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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.08.2005
Aktenzeichen: 34 U 148/02
Rechtsgebiete: BGB, BBodSchuV, BBodSchuG, LMBG


Vorschriften:

BGB § 286
BGB § 288 a.F.
BGB § 906 Abs. 1
BGB § 906 Abs. 2
BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1004
BBodSchuG § 2
BBodSchuV § 4
BBodSchuV § 4 II 1
BBodSchuG § 8
BBodSchuG § 20
LMBG § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03. September 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 215.656,52 € nebst 4 %

Zinsen seit dem 24.11.1993 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen; die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Beklagte zu 38 % und der Kläger zu 62 %; die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten zu 51 % und dem Kläger zu 49 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder Partei wird gestattet die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beschwer beider Parteien übersteigt 20.000,00 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten nach § 906 II 2 BGB den Ausgleich für den Wertverlust seines Hofes infolge einer Kontaminierung durch Thallium (TL), das aus einem von der Hofstelle etwa 1,7 km entfernten Brennofen eines Zementswerks einer Rechtsvorgängerin der Beklagten während der Zeit von 1976 bis 1979 freigesetzt wurde.

Den Hof hat der Kläger von seiner Mutter S, die das Verfahren noch in der ersten Instanz geführt hat, durch Übertragungsvertrag vom 27. 12. 1995 übernommen. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte am 17. 06. 1996. In § 7 des Übertragungsvertrages war eine Regelung zur weiteren Prozessführung durch die Mutter in Prozessstandschaft sowie darüber enthalten, dass die streitige Entschädigung zum Hofvermögen gehöre und dem Kläger zufließen solle. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 27. 05. 2003. Begonnen worden ist das Verfahren noch von dem Vater des Klägers, der damals Eigentümer des Hofes war, im April 1995. Er verstarb am 26. 07. 1995. Seine Alleinerbin war seine Frau, die Mutter des Klägers. Seit dem Tod der Mutter, am 04. 03. 2003, führt der Kläger den Prozess im eigenen Namen weiter.

Nach dem Bekanntwerden der Emissionen im Jahr 1979 hat die Stadt Z1 Anbau- und Verzehrempfehlungen für Gemüse und Obst, sowie die Landwirtschaftskammer für den Ackerbau in einem Umkreis von ca. 2,3 km um das Werk der Beklagten erlassen. Das "Maßnahmegebiet" wurde im Laufe der Zeit aber wieder mehr und mehr zurückgenommen.

Die letzten Empfehlungen stammen von der Landwirtschaftskammer aus Juli 1998 und von der Stadt aus April 2000. Sie betreffen nur noch ein "Maßnahmegebiet" mit einem Radius von 1 km um das Werk, mit der Empfehlung der Stadt, keinen Spinat, Grünkohl oder Brokkoli anzubauen und mit der Empfehlung der Landwirtschaftskammer, südöstlich der T-Straße. keinen Grünraps anzubauen. Während das erste Maßnahmegebiet den Hof des Klägers noch vollständig erfasste, liegen von den insgesamt 83,69 ha des Hofes (ohne Kotten) nur noch 33,072 ha im Maßnahmegebiet südöstlich der T-Straße, 49,4356 ha liegen nördlich außerhalb des Maßnahmegebietes.

Entschädigungen für Ernteausfälle und Ertragsminderungen bei der Viehhaltung bis 1982 waren Gegenstand vorangegangenen Verfahren und sind dem Kläger bzw. seinem Vater als damaligen Hofeigentümer in Höhe von 38.700,- DM, 2.500,- DM sowie 15.120,- DM zugesprochen worden (OLG Hamm 5 U 155/86 und 22 U 255/88). Ein Verfahren, bei dem es um 91.819,95 DM für Fruchtausfälle der Jahre 1983 bis 1989 geht, ist noch bei dem LG Münster anhängig (11 O 48/91).

In dem Verfahren 22 U 150 / 90 ist dem Vater des Klägers darüber hinaus durch Urteil v. 9. 1. 1992 eine Entschädigung für eine Bodenwertminderung der Flurstücke X und X2, Grünflächen und Waldflächen am BC, zugesprochen worden.

Ausgehend hiervon hat der Vater des Klägers dann im vorliegenden Verfahren mit der am 13. 04. 95 erhobenen Klage auch für seine übrigen Hofflächen eine Eingriffsentschädigung in Höhe von insgesamt 1.123.512,10 DM verlangt. Dabei hat er sich auf ein Wertgutachten des Sachverständigen Dr. I v. 15. 8. 1993 gestützt, der eine Minderung von 25 % bei den landwirtschaftlichen Flächen (Acker- u. Grünflächen) einschließlich der Hofstelle und von 20 % beim Wald angenommen hat. Die Minderung des Wertes bei 5 ".Heuerlingshäusern" (Kotten) ist mit 10% angesetzt worden.

Die Beklagte hat sich gegen einen Ausgleichsanspruch gewandt. Eine Wertminderung sei nicht gegeben, weil die Thalliumbelastung minimal sei. Hinzu komme, dass zumindest ein Teil des Thalliumgehaltes im Boden geogener, natürlicher Herkunft sei. Der größte Teil der Hofflächen liege auch inzwischen außerhalb des Maßnahmegebietes.

Das Landgericht hat den Verkehrswert durch den Sachverständigen Dr. I durch Einholung mehrerer Gutachten, auf die Bezug genommen wird, ermitteln lassen. In einem Gutachten vom 12. 8. 1999 kam der Sachverständige bezogen auf April 1998, das Datum des Beweisbeschlusses, zu einem Verkehrswert von zunächst 3.164.300,- DM ohne Heuerlingshäuser. Diesen sah er in einem weitern Gutachten vom 14. 08. 1999 infolge der TL Immissionen noch um 12,5 % als gemindert an, da sich die Problematik zwar einerseits beruhigt habe, andererseits aber wegen des gesteigerten Umweltbewußtseins die Belastung sich trotzdem noch wertmindernd gegenüber einem unbelasteten Grundstück auswirke.

Bereits in diesem Gutachten hat der Sachverständige auf das BBodSchuG v. 17. 3. 1998 hingewiesen, das am 24. 08. 1998 und 1. 3. 1999 in Kraft trat. Auf die dazu erlassene BBodSchuV v. 12. 7. 1999 mit den dazu in Anlage 2 festgelegten Prüfwerten weist er in seinen folgenden Ergänzungsgutachten hin und führt dazu aus, dass diese Prüfwerte auf einer AN-Analyse (Ammoniumnitrat) beruhen, während den bisherigen Messungen eine KW-Analyse (Königswasser) zugrunde liege und beide nicht miteinander vergleichbar und umrechenbar seien.

Entsprechend einer Vorgabe des Landgerichts hat der Sachverständige dann in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 03. 09. 2002 den Minderwert für Januar 1985 auf der Basis der damals maßgeblichen Faktoren, insbesondere der noch stark anhaltenden Thalliumdiskussion, geschätzt und kam dabei auf durchgehend 25 % für den Hof und 10 % für die "Kotten".

Dieser Schätzung ist das Landgericht in seinem Urteil, auf das Bezug genommen wird, gefolgt. Unter Zugrundelegung eines Verkehrswertes von 3.164.300,- DM für die gesamte Hoffläche hat es die Minderung mit 791.075,- DM (25%) und für die "Kotten" bei einem Verkehrswert von 350.000,- DM mit 35.000,- DM (10%), insgesamt 826.075,- DM berechnet.

Die Beklagte wendet sich dagegen mit der Berufung und erhebt im Wesentlichen folgende Angriffe:

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei für die Bemessung des merkantilen Minderwertes nicht der 01. 01. 1985 maßgebend, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Deshalb könnten die nunmehr seit 1999 in der Anlage 2 zur BBodSchuV enthaltenen Prüfwerte bei der Beurteilung nicht außer Acht gelassen werden, da bei einer Unterschreitung der Prüfwerte gemäß § 4 II 1 BBodSchuV der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung ausgeräumt sei. Der maßgebliche Prüfwert sei bei TL für Ackerbau und Nutzgarten auf 0,1 mg/kg festgesetzt worden, bei einem Analyseaufschluss mit AN. Rechne man die bisherigen mit KG gewonnenen Werte um, so lägen die meisten Werte unterhalb dieses Prüfwertes.

Das gelte auch für die Waldflächen. Zwar enthalte die BBoSchuV keinen Prüfwert für Waldflächen, aber einen Maßnahmewert für Weideflächen und zwar von 15 mg/kg bei KW-Aufschluss. Selbst unter Anwendung dieses für eine schutzwürdigere, höherwertige Nutzung festgesetzten Wertes auf Waldflächen würden die Waldflächen des Klägers als unbelastet, da nicht maßnahmebedürftig, gelten.

Somit scheide eine wesentliche Beeinträchtigung aus (§§ 906 I 2 BGB; 3 III BBodSchuG), zumindest aber habe das Auswirkungen auf eine, wenn überhaupt noch bestehende, Minderung des Verkehrswertes.

Allein eine Anbauempfehlung der Landwirtschaftkammer vermöge selbst im Maßnahmegebiet keine dauernde Verkehrswertminderung zu begründen.

Allenfalls komme nur für die innerhalb des Maßnahmegebietes verbliebene Fläche ein Minderwert in Betracht, jedoch nicht für den gesamten Hof.

Auch der Minderwert für die "Kotten" sei zu hoch angesetzt. Er liege bei höchstens 5 %.

Schließlich sei der Sachverständige von unzutreffenden Voraussetzungen bei der Verneinung eines geogenen TL-Gehalts ausgegangen, da bei den Untersuchungen des Kreises, auf die sich der Sachverständige gestützt habe, nur Angaben bis zu der damaligen Bestimmungsgrenze von 0,5 mg/kg gemacht worden seien, nicht aber zu der Nachweisgrenze, die bei 0,1 mg/kg gelegen hätte, wie sich aus einem Schreiben des Hygieneinstituts vom 23. 10. 2002 ergebe, so dass daraus keine Rückschlüsse auf die Herkunft der beim Kläger festgestellten Werte möglich seien.

Letztlich sei der Wertansatz des Sachverständigen für den Waldboden von 1,80 DM pro qm und 1,50 DM pro qm im Naturschutzgebiet nicht nachvollziehbar, da in dem Vorverfahren nur ein Wert von 1,00 DM angenommen worden sei.

Im Übrigen sei die Rechtsnachfolge des Klägers nicht hinreichend nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, dabei verweist er insbesondere auf die Urteile des 22. Senats vom 09. 01. 1992 und auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in NJW 1981, 1663.

Seine Rechtsnachfolge sei mit dem Vortrag zur Hofübergabe hinreichend nachgewiesen worden. Bis zu ihrem Tod habe seine Mutter das Verfahren für ihn in gewillkürter Prozessstandschaft führen können.

Der Kläger macht ferner geltend, dass die in der BBodSchuV festgelegten Prüfwerte nicht absolut seien, sondern bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen geändert werden könnten. Die AN-Analyse sei industriefreundlich und werde kontrovers diskutiert, da damit weniger TL aus dem Boden gelöst werde als bei einer KW-Analyse.

Außerdem sei zu beachten, dass Kreuzblütler, wie Raps, Stoppelrüben und sämtliche Kohlarten, mehr TL aufnähmen als andere Pflanzen und dabei auch noch die Aufnahmebelastung unter den Kreuzblütlern unterschiedlich sei, wie Forschungen ergeben hätten.

Die Ausführungen hierzu hat der Kläger nochmals im Schriftsatz vom 16. 06. 2005 und 11. 08. 2005 mit verschiedenen Anlagen vertieft. Dabei macht er geltend, dass die BBodSchuV keine Rolle spielen könne. Mit der darin vorgesehenen Bestimmung des Thalliumgehaltes nach der AN-Analyse werde nur der mobile Gehalt des Thalliums erfasst, der von den Pflanzen aufgenommen werden könne. Dies besage aber nichts über den Umfang der Kontaminierung des Bodens. Hierfür sei die Gesamtmenge des im Boden enthaltenen Thalliums, nämlich der mobile und der immobile Gehalt, maßgeblich. Um die Gesamtmenge zuverlässig zu bestimmen, müsse der Mikrowellendruckaufschluss angewandt werden. Zwar werde beim KW-Verfahren auch die Gesamtmenge gemessen, die Ergebnisse dieser Methode würden aber von der Bodenart beeinflusst.

Die Höhe der Gesamtmenge des Thalliums sei maßgeblich für schädliche Wirkungen auf die Bodenorganismen oder die Reproduktion von Regenwürmern, wie sich aus einer Studie des I ergebe. Sowohl die Bodenorganismen als auch die Regenwürmerpopulation seien für einen gesunden Boden notwendig, speziell beim Waldboden.

Auch bei einem mobilen Thalliumgehalt unterhalb der Prüfwerte sei bei einem hohen Gesamtgehalt ein negativer Einfluss durch hohe Thalliumanreicherungen in bestimmten Pflanzen wie Raps, der für seinen Hof eine wichtige Feldfrucht darstelle, gegeben.

Somit werde die BBodSchuV den Gefahren durch Thallium im Boden nicht gerecht, wie auch aus einer Anbauempfehlung der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2003 hervorgehe.

Schließlich macht der Kläger noch verfassungsrechtliche Bedenken an der Festsetzung von Prüf- und Maßnahmewerten in der BBodSchuV geltend.

Geogenes TL gebe es in dem streitigen Gebiet nicht.

In jedem Fall habe die von dem Werk der Beklagten ausgegangene TL - Belastung der klägerischen Betriebsflächen zu einem merkantilen Minderwert des gesamten Hofes geführt, der auch noch jetzt und weiterhin gegeben sei. Denn ein potentieller Käufer würde für diesen Hof nach wie vor weniger zahlen als für einen unbelasteten, unabhängig davon, ob die Werte nach der BBodSchuV eingehalten seien, wie eine Anfrage bei verschiedenen Maklern ergeben habe.

Die Beklagte hält dem entgegen, die von dem Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Festsetzung der Werte im Anhang 2 zur BBodSchuV griffen nicht durch. Dabei sei zu beachten, dass ein Prüfwert noch keinen Grenzwert darstelle, sondern weit darunter liege.

Selbst wenn man mit dem Kläger entgegen der BBodschuV auf den Gesamtgehalt des Thalliums und nicht auf den mobilen Anteil abstellen würde, so könne bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Beeinträchtigung nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Bericht des I der natürliche, geogene Thalliumgehalt in Böden aus Deutschland und Mitteleuropa 0,2 bis 0,7 mg/kg nach dem KW-Verfahren betrage. Ausweislich des in 1. Instanz eingeholten Gutachtens vom 14. 08. 1999 wiesen die damals mit dem Salpeter-extraktionsverfahren auf den Gesamtgehalt untersuchten Ackerbodenproben sämtlich noch Werte in diesem Bereich auf, wobei sich bei einem Aufschluss nach dem KW-Verfahren keine höheren Werte, sondern eher niedrigere ergäben.

Entgegen der Darlegung des Klägers stufe auch die Universität Hohenheim in der Zusammenfassung ihrer Anbauempfehlungen den Prüfwert nach der BBodSchuV als ausreichend ein, lediglich für Grünkohl und Weißkohl sei er zu hoch.

Die Untersuchungen des Fraunhoferinstituts, die von einer Nachbarin des Klägers in Auftrag gegeben worden seien, die ebenfalls eine Entschädigung verlange, beruhten auf anderen Grundlagen, in dem nämlich nicht Thallium, sondern Thalliumchlorid dem Boden beigemischt worden und der davon mobile Anteil nur geschätzt worden sei, was aber nicht den tatsächlichen Messungen entspreche.

Auch bezüglich des Waldes sei keine erhebliche schädigende Thallium-beeinträchtigung feststellbar. Dafür spreche schon, dass der Sachverständige kein auffälliges Waldschadensbild habe feststellen können. Der Thalliumgehalt in der oberen Humusschicht, der OH-Schicht, könne nicht von ihr, der Beklagten, herrühren, er müsste erst nach 1979 entstanden sein, da diese Humusschicht sich erst nach 1979 gebildet habe.

Schließlich wendet die Beklagte noch ein, dass eine unzulässige Doppelberechnung vorliege, wenn vorliegend der merkantile Minderwert und in einem anderen Verfahren vor dem Landgericht Schadensersatz für Zwischenfruchtschäden verlangt werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschriften.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von zwei ergänzenden schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. P mit neuen Analysen von Bodenproben der gesamten Hoffläche, und zwar im AN -Verfahren von den Ackerflächen und im KW - Verfahren von den Waldflächen, sowie durch mündliche Anhörung des Sachverständigen vor dem Senat am 07.11.2003 und 23.08.2005.

Die Analysen auf TL im AN-Verfahren ergaben bei einer Probe 0,068 mg/kg und einer weitere 0,058 mg/kg, die übrigen 58 Proben lagen unter dem Nachweiswert von 0,050 mg/kg. Der Wert für die Hof-, Garten- und Kottengrundstücke lag bei einer Probe bei 0,071 mg/kg und bei den anderen 11 Proben unter 0,050 mg/kg.

Die Bestimmung der Waldbodenbelastung im KW-Verfahren ergab in der oberen Bodenschicht (OH-Horizont) Werte von 0,93 bis 8,2 mg/kg (Durchschnitt 4,05) und in der darunter liegenden Bodenschicht (AH-Horizont) Werte von 0,26 bis 1,24 mg/kg (Durchschnitt 0,54).

Im Übrigen wird hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 06. 12. 2004 und 22. 04. 2005 sowie auf die Vermerke des Berichterstatters zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Senat am 07. 11. 2003 und 23. 08. 2005.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Die Beklagte bleibt verpflichtet, einen Ausgleich in Höhe von 215.656,52 € entsprechend § 906 Abs. 2 BGB an den Kläger für den erlittenen Wertverlust seines Hofes zu zahlen, der durch den von dem Werk der Beklagten ausgegangen Thalliumniederschlag auf den Hofflächen des Klägers entstanden ist.

Der von der Beklagten im Hinblick auf das noch beim Landgericht Münster anhängige Verfahren (11 O 48/91) um 91.819,95 DM für Fruchtausfälle der Jahre 1983 bis 1989 erhobene Einwand der doppelten Rechtshängigkeit greift nicht durch. Denn es geht dort nicht um den selben Verfahrensgegenstand wie im vorliegenden Prozess.

Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dann gegeben, wenn die von einem Grundstück auf das benachbarte Grundstück ausgehende Einwirkung zwar rechtswidrig ist und deshalb nicht geduldet zu werden braucht, der betroffene Eigentümer aber aus besonderen Gründen gehindert ist, diese Einwirkungen gemäß § 1004 BGB zu unterbinden, und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen.

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht bejaht. Es ist unstreitig, dass aus dem Betrieb der Beklagten in den Jahren 1976 bis 1979 Thallium emittiert wurde und sich dieses auf Grundstücken in der Umgebung des Werkes niedergeschlagen hat, zu denen auch die Hofflächen des Klägers gehören, dessen Hofstelle etwa 1,7 km und dessen Ländereien zwischen ca. 2,5 und 0.5 km von dem Werk der Beklagten entfernt sind.

Nach den vom Sachverständigen in der ersten Instanz veranlassten Untersuchungen betrug der Thalliumgehalt nach dem KW - Verfahren in den Ackerböden des Klägers zwischen 0,32 mg/kg und 0,64 mg/kg, wie sich aus dem Gutachten vom 14. 08. 1999 ergibt. Selbst wenn ein Teil davon geogener Herkunft sein sollte, wie die Beklagte behauptet, so verbleibt aber ein nicht unerheblicher Teil, der auf die mehrjährigen Emissionen der Beklagten zurückzuführen ist. Denn nimmt man die Untersuchungsergebnisse der Landesanstalt für Immissionsschutz (LIS) vom 4. und 8. 10. 1979 aus der vom Kläger überreichten Schrift "Umweltbelastung durch Thallium" der Landesanstalt für Immissionsschutz hinzu (dort S. 41), so lagen die Thalliumgehalte des Bodens in dem Entfernungsbereich von 2,0 km bis 3,0 km zum Werk überwiegend unter der angegebenen Nachweisgrenze von 0,1 µg/g, was einem Wert von unter 0,1mg/kg entspricht. Das bedeutet, dass der geogene Thalliumgehalt des Bodens in der Gegend nicht höher gelegen haben kann, und zwar unabhängig von dem Streit um die vom Kreis herausgegebenen Werte, so dass zumindest die Differenz zu den Probewerten von 0,32 mg/kg bis 0,64 mg/kg aus dem Werk der Beklagten herrührte. Hinzu kommt, dass der Hof des Beklagten infolge der Thalliumimmissionen von der Stadt und der Landwirtschaftskammer als Maßnahmegebiet mit einschränkenden Anbauempfehlungen ausgewiesen wurde und zwar zunächst vollständig und später noch zumindest teilweise bezüglich der Flurstücke südöstlich der T-Straße. Dies war auch Grundlage der teils freiwillig, teils aufgrund gerichtlicher Entscheidungen von der Beklagten gezahlten Entschädigungen für Einbußen bei der Ernte und der Tierhaltung.

Insgesamt stellte somit die von der Beklagten ausgegangene Thalliumimmission für den Hof des Klägers eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB dar und zwar unabhängig davon, ob die dadurch hervorgerufene Belastung des Bodens die inzwischen in Anhang 2 zur BBodSchuV festgelegten Werte übersteigt oder nicht. Denn für die Beurteilung der Wesentlichkeit im Sinne von § 906 Abs. 1

BGB kann nicht allein auf festgesetzte zulässige Werte abgestellt werden. Nach § 906 Abs. 2 BGB darf nämlich nur "in der Regel" davon ausgegangen werden, dass bei deren Einhaltung eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Das bedeutet, dass trotzdem noch eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen kann, wobei auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen ist (BGH, NJW 1999, 1029). Würdigt man die oben dargestellten Gesichtspunkte, nämlich unabhängig von der Stärke die Kontamination des Bodens mit einem giftigen Schwermetall, die Immissionsdauer von über drei Jahren, sowie die dadurch veranlassten einschränkenden behördlichen Maßnahmen mit strikten Anbauempfehlungen, so stellt sich diese Immission auch aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht mehr als unwesentliche Einwirkung dar, die einem Eigentümer ohne Abwehrmöglichkeit zuzumuten gewesen wäre.

Daraus allein aber lässt sich noch nicht ohne weiteres eine Rechtfertigung für einen Anspruch auf einen merkantilen Minderwert ableiten. Denn dies setzt, worauf in den Entscheidungen des 22. Zivilsenats hingewiesen wurde, eine dauerhafte Wertminderung voraus.

Dabei kann eine solche Wertminderung einmal auf einer erheblichen dauerhaften schädlichen bodentechnischen Veränderung beruhen. Aus der Sicht des 22. Senats mag nach den damaligen Erkenntnissen zur Schädlichkeit von Thallium, die in der Entscheidung wiedergegeben sind, eine solche Annahme gerechtfertigt gewesen sein.

Diese Beurteilung lässt sich aber für die heutige Situation nicht einfach übernehmen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Denn die Frage, ob noch mit einer dauerhaften bodentechnischen Beeinträchtigung zu rechnen ist und die Frage nach der Schwere dieser Beeinträchtigung sind entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht aus der Sichtweise eines fiktiven Eingriffzeitpunktes im Jahres 1984 zu beurteilen, sondern auf der Grundlage des Erkenntnisstandes der letzten mündlichen Verhandlung. Hierzu gehört das zwischenzeitlich ergangene BBodSchuG vom 17. 03. 1998 mit der dazu erlassenen BBodSchuV vom 12. 07. 1999, das u. a. dazu dient, die natürliche Funktion des Bodens als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tier, Pflanzen und Bodenorganismen gegen schädliche Bodenveränderungen zu schützen (§§ 1, 2 BBodSchuG). In diesem Rahmen ist der in der

Anlage 2 zur BBodSchuV vom 12. Juli 1999 festgesetzte TL-Prüfwert von 0,1 mg/kg bei Ammoniumnitrat-Aufschluss (AN-Verfahren) für Ackerland einschließlich Gemüse und Feldfutter (Anl. 2 /2.1.a) zu berücksichtigen. Denn gemäß § 4 II 1 BBodSchuV ist bei Gehalten eines Schadstoffes unterhalb des jeweiligen Prüfwertes der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung ausgeräumt. Im Hinblick auf das betroffene Schutzgut Pflanze ist insoweit das AN-Verfahren vorgegeben worden, auch wenn damit nicht die Gesamtmenge des im Boden enthaltenen TL erfasst wird, da diese wegen seiner Verbindung mit dem Boden nicht vollständig von den Pflanzen resorbiert werden kann, sondern nur hinsichtlich des mobilen Anteils, den eine AN-Analyse wiedergibt.

An auf diese Weise zustande gekommene Vorgaben in Gesetzen oder Rechtsverordnungen aber ist ein Gericht grundsätzlich wie bei der Festsetzung von Grenzwerten (vgl. dazu BVerfG NJW 2002, 1638) gebunden und darf sein Ermessen nicht über das des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers stellen.

Etwas anderes gilt nur, wenn verlässliche allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, dass die Vorgaben der Bodenschutzverordnung überholt und unzureichend sind. Eine solche Annahme rechtfertigen die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen nicht. Dazu reicht eine im Auftrag des Klägers gefertigte privatgutachterliche Stellungnahme wie die des Dr. C vom 09. 08. 2005 nicht aus. In einem weiter vorgelegten, für eine andere betroffene Eigentümerin gefertigten Bericht des I vom 31. 01. 2005 werden zwar teilweise negative Einflüsse einer gesteigerten Thalliumkonzentration auf mikrobielle Prozesse beschrieben, in der abschließenden "Diskussion" aber wird eingeräumt, dass es unter den Umständen der im Rahmen bei Ökotoxizitätstesten üblichen Anzahl der eingesetzten Konzentrationen und Parallelansätzen selten möglich sei, statistisch abgesicherte Ergebnisse zu gewährleisten. Im Gegenzug weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass z. B. nach den, ebenfalls vom Kläger vorgelegten Anbauempfehlungen der Universität Hohenheim sogar eine Anhebung des Prüfwertes für Pflanzenarten, die nicht zu den Brassicassen (z.B. Grünkohl oder Weißkohl) gehören, vertretbar wäre, während lediglich für Grünkohl oder Weißkohl die Belastung unter 0,02 mg liegen sollte. In dem Prüfbericht des Fraunhoferinstituts vom 02. 06. 2005 zu Proben vom Hof des Klägers heißt es auch nur, dass ein negativer Einfluss auf pflanzenbauliche Aspekte bezüglich einiger Pflanzen, wie z. B.

Raps oder Grünkohl, nicht ausgeschlossen werden könne, obwohl die im AN-Verfahren extrahierten Gehalte an TL unterhalb der Prüfwerte nach der BBodSchuV lägen. Soweit darin weiter angegeben wird, dass derartige Thalliumkonzentrationen die Reproduktion von Regenwürmern schädigen könne, wird zur Begründung hierfür ohne weitere Erläuterung nur auf zwei Literaturquellen verwiesen.

Diese Beispiele zeigen, dass nicht allgemein verlässlich davon ausgegangen werden kann, dass die Vorgabe des Prüfwertes von 0,1 mg TL / kg in der BBodSchuV wissenschaftlich überholt und unzureichend ist, zumal die Verordnung auch erst aus dem Jahr 1999 stammt. Bis dahin aber hatte nach der Aufdeckung des Vorfalls bei der Beklagten im Jahr 1979 eine intensive Beschäftigung und Forschung in Bezug auf Thallium eingesetzt, wie allein die dem Bericht des I vom 31. 01. 2005 und dem Privatgutachten des Dr. C beigefügten Literaturverzeichnisse mit den darin aufgezählten Veröffentlichungen aus der Zeit von 1979 bis 1999 zeigen. Außerdem waren zwischenzeitlich verschiedene Richtwerte für unterschiedliche Nutzungsarten aufgestellt worden, zunächst von Kloke in einer mit der Klageerwiderung eingereichten Abhandlung und dann in einer Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums Baden-Würtenberg vom 24. 08. 1993. Wenn die Bundesregierung vor diesem Hintergrund nach der in § 8 BBodSchuG vorgeschriebenen Anhörung der beteiligten Kreise, die in § 20 BBodSchuG im einzelnen benannt sind, mit Zustimmung des Bundesrates in der Anlage zur BBoSchuV im Juli 1999 einen Prüfwert festsetzt, so muss davon ausgegangen werden, dass dabei die bis dahin vorhandenen Erkenntnisse und unterschiedlichen Meinungen in die Festsetzung eingeflossen sind und damit unter Abwägung aller Interessen ein den nach § 2 BBodSchuG zu schützenden Funktionen gerecht werdender Wert vorgegeben worden ist, auch wenn dies im Hinblick auf den Verordnungsgeber und das ihm bei der Festsetzung zukommende Ermessen als politische Vorgabe angesehen wird.

Die von dem Kläger aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken an der Festsetzung dieses Prüfwertes vermag der Senat nicht zu teilen. Sie erfolgte im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung aus § 8 BBodSchuG mit Zustimmung des Bundesrates und nach Anhörung der beteiligten Kreise, nämlich u.a. von Vertretern der Wissenschaft, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Natur- und Umweltschutzverbände (§ 20 BBodSchuG).

Legt man den sich aus der BBodSchuV ergebenden Maßstab hier an, so besteht danach durch die Thalliumimmissionen für die Acker- und Grünlandflächen des Klägers gemäß § 4 BBodSchuV noch keine schädliche Bodenveränderung, die geeignet wäre, Gefahren oder erhebliche Nachteile herbeizuführen(§ 2 Abs. 3 BBodSchuG) im Hinblick auf die durch das BBodSchuG geschützte natürliche Funktion des Bodens als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen (§ 2 Abs. 2, Nr. 1a BBodSchuG). Denn die auf Veranlassung des Senats durchgeführten Bodenanalysen im AN-Verfahren haben mit je einmal 0,068 mg/kg und 0,058 mg/kg sowie 58 mal unter 0,050 mg/kg sämtlich Werte weit unter dem Prüfwert von 0,1 mg/kg ergeben. Bedenken an der Zuverlässigkeit der Analysen bestehen nicht. Sie ergeben sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass das Ergebnis der überwiegenden Proben "< 0,050 mg/kg" lautet. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass diese Proben exakt den gleichen Wert haben, wie der Kläger meint, sondern das Ergebnis besagt nur, dass ihr Wert unter 0,050 mg/kg liegt, ohne ihn genauer zu bestimmen, wie auch der Sachverständige in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt hat. Einer doppelten Untersuchung der Proben bedurfte es deshalb nicht. Sie ist auch nicht nach § 42 LMBG geboten. Diese Vorschrift, auf die sich der Kläger berufen hat, betrifft ein bestimmtes lebensmittelrechtliches Überwachungsverfahren und ist für die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines Zivilverfahrens nicht einschlägig.

Bei den Waldböden haben die Analysen nach KW-Aufschluss für den OH-Bereich (obere vermoderte Humusschicht) Werte von 0,26 - 8,29 (Durchschnitt 4,05) mg/kg und für den darunter liegenden AH-Bereich (Mineralboden) Werte von 0,26 - 1,24 (Durchschnitt 0,54) mg/kg ergeben.

Auch wenn in der BBodSchuV keine Werte für Waldböden enthalten sind, so ist doch ein Maßnahmewert für Weideland angegeben und zwar von 15 mg/kg nach KW-Aufschluss. Der KW-Aufschluss ist dabei gewählt, weil es beim Weideland neben dem Schutzgut Pflanze auch noch um das direkt mit dem Boden in Kontakt kommende Schutzgut Tier geht und somit nicht allein das mobile für die Pflanzen verfügbare Thallium von Bedeutung ist, sondern der gesamte im Boden vorhandenen Tl-Gehalt. Geht man nun davon aus, dass von der Nutzung her ein abgestuftes Wertigkeitsverhältnis von Ackerland über Weideland zum Wald besteht, wie der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung erläutert hat, so können an einen Waldboden zumindest keine höheren Anforderungen zu stellen sein als an Weideland. Das gilt auch im Hinblick auf den vom Kläger angesprochen Mikroorganismus und die Regenwürmerpopulation, die beim Weideland ebenso wie beim Waldboden von Bedeutung sind, weil beide nicht durch Pflügen laufend aufgelockert und vermischt werden.

Zieht man in die Betrachtung noch mit ein, dass in dem vom Umweltbundesamt herausgegebenen Handbuch "Berechnung von Prüfwerten zur Bewertung von Altlasten" als Prüfwert für Thallium Belastungen im KW-Aufschluss bei Kinderspielflächen 20 mg/kg, für Wohngebiete 40 mg/kg und für Parkflächen sogar 100 mg/kg angegeben sind, so dürfte bei den hier festgestellten Werten nicht von einer bodentechnisch schädlichen Belastung des Waldes auszugehen sein. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob das in der OH - Schicht befindliche Thallium noch aus den Emissionen der Beklagten stammt und von den Bäumen mit den Wurzeln den tieferen Bodenschichten entzogen und mit dem Laub der OH-Schicht wieder zugeführt wird oder von einer neuen Emissionsquelle herrührt, wie die Beklagte meint. Dagegen spricht allerdings, dass dann auch auf anderen Flurstücken, z.B. der Ackerflächen diese neuen Immissionen hätten niedergehen müssen und auch hier zu einer Erhöhung des Tl - Gehalts hätten führen müssen. Der TL-Gehalt ist hier aber konstant geblieben, wie die bereits in erster Instanz veranlassten Proben mit früheren Werten zeigen.

Das bedeutete, dass bei einer entsprechenden Anwendung des Maßstabes der BBodSchuV für Weideland auf Waldflächen keine schädigende Belastung der Hofflächen des Klägers durch die von der Beklagten verursachten Thalliumimmissionen anzunehmen ist. Dafür spricht auch, dass der Sachverständige bei einer längeren Ortsbegehung im Wald, die von dem Kläger behaupteten Schäden an den Blättern nicht verifizieren konnte, wie er in seinem schriftlichen Gutachten vom 06. 12. 2004 festgestellt hat. Soweit der Kläger danach mit Schriftsatz vom 16. 06. 2005 vorgetragen hat, dass aber infolge der TL-Immission der Zuwachs bei den Bäumen geringer sei, was daran zu erkennen sei, dass die Jahresringe enger auflägen, handelt es sich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, der nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachten als reine Ausforschung nachzugehen ist, weil der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, noch keinen Baum gefällt hat. Dies wäre ihm aber ohne allzu großen Aufwand möglich gewesen, wenn er den Eindruck eines verminderten Wachstums der Bäume gehabt hätte, um einen solchen Verdacht zu überprüfen.

Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass die Thalliumimmissionen nicht doch zu einer Minderung des Verkehrswertes des Hofes des Klägers geführt haben.

Die Immissionen waren nämlich, wie bereits eingangs erwähnt, unabhängig von Ihrem genauen Umfang und ihrer Beurteilung nach den aufgrund der jetzigen Erkenntnisse festgesetzten Prüf- und Maßnahmewerten, als erheblich einzustufen, allein weil der Hof des Klägers infolge des Thalliumniederschlags zunächst ganz und später zumindest noch teilweise in das Maßnahmegebiet einbezogen wurde und Anbaubeschränkungen unterlag. Nach den Feststellungen der Vorverfahren mussten dadurch auch Ertragseinbußen vom Kläger hingenommen und von der Beklagten ausgeglichen werden. Auf diesen Umstand wäre bei einem Verkauf des Hofes von dem Kläger redlicherweise hinzuweisen, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer arglistigen Täuschung aussetzen wollte. Denn unabhängig von dem genauen TL - Gehalt des Bodens muss ein Käufer so umfassend aufgeklärt werden, dass er bei seiner Kaufentscheidung eine eigene Risikoabwägung treffen kann

Das aber führt dazu, dass selbst dann, wenn nach den Maßstäben der BBodSchuV ein bodentechnischer Minderwert zu verneinen ist, trotzdem noch ein merkantiler Minderwert verbleibt. Ein solcher kommt nicht nur bei Kraftfahrzeugen, sondern auch bei Häusern (BGH, NJW 86, 428) oder Grundstücken (OLG Koblenz, OLGR-Koblenz 1999,178) in Betracht. Merkantile Minderwerte sind nicht nur im Schadensrecht, sondern auch im Recht der Entschädigungen bei enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff zu berücksichtigen (BGH, VersR 1981, 655). Es erscheint daher interessensgerecht, einen solchen merkantilen Minderwert auch bei einem Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 BGB in angemessener Weise mit einzubeziehen. Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn der Eigentümer beim Verkauf einer Sache wegen des Makels einer früheren Beeinträchtigung der Sache einen geringeren Verkaufspreis erzielen würde, als er es ohne den Makel könnte (Geigel / Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 3. Kapitel, Rdn. 54). Hintergrund ist dabei ein nach Einschätzung von Käufern erhöhtes Risiko, auch wenn dies technisch nicht begründet ist.

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangen werden, dass bei einem Verkauf des Hofes im Hinblick auf die einmal vorhandene Beeinträchtigung durch die Thalliumimmission und die damit verbundenen Anbaubeschränkungen, selbst wenn diese nach dem derzeitigen Erkenntnisstand von ihrer Stärke her nicht mehr als technische Bodenschädigung zu qualifizieren ist, selbst von einem verständigen Durchschnittserwerber wegen des Makels der früheren Beeinträchtigung dauerhaft nur ein geringerer Kaufpreis erzielt werden kann.

Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen vor dem Senat am 07. 11. 2003 und 23. 08. 2005. Allein der "Skepsis", die dieser Hof bei einer Veräußerung begegnet, würde nach Ansicht des Sachverständigen zu einem Preisabschlag von 12,5 % führen. Diese Wertminderung beruht nach der Erklärung des Sachverständigen darauf, dass sich die Problematik um die Thallium-immissionen der Jahre 1976 bis 1979 mit den damaligen Begleitumständen inzwischen zwar beruhigt hat, andererseits aber ein Käufer in seine Kaufüberlegungen mit einbezieht, dass ein gesteigertes Umweltbewußtsein besteht, das zu einer Änderung der festgesetzten Prüf- und Maßnahmewerte führen kann, woraus sich ein zukünftiges Risiko für den Hof durch die TL - Belastung ergeben könnte. Ein verständiger Kaufinteressent würde das alles in seine Kaufentscheidung mit einbeziehen und den Hof deshalb nur mit einem Abschlag erwerben. Dieser Abschlag müsste nach der Einschätzung des Sachverständigen bei 10% bis 15%, gemittelt 12,5 % liegen, um den Hof verkaufen zu können. Dabei ist der Abschlag von der gesamten Hoffläche zu machen und nicht allein von einzelnen Flurstücken. Denn der Hof stellt eine landwirtschaftliche Einheit dar (vgl. § 2 Höfeordnung), die auch einheitlich von einem Käufer bewertet wird, wie der Sachverständige weiter dargelegt hat.

Lediglich die Kotten können insoweit isoliert betrachtet werden. Bei ihnen sind neben dem Grund und Boden auch die Gebäude für die Preisbildung von besonderer Wichtigkeit. Die merkantile Wertminderung der Kotten beträgt nach der Schätzung des Sachverständigen 7,5 %, bei einer angenommenen Spannbreite von 5% bis 10%.

Der Senat folgt diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. Er ist dem Senat als erfahrener Sachverständiger in Landwirtschaftssachen bekannt und besitzt den notwendigen Überblick über das Marktgeschehen, um zu einer solchen Einschätzung kommen zu können. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen bestehen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht. Allein aus dem Umstand, dass Dr. P seit vielen Jahren als gerichtlicher Sachverständiger in den verschiedenen Verfahren um die Thalliumemissionen aus dem Werk der Beklagten tätig ist, lässt sich die Besorgnis einer Befangenheit nicht herleiten. Vielmehr hat er dadurch inzwischen eine besondere Sachkunde und vertiefte wissenschaftliche Kenntnisse erworben, die ihn besonders befähigen, als Sachverständiger in diesem Komplex tätig zu werden.

Ausgehend von der Wertfeststellung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12. 08. 1999 bezogen auf April 1998, die nach seiner Erklärung vor dem Senat auch heute noch Gültigkeit hat, beläuft sich bei einem unbeeinträchtigten Verkehrswert von 3.164.300,- DM für den Hof der merkantile Minderwert von 12,75 % auf 395.537,50 DM (202.235,11 Euro).

Dabei ist nach der Erklärung des Sachverständigen vor dem Senat der in der Wertfeststellung enthaltene Ansatz von 1,80 DM bzw. 1,50 DM pro Quadratmeter für die Waldflächen angemessen und entspricht dem Marktpreis. Nicht in die Wertermittlung einbezogen sind die Flurstücke, für die bereits in dem früheren Verfahren (22 U 150 / 90) ein Minderwertausgleich zugesprochen wurde. Kein Abschlag ist für den Bereich der ehemaligen Mülldeponie vorzunehmen, weil insoweit wegen der Einstandspflicht der Stadt dadurch keine Minderung besteht.

Die Kotten haben zusammen einen unbeeinträchtigten Verkehrswert von 350.000,- DM. Der merkantile Minderwert ist bei ihnen mit 7,5 % anzusetzen und beträgt demnach 26.250,- DM (13.421,41 Euro).

Insgesamt ergibt sich damit ein entsprechend § 906 Abs. 2 BGB auszugleichender merkantiler Minderwert von 215.656,52 Euro.

Der zuerkannte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB a.F., nachdem die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 24. 11. 1993 die mit Schreiben vom 10. 09. 1993 noch vom Vater des Klägers geltend gemacht Forderung auf Ersatz der Wertminderung zurückgewiesen hat.

Rechtsinhaber des Anspruchs auf Wertminderung ist nunmehr der Kläger, auf den der Anspruch nach der Regelung in dem Hofübertragungsvertrag, an deren Bestehen der Senat keine Zweifel hat, von seiner Mutter, S, übergegangen ist. Die Mutter wiederum, die die Forderung nach der Hofübertragung noch bis zu ihrem Tod im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft weiterverfolgt hat, hatte den Anspruch als Alleinerbin ihres Mannes erworben, bei dem der Anspruch entstanden ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, eine Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache ist zur Fortbildung oder Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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