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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.09.1998
Aktenzeichen: 33 U 19/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

33 U 19/98 OLG Hamm 2 O 559/97 LG Dortmund

Verkündet am 25. September 1998

Müller, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

der Frau ...

gegen

...

hat der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 1998 durch den Richter am Oberlandesgericht Warmuth, die Richterin am Oberlandesgericht Krippner und den Richter am Oberlandesgericht Jokisch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. April 1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin mit weniger als 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten wegen Verletzung des zwischen ihnen im Rahmen des Unterhaltsrechtsstreits 5 UF 245/96 OLG Hamm = 54 F 6/96 AG Hagen abgeschlossenen Anwaltsvertrages verneint und den mit der Widerklage geltend gemachten Honoraranspruch zuerkannt. Der Beklagte zu 8., Rechtsanwalt Dr. Stückemann, hat nicht gegen anwaltliche Pflichten verstoßen, indem er der Klägerin am 19. Februar 1997 in dem Termin vor dem Oberlandesgericht zum Abschluß eines Vergleichs geraten und den Rechtsstreit in dieser Weise einvernehmlich beendet hat.

1.

Den in der ersten Instanz erhobenen Vorwurf, der Beklagte zu 8. habe es unterlassen, sie, die Klägerin, über die Höhe des Selbstbehalts von 1.500,00 DM zu belehren, hält sie in der Berufungsinstanz nicht mehr aufrecht bzw. erwähnt ihn nur noch unter dem Gesichtspunkt des Schadenseintritts.

Insoweit beugt sie sich den zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

2.

Daß der erste Anstoß zum Vergleich vom Beklagten zu 8. ausgegangen ist und der Familiensenat seinen Vorschlag nur aufgegriffen hat, stellt keinen Pflichtenverstoß dar. Daß Anwälte die Bereitschaft zur gütlichen Beilegung eines Konfliktes aus eigener Initiative fördern, liegt - insbesondere in Familiensachen - im wohlverstandenen Interesse des jeweiligen Mandanten.

3.

Daß die Regelung der Ausgleichsansprüche bezüglich der Eigentumswohnung für die Klägerin ungünstig war, behauptet sie nicht substantiiert. Allein daraus, daß unter Ziff. 3 des Vergleichs von einem Verzicht der jetzigen Klägerin die Rede ist, bedeutet nicht, daß sie wirtschaftlich bedeutende Rechtspositionen aufgegeben hat. Nachdem die Klägerin in dem Unterhaltsrechtsstreit bereits darauf hingewiesen hatte, sie habe ihrem Ehemann ihren Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung übertragen, hatte diese Regelung nur klarstellenden Charakter. Dies kommt im übrigen auch in dem Vergleichswert von 5.000,00 DM zum Ausdruck, der mit demjenigen der Berufung identisch ist.

4.

Aber auch der Kernpunkt des klägerischen Vorwurfs, der darin liegt, daß der Rat zum Vergleich bzw. die Aufklärung über die Prozeßprognose falsch war, trifft nicht zu. Der Rat zum Vergleichsabschluß ist dann als Pflichtverletzung einzustufen, wenn der abgeschlossene Vergleich eindeutig ungünstiger als die Prozeßprognose zu bewerten ist. In einem solchen Fall muß der Rechtsanwalt abraten (vgl. Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Auflage, IV., Rz. 98). Zuraten darf er ebenfalls nicht, wenn sich der Vergleich deutlich ungünstiger als die Aussichten bei streitiger Entscheidung darstellt (Borgmann/Haug, a.a.O.). Insoweit hat der Anwalt eine eigene Erfolgsprognose vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn wie hier ein Vergleichsvorschlag eines Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz abschließend über den Fall zu entscheiden hat, vorliegt. Allerdings darf der Anwalt in einem solchen Fall den Vergleichsvorschlag als gewichtiges Indiz dafür werten, daß es mit den Erfolgsaussichten des Rechtsstreits, soweit die Vorstellungen des Mandanten in dem Vergleichsvorschlag nicht berücksichtigt werden, nicht zum Besten steht.

Mit einem solchen Fall, der den Anwalt zwingt, vom Vergleich abzuraten, oder ihm jedenfalls Zurückhaltung beim Zuraten auferlegt, hatte der Beklagte zu 8. es hier indes nicht zu tun. Vielmehr war seine Einschätzung, daß der Prozeß für die Klägerin ohne den Vergleich wahrscheinlich verlorengehen würde, zutreffend.

Zwar ist die hier geäußerte Rechtsansicht der Klägerin, daß ihr in dem damaligen Unterhaltsrechtsstreit keine fiktiven Einkünfte zugerechnet werden konnten, richtig. Insoweit war die Rechtsprechung (z.B. BGH-NJW 1985, S. 318 f., BGH-FamRZ 1982, S. 590 f.) zu beachten, wonach fiktiv nur das zugerechnet werden kann, was bei voller Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners und nach Befriedigung sämtlicher Unterhaltsansprüche (d.h. aller Kinder und des Ehemannes) und gegebenenfalls unter Beachtung der 1.800,00 DM-Grenze für die Kinder übrig blieb, wenn der Vater der Kinder als ein anderweitiger unterhaltspflichtiger Verwandter i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB in Betracht kommt. Dieser Rest läge bei dem Lohn einer Friseurin deutlich unter dem Mindestbedarf. Die Klägerin übersieht jedoch, daß es um diese Frage im Vorprozeß nicht ging. Vielmehr mußten allein ihre tatsächlichen Einkünfte festgestellt werden, die sie sämtlich für den Unterhalt der Kinder aus erster Ehe einsetzen muß, weil ihr eigener Unterhalt durch den zweiten Ehemann sichergestellt ist. Darauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen. Bei der Frage, welches Einkommen die Klägerin tatsächlich hatte, war neben ihrem eigenen Arbeitsverdienst, d.h. neben demjenigen aus Putztätigkeit von 200,00 DM - daß die gesamten Kosten für die Kinderbetreuung von 50,00 DM abzuziehen gewesen wären, kann nicht unterstellt werden, da diese auch Sachkosten für das Abendessen enthielten - und dem möglicherweise durch eine Beweisaufnahme zu ermittelnden Einkommen aus Friseurtätigkeit ihr Taschengeldanspruch gegen ihren Ehemann hinzuzurechnen. Diesen läßt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung völlig außer acht. Ob sie tatsächlich Taschengeld bekommt, ist ohne Bedeutung, da für die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit nur ihr Anspruch entscheidet. Wenn dieser so hoch gewesen wäre, wie das Familiengericht unterstellt hatte, nämlich 450,00 DM, hätte ihr Einkommen für den Mindestunterhalt von 2 x 314,00 DM ausgereicht, ohne daß es noch einer Beweisaufnahme bedurft hätte. Berücksichtigt man, daß die Klägerin in dem damaligen Unterhaltsrechtsstreit für ihre fehlende Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig war, d.h. daß die Unsicherheiten bei der Höhe ihres Taschengeldanspruchs zu ihren Lasten gingen, bestand nach der Aktenlage kaum Anlaß, von der Bewertung des Amtsgerichts abzugehen. Denn der jetzige Ehemann der Klägerin hatte im Januar 1996 ohne Reisevorschuß 8.110,07 DM verdient. Nach Abzug des Krankenkassenbeitrags von 1.162,85 DM und der Fahrtkosten in der geltend gemachten Höhe von 500,00 DM sowie des Unterhalts für Dustin in Höhe von 615,00 DM abzüglich Kindergeldanteil von 150,00 DM verblieben 5.982,22 DM. Ohne Einbeziehung von Weihnachtsgeld und Gratifikation errechnete sich demnach bereits ein Taschengeldanspruch der Klägerin zwischen 300,00 DM und 420,00 DM, je nachdem, ob man ihn mit 5% oder 7% bewertet.

Damit waren die Chancen der Klägerin, in dem damaligen Rechtsstreit die Zurückweisung der Berufung ihrer Kinder zu erreichen, höchst ungünstig. Der Rat des Beklagten zu 8., sich zu vergleichen und auf diese Weise Unterhalt für 11 Monate - und nicht, wie sie mit der Berufungsbegründung vorträgt, für 8 Monate -, d. h. von Februar bis Dezember 1996 insgesamt 7.128,00 DM zu sparen, war demnach nicht falsch.

5.

Ob der Beklagte zu 8. in allen Punkten die richtigen Argumente gefunden hat, um der Klägerin den Vergleich nahezulegen, spielt im Ergebnis keine Rolle. Denn etwaige Fehler in der Begründung können, da das durch den Vergleich erreichte Ziel wirtschaftlich günstig war, keinen Schaden hervorgerufen haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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