 GA), wonach erst am Ende der Anlagebesprechung auch über Anlageformen für das Geld ihrer Kinder gesprochen worden sei, in erster Linie dahin, daß sie den zeitlichen Ablauf des Gesprächs am 08.02.2001 charakterisieren.

Vor dem Hintergrund der einen Monat zuvor - am 09.01.2001 - konzipierten "Vermögenszusammenstellung" (Bl. 30, 31 GA), in welche sowohl Vermögenswerte der Eltern als auch der 4 Kinder C, N, L und U einbezogen worden sind, kann zur Überzeugung des Senats nur der Schluß gezogen werden, daß es am 08.02.2001 um eine Neustrukturierung des gesamten Anlagevolumens der Familie E4 ging.

Soweit der Kläger in seiner Berufungserwiderung (Seite 3 = Bl. 156 GA) demgegenüber der Meinung ist, "es könne wohl nicht im Ernst behauptet werden, daß die Zeugen E4 eine Risikostreuung dahin hätten vornehmen wollen, daß sie für sich selbst sichere Papiere und für den Kläger riskantere Anlagemöglichkeiten aussuchen wollten", ist ihm die präzise Bekundung des Zeugen T vom 09.05.2003 (Bl. 72, 73 GA) entgegen zu halten, wonach der Zeuge E bezüglich des Geldes der Kinder "insoweit erklärt hat, es sollte auch dabei eine Anlage in Argentinien- und Kolumbien-Anleihen erfolgen".

II.

Das Landgericht hat das Beratungs- Versagen der Beklagten in der Hauptsache darin erblickt, daß es der Zeuge T unterlassen habe, speziell aufgrund der X2-Bank-Offerte auf Risiken hinzuweisen, die sich aus der politischen und wirtschaftlichen Lage Argentiniens ergeben hätten. Demgegenüber vermag der Senat - wie nachstehend ausgeführt wird - der unstreitigen Unterlassung dieses Hinweises die vom Landgericht daraus abgeleitete Sorgfaltsverletzung und somit streitentscheidende Bedeutung nicht beizumessen.

Allerdings geht auch er davon aus, daß der in der X2-Bank-Offerte für Auslandsanleihen erteilte "wichtige Hinweis", der am 08.02.2001 möglicherweise auf dem Monitor des Computers des Zeugen T wahrzunehmen gewesen ist, von letzterem nicht an die Eltern des Klägers weitergeleitet wurde. Demzufolge erübrigte sich die erneute Einvernahme der in erster Instanz am 09.05.2003 gehörten Zeugen T, E4 und E (§ 398 Abs. 1 ZPO), da der Senat deren Aussagen nicht anders verstanden hat als das Landgericht (BGH ZIP 1999/ 275).

Das in der Unterlassung des Hinweises auf die politische und wirtschaftliche Lage Argentiniens sich manifestierende Beratungsdefizit bewertet der Senat einerseits für sich genommen bereits als nicht erheblich, wie unten näher ausgeführt wird. Auf der anderen Seite erachtet er es durch andere - die Aufklärung des Klägers begünstigende bzw. die Beklagte entlastende - Momente im Zusammenhang mit der Wertpapier-Beratung vom 08.02.2001 als vollumfänglich kompensiert.

1)

Bereits der Wortlaut des vom Landgericht für seinen Standpunkt als maßgeblich herangezogenen "Wichtigen Hinweises" aus der X2-Bank-Offerte für Auslandsanleihen läßt die Sichtweise des Landgerichts als "zu kurz gegriffen" erscheinen. Dieser lautet:

"Bitte beachten Sie bei Ihrer Anlageentscheidung die derzeit ungünstige politische und wirtschaftliche Lage Argentiniens und die momentanen Probleme im türkischen Bankensektor".

Allein das - für sich genommen - nicht ohne weiteres aussagekräftige Attribut "ungünstig" erscheint in dem vorliegenden abstrakten Rahmen nicht geeignet, eine derart weitreichende Konsequenz wie die Rückgängigmachung des Effekten-Kaufvertrages vom 09.02.2001 zu begründen. In dieser Allgemeinheit war der Hinweis nämlich von jedem durchschnittlich vorgebildeten Laien seinerzeit in der Tagespresse - also nicht einmal ausschließlich in den einschlägigen Wirtschafts-Publikationen - ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar.

Hinzu kommt die doppelgliedrige Natur des Vermerks, der wegen des Hinweises auf die "momentanen Probleme im türkischen Bankensektor" die bestehende ungünstige politische und wirtschaftliche Lage in Argentinien geradezu relativiert und von ihr ablenkt. Gerade in Anbetracht der übrigen von der Beklagten - wie nachfolgend dargestellt - eingehaltenen Beratungsstandards erweist sich die vom Landgericht der Beklagten als schwerwiegend zur Last gelegte Unterlassung des besagten Hinweises als durchaus nachrangig und nicht gravierend.

2)

Solche spezifischen Beratungsstandards, deren Beachtung die Beklagte zu ihren Gunsten verbuchen kann, erblickt der Senat vorliegend in herausragender Weise in den dem Vater des Klägers bekanntgegebenen "Ratings" der Argentinien-Anleihe. Bei diesen Ratings handelt es sich um Bonitäts-Beurteilungen mittels besonderer Rating-Symbole, die die Einschätzung der betreffenden Rating-Agentur über die wirtschaftliche Fähigkeit und die rechtliche Bindung eines Emittenten, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, wiedergeben (Kümpel "Bank- und Kapitalmarktrecht", 2. Aufl. 2000, Rdn. 14.27 und 16.242).

Der Senat erachtet in diesem Zusammenhang die Angabe des Zeugen T in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 09.05.2003 für glaubhaft, wonach jener dem Vater des Klägers das Rating der Argentinien-Anleihe bekanntgegeben und dessen Bedeutung erläutert hat. Soweit sich das Landgericht in diesem Punkt einer Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen T enthalten hat, war es dem Senat nicht versagt, die Bekundungen dieses Zeugen, die das Landgericht in ihrer Glaubhaftigkeit offengehalten hat, seinerseits für glaubhaft zu erachten (BGH WM 1994/680 - 683 -).

In den Ratings der Agenturen "Standards and Poor's" sowie "Moody's" - wie sie aus der X2-Bank-Offerte für Auslandsanleihen ersichtlich waren (Bl. 41 GA) - war die Argentinien-Anleihe jeweils zu Anfang mit dem Buchstaben "B" versehen, was ihren spekulativen Charakter sowie ihre nur zweitklassige Qualität signifikant hervorhebt. In den Ratings spiegelt sich damit die notleidende politische und wirtschaftliche Situation Argentiniens in mindestens so deutlicher Weise wieder, wie sie das Landgericht dem vermißten allgemeinen Hinweis aus der X2-Bank-Offerte glaubte entnehmen zu können.

Der Senat ist auch davon überzeugt, daß der Vater des Klägers die ihm erläuterten Ratings in ihrer Tragweite zu deuten vermochte. Hier wertet der Senat als Indiz für die herausgehobene Börsenerfahrung des Zeugen E die von der Beklagten mit ihrer Berufungsbegründung vom 04.08.2003 überreichte "Wiederholungsaufklärung" des Vaters des Klägers vom 02.03.2000 (Bl. 145 bis 147 GA). Soweit insofern in der "Check-Liste für Börsentermingeschäfte" (Bl. 146 GA) angekreuzt ist, daß die "Basisinformation über die Vermögensanlage in Optionsscheinen" dem Zeugen E nicht ausgehändigt worden ist, findet dies seine Rechtfertigung in dem handschriftlichen Zusatz zur "Stellungnahme zur Risikoaufklärung vom 02.03.2000" (Bl. 147 GA), wonach "Herr E4 mit Optionsscheinen jahrelange Erfahrung hat".

3)

Die streitgegenständliche Auslandsanleihe im Nominalbetrag von 25.000,-- Euro, welche an dem gesamten Anlagenvolumen der Familien E4 in Höhe von 2.144.000,-- Euro per 09.01.2001 lediglich einen Anteil von 1,17 % ausmacht, entsprach auch vollinhaltlich der Investitionsvorstellung des nach § 1629 BGB durch seine Eltern vertretenen Klägers. So hat sein Vater E in seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 09.05.2003 (Bl. 74 GA) angegeben, das Geld habe "gemischt" angelegt werden sollen, wobei auch höher verzinsliche Anleihen vorgesehen gewesen seien. Der Zeuge T in seiner Eigenschaft als damaliger Anlageberater hat von einer "strukturierten Gesamtanlage in unterschiedlichen Risikostufen" gesprochen (Bl. 72 GA).

Dieses solchermaßen von dem Zeugen T beschriebene Anlagekonzept steht wiederum im Einklang mit dem Schreiben des seitens des Vaters des Klägers bevollmächtigten Assessors T2 vom 09.04.2002 (Bl. 32, 33 GA), wonach "ein Drittel des Anlagekapitals in absolut sicheren, ein weiteres Drittel mit geringem Risiko und ein letztes Drittel der Anlagen mit höherer Rendite bei adäquatem Risiko angelegt werden sollte". Die ihm damit vorgegebene Streubreite hat der Zeuge T mit seiner Realisierung sowohl eingehalten als auch ausgeschöpft.

4)

Im übrigen ist bei dem vorliegenden Investment ein damit verbundenes höheres Risiko durch die auch bereits im Februar 2001 herausragende außergewöhnliche Verzinsung von 10 % kompensiert worden. Während dem Zeugen E diese extraordinäre Verzinsung von 10 % angeblich nicht mehr im Gedächtnis gewesen sein soll (Bl. 75 GA), hat seine Ehefrau E4 bei ihrer Anhörung im Termin vor dem Einzelrichter am 09.05.2003 demgegenüber eingeräumt (Bl. 78 GA), daß ihr der Zusammenhang zwischen der Zinshöhe und der Risikostufe des Wertpapiers sehr wohl klar gewesen sei. Sie hat es im Termin vor dem Landgericht indessen abgelehnt, eine weitere Begründung dafür zu geben.

5)

Schließlich scheidet ein Beratungsverschulden auf seiten der Beklagten auch deshalb aus, weil der Kläger in der Person seiner für ihn handelnden Eltern in seinem Erwartungshorizont insofern überhaupt nicht getäuscht worden ist, als er das für die Argentinien-Anleihe eingesetzte Kapital von 25.000,-- Euro nach seinem eigenen Willen bis zum 22.07.2007 festgelegt und damit bewußt gebunden hat.

Dementsprechend hat der Zeuge E bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 09.05.2003 bekundet (Bl. 75 GA):

"Die Kursschwankungen störten mich nicht weiter, da ja das Ende der Laufzeit abgewartet werden sollte".

Damit steht sowohl nach der eigenen Darstellung des Klägers als auch nach der zeugenschaftlichen Aussage seines Vaters E fest, daß von einer Einschränkung oder Gefährdung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit des Klägers schon deshalb keine Rede sein kann, weil er über das für die streitgegenständliche Anleihe eingesetzte Kapital von 25.000,-- Euro zumindest bis zum 22.07.2007 überhaupt nicht disponieren wollte.

III.

Überdies unterliegt die seitens des Klägers erhobene Schadensersatzklage auch von daher der Abweisung, da sie - zumindest derzeit - nicht begründet ist. Da nämlich die streitgegenständliche Argentinien-Anleihe (Wertpapier-Kennnummer #1) im Nennbetrag von 25.000,-- Euro erst zum 22.02.2007 fällig gestellt ist und bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht disponiert werden sollte, läßt sich ein irgendwie gearteter Schadenseintritt auf seiten des Klägers im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen, sondern ist vielmehr noch völlig ungewiß.

1)

Rechtlich handelt es sich bei der vorliegenden Akquisition nicht um eine Effekten-Kommission, sondern vielmehr um ein sogenanntes Festpreisgeschäft, bei dem der Kunde daran interessiert ist, daß die Bank ihm gegenüber sofort eine feste Lieferpflicht unabhängig von einem etwaigen späteren Deckungsgeschäft im Markt eingeht (Kümpel in "Bankrechts-Handbuch", 2. Aufl. 2001, § 104 Rdn. 188). Gem. Nr. 9 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte war damit zwischen den Prozeßparteien ein Kaufvertrag zustande gekommen; der entsprechenden Informationspflicht gegenüber ihrem Kunden nach Nr. 4.3 Abs. 5 der Wertpapierhandels-Richtlinien zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 Wertpapierhandelsgesetz ist die Beklagte ausweislich des Kaufauftrages für Wertpapiere vom 09.02.2001 (Bl. 8 GA) auch nachgekommen.

2)

Allerdings vermag der Senat die vom Landgericht zur Begründung des zuerkannten Schadensersatzanspruchs angestellte Erwägung (Seite 9 des angefochtenen Urteils = Bl. 104 GA) nicht zu teilen, wonach sich ein Schaden hier unabhängig von dem konkreten Kursverlust und der Frage, ob möglicherweise im Jahre 2007 doch eine Rückzahlung erfolgen werde, schon daraus ergebe, daß der Kläger "als Anleger eine Anlage getätigt habe, die nicht seinen Risikovorstellungen entsprach".

Diese Deduktion ist nämlich mit dem Charakter der hier zur Debatte stehenden Argentinien-Anleihe als eines Rentenpapiers mit - ab Kaufdatum gerechnet - 6-jähriger Laufzeit nicht in Einklang zu bringen. Mit Rücksicht auf diese Eigenschaft rechtfertigt allein der Umstand, daß sich ausweislich der vom Kläger im Senatstermin am 08.10.2003 überreichten Internet-Kursabfrage bei der Börse in T2 der aktuelle Kurs der Argentinien-Anleihe nur mehr bei 27,50 bewegte, noch keineswegs die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zum Ersatz des negativen Interesses des Klägers, die das Landgericht mit der Rechtsfolge der Rückgängigmachung des Kaufvertrages sanktioniert hat.

3)

Zu Lasten des Klägers hat sich nämlich gegenwärtig noch keineswegs ein Schaden realisiert, wenngleich das von der Beklagten dem Kläger verkaufte Wertpapier einen gravierenden Kursrückgang erlitten hatte. Insoweit greift bereits der Hinweis der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 04.08.2003 (Seite 26 = Bl. 141 GA), daß einer derartigen Schadensbemessung allenfalls im Falle des Erwerbs von Aktien nähergetreten werden könne, da bei diesen Papieren der Zeitpunkt des Wiederverkaufs nicht vorgegeben, sondern der Initiative des Erwerbers anheim gegeben sei. Vorliegend ist indessen die Einlösung der streitgegenständlichen Anleihe auf den 22.02.2007 fällig gestellt, so daß entgegen dem Klagebegehren vor diesem Zeitpunkt ein definitiver Schadenseintritt noch nicht konstatiert werden kann.

4)

Nach seinem eigenen Verlautbarungen ist dem Kläger in Gestalt der streitgegenständlichen Argentinien-Anleihe auch kein "Aliud" im Sinne des § 378 HGB geliefert worden, das seinem Erwartungshorizont nicht entsprochen hätte. Insoweit verweist der Senat voll inhaltlich auf seine obigen Ausführungen zu Ziff. II. 5.).

5)

Daß aber für eine Rückzahlung der Anleihe zum Fälligkeitstag des 22.02.2007 keineswegs schon "alle Türen zugeschlagen", sondern vielmehr noch alle Optionen offen sind, hat der Kläger selbst anhand des mit seiner Klageschrift vom 02.12.2002 als Anlage K 9 (= Bl. 18 GA) überreichten Phoenix-Online-Ausdrucks vom 19.11.2002 belegt. Darin ist nämlich davon die Rede, daß Argentinien eine Staatsanleihe im Umfang von 250.000.000,-- Dollar nicht zurückzahlen könne, die Weltbank, die die von der E-Bank als Makler begebene Anleihe garantiert hatte, jedoch die Auszahlung übernehmen werde.

Wörtlich heißt es in dem bezeichneten Online-Ausdrucks weiter: "Sollte die Deutsche Bank die Garantie am Donnerstag offiziell einfordern, werde das Geld zur Auszahlung an die Anleihe-Inhaber an die E-Bank überwiesen, sagte ein Weltbank-Sprecher".

Demnach besteht auch für den hiesigen Kläger noch durchaus die Aussicht einer möglichen Kurserholung und einer Rückzahlung der Anleihe zum Fälligkeitszeitpunkt am 22.02.2007 bzw. einer bloßen Verschiebung dieses Rückzahlungs-Termins.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen, da der zu beurteilende Sachverhalt lediglich eine Einzelfall-Konstellation zum Gegenstand hat.

Ende der Entscheidung

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