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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 31 U 124/06
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 195 a.F.
BGB § 197 a.F.
VerbrKrG § 11
VerbrKrG § 11 Abs. 3 Satz 3
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.02.2006 verkündete Urteil der . Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagende Bank nimmt die Beklagten mit ihrer im August 2003 (Beklagter zu 1) und August 2004 (Beklagte zu 2) erhobenen Klage auf Rückzahlung eines mit Schreiben vom 28.11.1996 gekündigten Ratenkredits in Anspruch. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 35.974,90 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe ihre Forderung in Höhe von 37.279,58 € schlüssig dargelegt. Soweit die Klägerin in Höhe von 1.304,68 € die Zahlung im Kündigungszeitpunkt rückständiger, danach nicht getilgter Raten verlange, sei ihr Anspruch in der vierjährigen Frist des § 197 BGB a.F. verjährt. Die bei Kündigung bestehende Restschuld der Beklagten sei demgegenüber nicht verjährt, weil für sie die regelmäßige Verjährungsfrist von dreißig Jahren (§ 195 BGB a.F.) maßgebend gewesen sei.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Der Anspruch auf Darlehensrückzahlung unterliege auch nach Kündigung und Gesamtfälligstellung der kurzen Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. Es handele sich um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen, da die Anwendbarkeit einer Verjährungsfrist nach den Verhältnissen zur Zeit der Entstehung des Anspruchs zu beurteilen sei. Bei einem Ratenkreditvertrag entstehe der Anspruch auf die einzelnen Raten bereits mit dem Abschluss des Kreditvertrags. Daran ändere sich nichts, wenn durch eine spätere außerordentliche Kündigung des Ratenkredits eine vorzeitige Fälligkeit der Einzelraten herbeigeführt werde. Auch nach Sinn und Zweck sei § 197 BGB a.F. auf vorzeitig fällig gestellte Ratenkredite anzuwenden.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft im Berufungsrechtszug ihr Vorbringen aus erster Instanz.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten aus dem zwischen den Parteien am 5.9.1995 geschlossenen Darlehensvertrag (§ 607 BGB iVm §§ 11, 12 VerbrKrG) die Zahlung des vom Landgericht zuerkannten Betrags von 35.974,90 € nebst Verzugszinsen verlangen.

1. Auf die Ausführungen des Senats im Prozesskostenhilfeverfahren (Bl. 128 ff. d.A.) hat die Klägerin ihren Anspruch aus dem mit Schreiben vom 28.11.1996 gekündigten Ratenkreditvertrag vom 5.9.1995 unter Berücksichtigung der nach der Kündigung erfolgten Zahlungen der Beklagten schlüssig auf 37.279,58 € berechnet (Anlagen K 18, 19 und 23 = Bl. 143, 144, 158 d.A.).

Darin waren nach den Feststellungen des Landgerichts, die die Beklagten nicht beschweren, in Höhe von 1.304,68 € im Kündigungszeitpunkt rückständige, danach nicht getilgte Raten enthalten, die die Klägerin wegen Verjährung ihres Anspruchs gemäß § 197 BGB a.F. nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann.

2. Der Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der Restschuld aus dem von ihr gekündigten Ratenkredit ist nicht verjährt. Die Vorschrift des § 197 BGB a.F., deren Anwendung - wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat - vorliegend zur Verjährung des Rückzahlungsanspruchs führen würde, ist insoweit nicht maßgeblich.

a) Entgegen der von anderen Oberlandesgerichten (OLG Celle OLGReport 1994, 264, 266 f., OLG Schleswig NJW-RR 2003, 627 f.) vertretenen Auffassung unterlag der Anspruch auf Rückzahlung eines gekündigten Ratenkredits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a.F.

Während einzelne vom Kreditnehmer nicht entrichtete Raten zu Ansprüchen des Kreditgebers auf "rückständige Zinsen unter Einschluss der als Zuschlag zu den Zinsen zum Zwecke allmählicher Tilgung des Kapitals zu entrichtenden Beträge" im Sinne von § 197 BGB a.F. führen (vgl. OLG Hamm NJW 1990, 1672; OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 179; OLG Celle OLGReport 1994, 264, 265), lässt sich der - in einer Summe zu erfüllende - Anspruch auf Rückzahlung eines gekündigten Ratenkredits nicht als Anspruch auf Zinsrückstände oder andere regelmäßig wiederkehrende Leistungen qualifizieren. Der Umstand, dass sich die anwendbare Verjährungsregelung nach der Sachlage zur Zeit der Entstehung des Anspruchs beurteilt (OLG Schleswig aaO), ändert hieran nichts. Für die Entstehung eines Anspruchs im Sinne der Verjährungsvorschriften ist regelmäßig die Fälligkeit des Anspruchs maßgeblich (vgl. statt aller: Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl. § 199 Rdn. 3). Soweit nicht einzelne Raten vor Ausspruch der Kündigung rückständig und damit schon fällig sind, entsteht der Anspruch auf Rückzahlung eines gekündigten Ratenkredits daher - was das OLG Schleswig (aaO) und ihm folgend die Beklagten übersehen - erst mit der Kündigung und der hierin liegenden Gesamtfälligstellung des restlichen Darlehenskapitals, nicht aber schon mit Abschluss des Darlehensvertrags und der Festlegung der künftigen Fälligkeitszeitpunkte der einzelnen Raten.

Der Zweck des § 197 BGB a.F. erfordert es nicht, die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut auf einen Anspruch auf Rückzahlung eines gekündigten Ratenkredits anzuwenden. Er spricht vielmehr gegen ihre Heranziehung im Streitfall. Die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. soll verhindern, dass sich regelmäßig wiederkehrende Einzelforderungen mehr und mehr ansammeln und schließlich einen Betrag erreichen, der vom Schuldner nicht mehr in einer Summe aufgebracht werden kann; außerdem trägt die Verjährung von länger als vier Jahren zurückliegenden Rückständen dem Umstand Rechnung, dass es bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen oft sehr schwer ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die bis zu 30 Jahre zurückliegt (BGH NJW 2001, 2711, 2712). Nach der Kündigung eines Ratenkredits kann es zu einer Ansammlung von Einzelforderungen nicht mehr kommen. Der Schuldner ist ab Ausspruch der Kündigung - wie in anderen § 197 BGB a.F. nicht zuzuordnenden Fällen auch - einer in einer Summe zu begleichenden Verbindlichkeit ausgesetzt, auf deren Aufbringung er sich einstellen kann, ohne im Nachhinein von einer schleichenden Aufsummierung von Einzelforderungen überrascht zu werden. Auch die Beweisschwierigkeiten sind im Falle eines gekündigten Ratenzahlungskredits wesentlich geringer als im Falle (einer Vielzahl) rückständiger Raten. Die Kündigung des Ratenzahlungskredits wird regelmäßig dazu führen, dass der Darlehensgeber die Höhe seines Anspruchs darlegt und beziffert, was dem Schuldner Gelegenheit zu einer zeitnahen Prüfung und Anlass zur Aufbewahrung von Zahlungsnachweisen gibt. Soweit der Schuldner nach der Kündigung Tilgungsleistungen an den Darlehensgeber erbringt, treten für beide Vertragspartner keine anderen Beweisschwierigkeiten auf, als bei jedem anderen in einer Summe zu begleichenden Anspruch, der vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB a.F. unterlag.

Darüber hinaus hat § 11 Abs. 3 Satz 3 VerbrKrG mit Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes am 1.1.1991 die kurze Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. für Verzugszinsen aufgehoben. Die kurze Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. galt damit bei Ratenkrediten schon nicht für alle während des Vertragsverhältnisses entstehenden Ansprüche. Dies spricht - wie der Senat bereits im Prozesskostenhilfeverfahren hervorgehoben hat (Bl. 129 R d.A.) - maßgeblich gegen eine verjährungsrechtliche Gleichbehandlung von rückständigen Raten und Restschuld.

b) An die Stelle der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 195 BGB a.F. trat mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vom 1.1.2002 an zu berechnende Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), die durch die Erhebung der Klage im August 2003 (Beklagter zu 1) und im August 2004 (Beklagte zu 2) rechtzeitig gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

3. Die vom Landgericht zuerkannten Verzugszinsen sind nach § 11 VerbrKrG gerechtfertigt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Obwohl die streitentscheidende Vorschrift des § 197 BGB a.F. auslaufendes Recht darstellt, war die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das vorliegende Senatsurteil weicht in entscheidungserheblicher Weise von den oben angeführten Urteilen des OLG Celle und des OLG Schleswig (aaO) ab.

Ende der Entscheidung

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