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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.07.2005
Aktenzeichen: 34 U 81/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB X


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 529
BGB § 823 Abs. 1
SGB X §§ 116 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Senatsbeschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das Berufungsbegehren zur Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung in dieser Sache nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient.

Die vom Beklagten vorgetragenen Berufungsgründe sind unter Berücksichtigung derjenigen Tatsachen, die der Senat gemäß § 529 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, nicht geeignet, eine vom Urteil des Landgerichts abweichende und dem Beklagten günstigere Entscheidung zu tragen.

Die angefochtene Entscheidung der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum läßt einen entscheidungserheblichen Rechtsfehler zu Lasten des Beklagten nicht erkennen. Das Landgericht ist mit zutreffender und überzeugender Begründung - auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen, sofern nicht im folgenden besonders berührt, Bezug nimmt - davon ausgegangen, daß sich der Beklagte nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme gemäß § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hat. Die Höhe der von der Klägerin aus - nach §§ 116 ff. SGB X - übergegangenem Recht verfolgten Schadensersatzansprüche ist unstreitig.

Die Frage, ob und in welchem Umfang bei Sportveranstaltungen die Haftung der Teilnehmer untereinander im Hinblick auf die sportartspezifischen und von den Teilnehmern auch jedenfalls konkludent hingenommenen Gefahren eingeschränkt oder ausgeschlossen ist, wird in der Rechtswissenschaft in vielfältiger Weise - insbesondere unter den Gesichtspunkten eines spezifischen (eingeschränkten) Fahrlässigkeitsmaßstabes, eines stillschweigenden Haftungsausschlusses, eines Handelns auf eigene Gefahr, einer Einwilligung oder der Treuwidrigkeit der Inanspruchnahme des Sportkameraden - diskutiert (vgl. etwa MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Auflage, § 254, Rn. 67; Soergel/Mertens, BGB, 12. Auflage, § 254, Rn. 49 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, 13. Bearbeitung, § 254, Rn. 66 f.; Wussow/Baur, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Auflage, Kapitel 17, Rn. 24).

Es entspricht dieserhalb einer gefestigten obergerichtlichen und höchst-richterlichen Rechtsprechung, daß der Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei dem typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder bei geringfügigen Regelverstößen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, grundsätzlich Verletzungen in Kauf nimmt, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Mitspieler setzt daher zunächst grundsätzlich den Nachweis voraus, daß dieser sich nicht regelgerecht verhalten hat (BGHZ 63, 140; BGHZ 154, 316 m.w.N.). Auch bei geringfügigen Regelverstößen in wettbewerbstypischen Risikolagen - wie zum Beispiel bei noch verständlichem, übereifrigem Spieleinsatz, bei bloßer Unüberlegtheit, bei wettkampfbedingter Übermüdung oder im Zusammenhang mit einem (leicht-)fahrlässigen technischen Versagen - scheidet danach eine Inanspruchnahme des Schädigers regelmäßig bereits im Hinblick auf das Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs, jedenfalls aber im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis aus (BGHZ 154, 316; OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1257; OLG Oldenburg VersR 1995, 670; Palandt/Sprau, BGB, 64. Bearbeitung 2005, § 823, Rn. 217 m.w.N.). Verhaltensweisen eines Mitspielers, die sich noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairneß bewegen, begründen daher trotz des Vorliegens eines objektiven Regelverstoßes keine Schadensersatzansprüche (OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 1043 f.; OLG Hamm VersR 1999, 1115; vgl. auch BGH VersR 1976, 591).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Prämissen hat das Landgericht wohlabgewogen eine Haftung des Beklagten bejaht. Es hat insbesondere berücksichtigt, daß ein objektiver Regelverstoß beim Fußballspiel nicht ohne weiteres ein schuldhaftes Verhalten indiziert. Der Beklagte hat vorliegend vielmehr - auch zur Überzeugung des Senats - die durch den Spielzweck gebotene bzw. noch gerechtfertigte Härte und damit einhergehend auch die Grenzen zur unzulässigen Unfairneß überschritten.

An der Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestehen keine Zweifel. Die tatrichterliche Würdigung der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme sowie der Parteierklärungen ist - was die Berufungsbegründung verkennt - ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Ausführungen des Landgerichts sind in sich widerspruchsfrei, verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und würdigen sowohl die Bekundungen der Zeugen als auch die Parteierklärungen umfassend. Dabei hat das Landgericht insbesondere nachvollziehbar dargelegt, daß der vom Beklagten benannte Zeuge S das entscheidende Spielgeschehen lediglich aus einer weiteren Entfernung von mehr als 50 Metern beobachtet hatte, ohne über detaillierte Einzelheiten berichten zu können, und daß darüber hinaus der vom Beklagten benannte Zeuge L - wenig glaubhaft - im Gegensatz zu allen anderen Zeugen und Verfahrensbeteiligten gesehen haben will, daß der Beklagte die Grätsche mit dem rechten Bein ausgeführt haben soll. Das Landgericht durfte daher - auch in Ansehung der Bekundung des Zeugen N - aufgrund der lebensnahen und überzeugenden Aussagen der Zeugen T, C und K darauf abstellen, daß der Beklagte im vorliegenden Fall eine grobe und haftungsrelevante Unsportlichkeit begangen hatte. Daß der Beklagte - wenn auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund einer seinerzeitigen Fehleinschätzung - durchaus gemeint haben mag, es habe noch eine realistische Möglichkeit bestanden, an den Ball zu kommen, rechtfertigt vorliegend (vgl. insoweit auch OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 1043) keine andere Beurteilung.

Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zugang dieses Schreibens Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung zurückgenommen oder weiter durchgeführt werden soll.

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