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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: 31 U 3/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.10.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die hälftige Erstattung erbrachter Rückzahlungen auf gemeinsam aufgenommene Darlehen sowie hälftige Freistellung daraus fällig werdender Verbindlichkeiten.

Die Parteien, deren Ehe durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen (24 F 131/01) vom 6.2.2002 geschieden wurde, nahmen am 24.1.2000 bei der Sparkasse H einen Kredit über 45.000 DM netto auf, der bis zum 30.1.2007 in monatlichen Raten von 718 DM zu tilgen war. Im April 2000 trennten sich die Eehleute endgültig. Am 28.9.2000 gewährte ihnen die Sparkasse H einen weiteren, in monatlichen Raten von 173 DM bis zum 15.9.2007 zurückzuführenden Kredit über 10.800 DM netto. Der Kläger hat die fällig werdenden Raten seit der Trennung der Parteien allein an die Sparkasse H geleistet. Auf den für die Zeit ab Mai 2000 geltend gemachten Ausgleichsanspruch lässt er sich eine Mietforderung der Beklagten in Höhe von 2.442,35 € für eine von ihm genutzte Wohnung anrechnen.

Die Beklagte hat behauptet, die Parteien hätten bei Abschluss der Darlehensverträge ausdrücklich besprochen, dass der Kläger die Kredite allein tilgt. Eine hälftige Ausgleichspflicht der Beklagte bestehe auch deshalb nicht, weil die monatlich aufzubringenden Darlehensraten von insgesamt 891 DM im Kindesunterhalts- und Ehegattentrennungsunterhaltsrechtsstreit 24 F 13/01 AG Gelsenkirchen bei der Berechnung des geschuldeten Unterhalts zu Gunsten des Klägers berücksichtigt worden seien. Dies gelte insbesondere für den im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm (8 UF 100/01) unter dem 10.12.2001 abgeschlossenen Vergleich. Auch im Zugewinnausgleichsverfahren 15 F 279/02 AG Herne seien die Darlehensverbindlichkeiten bei der Ermittlung des von der Beklagten geschuldeten Zugewinns zu Gunsten des Klägers berücksichtigt worden. Die Beklagte habe sich - was zwischen den Parteien unstreitig ist - durch gerichtlichen Vergleich zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 24.000 € an den Kläger verpflichtet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein hälftiger Ausgleichs- und Freistellungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil die Parteien eine anderweitige Bestimmung getroffen hätten. Der Kläger habe die Kreditbelastungen im Zugewinnausgleichsverfahren von seinem Zugewinn abgezogen. Auf dieser Berechnungsgrundlage hätten sich die Parteien über den Zugewinn verglichen, ohne dass die Beklagte die Berücksichtigung des hälftigen Ausgleichsanspruchs in dem Verfahren verlangt habe. Die Parteien hätten sich damit dahin geeinigt, dass der Kredit weiterhin allein vom Kläger zurückzuführen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Grundsätzlich werde der Gesamtschuldnerausgleich nicht durch den Zugewinnausgleich verdrängt. Im Verfahren 15 F 279/02 AG Herne habe der Kläger die gemeinsam aufgenommenen Kredite nur zur Hälfte in sein Endvermögen eingerechnet, während die Beklagte die von ihr im Verhältnis zwischen den Parteien geschuldete Hälfte der Kreditverbindlichkeiten bei der Berechnung ihres Endvermögens nicht berücksichtigt habe. Hieraus ergebe sich keine stillschweigende Vereinbarung des Inhalts, dass der Kläger die Kredite allein zurückführe. Von einer solchen Abrede sei nur auszugehen, wenn ein Gesamtschuldner die gemeinsamen Verbindlichkeiten im Zugewinnausgleichsverfahren in voller Höhe von seinem Endvermögen absetze.

Der Kläger beantragt,

1.

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.3113,33 € zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, ihn hälftig von den weiteren Verbindlichkeiten ab Januar 2005 gegenüber der Sparkasse H zu Kredit-Nr. #####22 und zu Kredit-Nr. #####67 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr Vorbringen zu einer zwischen den Parteien getroffenen, einer hälftigen Ausgleichspflicht der Beklagten entgegenstehenden Bestimmung. Insbesondere genüge es für eine stillschweigend im Zugewinnausgleichsverfahren getroffene Abrede, dass die Beklagte eine gegenüber dem Kläger bestehende Ausgleichsverpflichtung bei der Ermittlung des Endvermögens nicht passiviert habe.

Wegen des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht, wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, aus § 426 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte weder ein Zahlungs- noch ein Freistellungsanspruch zu.

Hat ein Gesamtschuldner an den Gläubiger mehr geleistet, als es seinem Anteil im Innenverhältnis entspricht, so hat er gegen den anderen Gesamtschuldner einen Ausgleichsanspruch (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt auch für Ehegatten. Die Haftung zu gleichen Anteilen ändert sich jedoch, soweit ein anderes bestimmt ist. Eine solche anderweitige Bestimmung kann sich ergeben aus Gesetz, aus Vereinbarung, aus Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses, aus der Natur der Sache oder auch aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens (BGH NJW 2000, 1944, 1945; NJW 2005, 2307). Diese Voraussetzungen sind von demjenigen Gesamtschuldner darzulegen und zu beweisen, der sich auf eine Abweichung von der hälftigen Ausgleichspflicht beruft.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten ergibt sich aus der Behandlung der Darlehensverbindlichkeiten im Zugewinnausgleichsverfahren keine anderweitige Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Der Kläger hat die von den Parteien gemeinsam aufgenommenen Darlehen nur zur Hälfte von seinem Endvermögen abgesetzt (vgl. Schreiben des Klägers vom 10.9.2002, Bl. 37 d.A.), während die Beklagte die gemeinsamen Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung ihres Endvermögens überhaupt nicht berücksichigt hat (vgl. S. 1 bis 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 28.2.2003 im Verfahren 17 F 279/02 AG Herne, Bl. 39 f. d.A.). Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass die Darlehensverbindlichkeiten vom Kläger allein zu tragen seien. Einer stillschweigenden Abrede dieses Inhalts steht entgegen, dass die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten durch den Kläger nur zum Teil von seinem Endvermögen abgesetzt worden sind. Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn der Kläger die Darlehensverbindlichkeiten im Zugewinnausgleichsverfahren in vollem Umfang zu seinen Gunsten eingesetzt hätte (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 1195), oder wenn neben dem Umstand, dass die Beklagte die Darlehensverbindlichkeiten bei der Ermittlung ihres Endvermögens überhaupt nicht berücksichtigt hat, weitere sich aus dem Zugewinnausgleichsverfahren ergebende Indizien für einen übereinstimmenden Willen der Parteien sprechen würden, dass der Kläger die gemeinsamen Schulden im Innenverhältnis allein tragen solle. Solche Indizien sind jedoch weder dargetan noch ersichtlich.

2. Wie der Senat bereits in dem gerichtlichen Hinweis vom 18.4.2005 ausgeführt hat, haben die Parteien eine abweichende Bestimmung, nach der die Darlehensverbindlichkeiten vom Kläger allein zu tragen sind, aber dadurch getroffen, dass sie im Unterhaltsverfahren 24 F 13/01 AG Gelsenkirchen bzw. 8 UF 100/01 OLG Hamm übereinstimmend die monatlichen Kreditraten mindernd auf die Einkünfte des Klägers und damit seine unterhaltsrelevante Leistungsfähigkeit in Ansatz gebracht haben (vgl. für die Berücksichtigung von Darlehensraten bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt: BGH NJW 2005, 2307; s. ferner OLG Köln NJW-RR 1994, 899; OLG München FamRZ 1996, 291, 292; LG Oldenburg FamRZ 2003, 1191).

Der Kläger kann jedoch nicht sowohl einen Gesamtschuldnerausgleich fordern als auch die monatlichen Zahlungen auf das Darlehen beim Unterhalt geltend machen, da er sonst doppelt begünstigt würde. Er kann daher nur von einer dieser Möglichkeiten Gebrauch machen, um eine Kompensation für die von ihm auf die gemeinsamen Schulden geleisteten Zahlungen zu erlangen.

Hier hat der Kläger sich bereits in dem genannten Unterhaltsverfahen in seiner Klageerwiderung vom 22.2.2001 (vgl. Bl. 36/37 der Beiakte 24 F 13/01 AG Gelsenkirchen) dafür entschieden, die Kreditraten in vollem Umfang - und nicht etwa wegen einer bestehenden Ausgleichspflicht der Beklagten nur zur Hälfte - in einkommens- und unterhaltsmindernder Weise einzusetzen. Aus dem gesamten Verlauf und Inhalt des Unterhaltsverfahrens ergibt sich eindeutig, dass beide Parteien übereinstimmend von diesem Berechnungsansatz ausgegangen sind und daran festgehalten haben. Grundlage des am 10.12.2001 vor dem OLG Hamm geschlossenen Vergleichs waren dementsprechend die im Unterhaltsverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie das angefochtene Urteil des AG Gelsenkirchen vom 16.5.2001, in denen durchgehend die Kreditraten von den monatlichen Einkünften des Klägers in Abzug gebracht worden sind (vgl. Bl. 36/37, 74, 115, 319 der Beiakte 24 F 13/01 AG Gelsenkirchen).

Insoweit ist es nicht von Bedeutung, dass in dem vor dem OLG Hamm am 10.12.2001 geschlossenen Vergleich lediglich Kindesunterhalt für die Zukunft geregelt worden ist und künftiger Ehegattenunterhalt aus anderweitigen Erwägungen, nämlich wegen der Einkünfte der Beklagten aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses, nicht in Betracht kam.

Denn sofern die Berücksichtigung von Darlehensraten beim Einkommen des einen (geschiedenen) Ehegatten zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit in Bezug auf den von ihm an die gemeinsamen Kinder zu erbringenden Barunterhalt führt, muss dies durch eine gesteigerte Leistungspflicht des anderen Ehepartners wieder ausgeglichen werden. Die Regelung der gegenseitigen finanziellen Beziehungen der Eheleute darf sich nicht nachteilig zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder auswirken, die im Verhältnis zu beiden Eltern Anspruch auf ungeschmälerten Unterhalt haben. Zu einer entsprechenden Kompensation ist der andere Ehepartner aber nur in der Lage, wenn seine Leistungsfähigkeit nicht durch eine Ausgleichsverpflichtung nach § 426 Abs. 1 BGB verringert wird. Auch die volle Berücksichtigung der Kreditraten zu Gunsten eines Ehegatten bei der Berechnung des Kindesunterhalts führt daher regelmäßig zu einer anderweitigen Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf an, ob diese Berechnungsweise in dem vor dem OLG Hamm unter dem 10.12.2001 geschlossenen Vergleich tatsächlich zu einer Verringerung der Unterhaltspflicht des Klägers geführt hat. Denn der Kläger kann sich nicht einseitig von der durch den korrespondierenden Inhalt der gewechselten Schriftsätze konkludent getroffenen Vereinbarung der alleinigen Darlehenstilgung lösen und im Nachhinein gleichwohl einen hälftigen Innenausgleich verlangen. Etwas anderes hätte allenfalls bei einem vorliegend nach dem Vorbringen der Parteien nicht in Betracht kommenden Wegfall der Geschäftsgrundlage gelten können. Die Entscheidung und das Risiko, ob der Unterhaltspflichtige die Darlehensraten im Unterhaltsverfahren in vollem Umfang auf sein Einkommen anrechnet oder Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB verlangt, hat er selbst zu treffen und zu tragen. Eine Günstigkeitsberechnung unter Berücksichtigung allein seiner Interessen findet im Nachhinein insoweit nicht statt.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

Die Frage, ob die Berücksichtigung der alleinigen Schuldentilgung durch einen Ehegatten bei der Berechnung des Kinderunterhaltes - genauso wie beim Ehegattenunterhalt (vgl. BGH NJW 2005, 2307) - regelmäßig zu einer anderweitigen Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB führt, ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich bisher nicht entschieden worden.

Wegen der vom Kläger auf den gerichtlichen Hinweis vom 18.4.2005 mit Recht geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat im Übrigen von dem zunächst eingeschlagenen Verfahren nach § 522 ZPO Abstand genommen.

Ende der Entscheidung

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